Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 219.

Ohne mich zu einer oder der andern Er-
klärungsart zu bekennen, will ich nur so viel hier
anmerken, daß die mehresten Beweisgründe, mit
denen eine Parthey die Meinung der andern ge-
wöhnlich zu bestreiten pflegt, für das Daseyn so
feiner Nervenschwingungen, oder einer so feinen
Nervenflüßigkeit allzusinnlich ausfallen.

§. 220.

Vielleicht ließen sich beyde Meinungen ver-
einigen, wenn man nämlich annähme, daß
eine flüßige Nervenmaterie durch einwirkende
Reizmittel (stimulos) in schwingende Bewegun-
gen gesetzt wird.

§. 221.

Die Meinung von dem Daseyn einer flüßi-
gen Nervenmaterie wird, außer andern Grün-
den, durch die Struktur des Nervensystems, vor-
züglich aber des Gehirns, das mit andern abson-
dernden Eingeweiden eine große Aehnlichkeit hat,
nicht wenig begünstigt. Daraus folgt aber noch
nicht, daß nothwendig Röhrchen und Gefäße vor-
handen seyn müssen, so wenig als im Fließpapie-
re, und in jedem andern Siebe.

Ich übergehe hier die abgeschmackten Be-
rechnungen über die Geschwindigkeit, mit der die
Lebensgeister in den Nerven bewegt werden sollen.

§. 222.

Was aber die Nervenschwingungen betrifft,
so stimmen die mehresten Erscheinungen mit die-
ser Theorie genau überein; doch muß man sich
die Nerven nicht wie gespannte Saiten vorstellen,
sondern nur als so feine Bebungen denken, deren
auch die so äußerst weiche Substanz des Gehirns

§. 219.

Ohne mich zu einer oder der andern Er-
klärungsart zu bekennen, will ich nur so viel hier
anmerken, daß die mehresten Beweisgründe, mit
denen eine Parthey die Meinung der andern ge-
wöhnlich zu bestreiten pflegt, für das Daseyn so
feiner Nervenschwingungen, oder einer so feinen
Nervenflüßigkeit allzusinnlich ausfallen.

§. 220.

Vielleicht ließen sich beyde Meinungen ver-
einigen, wenn man nämlich annähme, daß
eine flüßige Nervenmaterie durch einwirkende
Reizmittel (stimulos) in schwingende Bewegun-
gen gesetzt wird.

§. 221.

Die Meinung von dem Daseyn einer flüßi-
gen Nervenmaterie wird, außer andern Grün-
den, durch die Struktur des Nervensystems, vor-
züglich aber des Gehirns, das mit andern abson-
dernden Eingeweiden eine große Aehnlichkeit hat,
nicht wenig begünstigt. Daraus folgt aber noch
nicht, daß nothwendig Röhrchen und Gefäße vor-
handen seyn müssen, so wenig als im Fließpapie-
re, und in jedem andern Siebe.

Ich übergehe hier die abgeschmackten Be-
rechnungen über die Geschwindigkeit, mit der die
Lebensgeister in den Nerven bewegt werden sollen.

§. 222.

Was aber die Nervenschwingungen betrifft,
so stimmen die mehresten Erscheinungen mit die-
ser Theorie genau überein; doch muß man sich
die Nerven nicht wie gespannte Saiten vorstellen,
sondern nur als so feine Bebungen denken, deren
auch die so äußerst weiche Substanz des Gehirns

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000071">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0160" xml:id="pb142_0001" n="142"/>
          <head rendition="#c">§. 219.</head><lb/>
          <p>Ohne mich zu einer oder der andern Er-<lb/>
klärungsart zu bekennen, will ich nur so viel hier<lb/>
anmerken, daß die mehresten Beweisgründe, mit<lb/>
denen eine Parthey die Meinung der andern ge-<lb/>
wöhnlich zu bestreiten pflegt, für das Daseyn so<lb/>
feiner Nervenschwingungen, oder einer so feinen<lb/>
Nervenflüßigkeit allzusinnlich ausfallen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 220.</head><lb/>
          <p>Vielleicht ließen sich beyde Meinungen ver-<lb/>
einigen, wenn man nämlich annähme, daß<lb/>
eine flüßige Nervenmaterie durch einwirkende<lb/>
Reizmittel (<hi rendition="#aq">stimulos</hi>) in schwingende Bewegun-<lb/>
gen gesetzt wird.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 221.</head><lb/>
          <p>Die Meinung von dem Daseyn einer flüßi-<lb/>
gen Nervenmaterie wird, außer andern Grün-<lb/>
den, durch die Struktur des Nervensystems, vor-<lb/>
züglich aber des Gehirns, das mit andern abson-<lb/>
dernden Eingeweiden eine große Aehnlichkeit hat,<lb/>
nicht wenig begünstigt. Daraus folgt aber noch<lb/>
nicht, daß nothwendig Röhrchen und Gefäße vor-<lb/>
handen seyn müssen, so wenig als im Fließpapie-<lb/>
re, und in jedem andern Siebe.</p>
          <p>Ich übergehe hier die abgeschmackten Be-<lb/>
rechnungen über die Geschwindigkeit, mit der die<lb/>
Lebensgeister in den Nerven bewegt werden sollen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 222.</head><lb/>
          <p>Was aber die Nervenschwingungen betrifft,<lb/>
so stimmen die mehresten Erscheinungen mit die-<lb/>
ser Theorie genau überein; doch muß man sich<lb/>
die Nerven nicht wie gespannte Saiten vorstellen,<lb/>
sondern nur als so feine Bebungen denken, deren<lb/>
auch die so äußerst weiche Substanz des Gehirns<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0160] §. 219. Ohne mich zu einer oder der andern Er- klärungsart zu bekennen, will ich nur so viel hier anmerken, daß die mehresten Beweisgründe, mit denen eine Parthey die Meinung der andern ge- wöhnlich zu bestreiten pflegt, für das Daseyn so feiner Nervenschwingungen, oder einer so feinen Nervenflüßigkeit allzusinnlich ausfallen. §. 220. Vielleicht ließen sich beyde Meinungen ver- einigen, wenn man nämlich annähme, daß eine flüßige Nervenmaterie durch einwirkende Reizmittel (stimulos) in schwingende Bewegun- gen gesetzt wird. §. 221. Die Meinung von dem Daseyn einer flüßi- gen Nervenmaterie wird, außer andern Grün- den, durch die Struktur des Nervensystems, vor- züglich aber des Gehirns, das mit andern abson- dernden Eingeweiden eine große Aehnlichkeit hat, nicht wenig begünstigt. Daraus folgt aber noch nicht, daß nothwendig Röhrchen und Gefäße vor- handen seyn müssen, so wenig als im Fließpapie- re, und in jedem andern Siebe. Ich übergehe hier die abgeschmackten Be- rechnungen über die Geschwindigkeit, mit der die Lebensgeister in den Nerven bewegt werden sollen. §. 222. Was aber die Nervenschwingungen betrifft, so stimmen die mehresten Erscheinungen mit die- ser Theorie genau überein; doch muß man sich die Nerven nicht wie gespannte Saiten vorstellen, sondern nur als so feine Bebungen denken, deren auch die so äußerst weiche Substanz des Gehirns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/160
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/160>, abgerufen am 23.11.2024.