auch den ganz jungen und selbst den stummgebornen Kindern zukommt. Und so folgt aus je en beyden aus- schließlichen Vorzügen das große ausschließliche Eigen- thum der Menschenspecies, wodurch sie über die ganze übrige thierische Schöpfung erhoben wird, das Ler- mögen sich selbst zu vervollkommnen.
Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfsbe- dürftiges Geschöpf. Kein anderes Thier außer ihm bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr spät erst sein Gebiß, lernt so sehr spät erst auf seinen Füßen stehen, keins wird so sehr spät mannbar u. s. w. Selbst seine großen Vorzüge, Vernunft und Sprache, sind nur Keime, die sich nicht von selbst, sondern erst durch frem- de Hülfe, Cultur und Erziehung entwickeln können; daher denn bey dieser Hülfsbedürftigkeit und bey die- sen zahllosen dringenden Bedürfnissen die allgemeine natürliche Bestimmung des Menschen zur gesellschaft- lichen Verbindung. Nicht ganz so allgemein läßt sich hingegen vor der Hand noch entscheiden, ob in al- len Welttheilen die Proportion in der Anzahl der ge- bornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit der beyden Geschlech- ter so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie bestimmt werde.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind bey- de unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Er- de, und nährt sich mit den vielartigsten Stoffen aus dem weitesten Umfang der organisirten Schöpfung. Und in Verhaltniß zu seiner mäßigen körperlichen Grö- ße, und in Vergleich mit andern Säugethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter.
Es gibt nur Eine Gattung (species) im Men- schengeschlecht; und alle uns bekannte Völker aller Zeiten und aller Himmelsstriche können von einer ge- meinschaftlichen Stammrace abstammen*). Alle Na- tional-Verschiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen Körpers sind um nichts auffallender oder unvegreiflicher als die, worin so viele andere Gattun- gen von organisirten Körpern, zumahl unter den Haus-
*) Ich habe dieß in der 3ten Ausgabe der Schrift: de generi humani varietate nativa weiter ausgeführt.
auch den ganz jungen und selbst den stummgebornen Kindern zukommt. Und so folgt aus je en beyden aus- schließlichen Vorzügen das große ausschließliche Eigen- thum der Menschenspecies, wodurch sie über die ganze übrige thierische Schöpfung erhoben wird, das Ler- mögen sich selbst zu vervollkommnen.
Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfsbe- dürftiges Geschöpf. Kein anderes Thier außer ihm bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr spät erst sein Gebiß, lernt so sehr spät erst auf seinen Füßen stehen, keins wird so sehr spät mannbar u. s. w. Selbst seine großen Vorzüge, Vernunft und Sprache, sind nur Keime, die sich nicht von selbst, sondern erst durch frem- de Hülfe, Cultur und Erziehung entwickeln können; daher denn bey dieser Hülfsbedürftigkeit und bey die- sen zahllosen dringenden Bedürfnissen die allgemeine natürliche Bestimmung des Menschen zur gesellschaft- lichen Verbindung. Nicht ganz so allgemein läßt sich hingegen vor der Hand noch entscheiden, ob in al- len Welttheilen die Proportion in der Anzahl der ge- bornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit der beyden Geschlech- ter so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie bestimmt werde.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind bey- de unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Er- de, und nährt sich mit den vielartigsten Stoffen aus dem weitesten Umfang der organisirten Schöpfung. Und in Verhaltniß zu seiner mäßigen körperlichen Grö- ße, und in Vergleich mit andern Säugethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter.
Es gibt nur Eine Gattung (species) im Men- schengeschlecht; und alle uns bekannte Völker aller Zeiten und aller Himmelsstriche können von einer ge- meinschaftlichen Stammrace abstammen*). Alle Na- tional-Verschiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen Körpers sind um nichts auffallender oder unvegreiflicher als die, worin so viele andere Gattun- gen von organisirten Körpern, zumahl unter den Haus-
*) Ich habe dieß in der 3ten Ausgabe der Schrift: de generi humani varietate nativa weiter ausgeführt.
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[56/0075]
auch den ganz jungen und selbst den stummgebornen
Kindern zukommt. Und so folgt aus je en beyden aus-
schließlichen Vorzügen das große ausschließliche Eigen-
thum der Menschenspecies, wodurch sie über die ganze
übrige thierische Schöpfung erhoben wird, das Ler-
mögen sich selbst zu vervollkommnen.
Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfsbe-
dürftiges Geschöpf. Kein anderes Thier außer ihm
bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr spät erst sein
Gebiß, lernt so sehr spät erst auf seinen Füßen stehen,
keins wird so sehr spät mannbar u. s. w. Selbst seine
großen Vorzüge, Vernunft und Sprache, sind nur
Keime, die sich nicht von selbst, sondern erst durch frem-
de Hülfe, Cultur und Erziehung entwickeln können;
daher denn bey dieser Hülfsbedürftigkeit und bey die-
sen zahllosen dringenden Bedürfnissen die allgemeine
natürliche Bestimmung des Menschen zur gesellschaft-
lichen Verbindung. Nicht ganz so allgemein läßt
sich hingegen vor der Hand noch entscheiden, ob in al-
len Welttheilen die Proportion in der Anzahl der ge-
bornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der
Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit der beyden Geschlech-
ter so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in
Europa zur Monogamie bestimmt werde.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind bey-
de unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohnbare Er-
de, und nährt sich mit den vielartigsten Stoffen aus
dem weitesten Umfang der organisirten Schöpfung.
Und in Verhaltniß zu seiner mäßigen körperlichen Grö-
ße, und in Vergleich mit andern Säugethieren erreicht
er ein ausnehmend hohes Alter.
Es gibt nur Eine Gattung (species) im Men-
schengeschlecht; und alle uns bekannte Völker aller
Zeiten und aller Himmelsstriche können von einer ge-
meinschaftlichen Stammrace abstammen *). Alle Na-
tional-Verschiedenheiten in Bildung und Farbe des
menschlichen Körpers sind um nichts auffallender oder
unvegreiflicher als die, worin so viele andere Gattun-
gen von organisirten Körpern, zumahl unter den Haus-
*) Ich habe dieß in der 3ten Ausgabe der Schrift: de generi
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Wien, 1816, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1816/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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