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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815.

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dem Zeitworte sich gatten, abstammt; und da
nun im freyen Naturzustande wohl nur die Thiere
von einer species sich mit einander fruchtbar
gatten, so versteht sich also von selbst, daß das
Wort species, in dem Sinne, wovon hier die
Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort pas-
sender, bezeichnender und bestimmter ausgedrückt
werden konnte, als durch Gattung.

3) Daß aber die Homonymie des deutschen
Wortes Geschlecht, indem es sowohl genus als
sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde,
ist wohl eben so wenig im Ernst zu befürchten,
als bey dem lateinischen Worte genus, das, wie
wir in den Kinderjahren in der Grammatik beym
Unterschied der Worte generis masculini oder
foeeminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird.

4) Und wenn aber auch obbesagter Refor-
mator im Ernste so etwas befürchten zu müssen
meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß
was für ein Wort von eigener Fabrik statt des
ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber
nichts konnte ihn berechtigen, die Landessprache
- d. h. den bestimmten einmahl festgesetzten Sinn
der deutschen Worte - (da man z. B. Men-
schengeschlecht etc. sagt so gut wie genus hu-
manum
) zu verkehren! Denn, wie unser seliger
Lichtenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich
ausdrückt:

"Hypothesen zu machen, und sie als seine
Stimme der Welt vorzulegen, darf niemand

dem Zeitworte sich gatten, abstammt; und da
nun im freyen Naturzustande wohl nur die Thiere
von einer species sich mit einander fruchtbar
gatten, so versteht sich also von selbst, daß das
Wort species, in dem Sinne, wovon hier die
Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort pas-
sender, bezeichnender und bestimmter ausgedrückt
werden konnte, als durch Gattung.

3) Daß aber die Homonymie des deutschen
Wortes Geschlecht, indem es sowohl genus als
sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde,
ist wohl eben so wenig im Ernst zu befürchten,
als bey dem lateinischen Worte genus, das, wie
wir in den Kinderjahren in der Grammatik beym
Unterschied der Worte generis masculini oder
fœeminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird.

4) Und wenn aber auch obbesagter Refor-
mator im Ernste so etwas befürchten zu müssen
meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß
was für ein Wort von eigener Fabrik statt des
ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber
nichts konnte ihn berechtigen, die Landessprache
– d. h. den bestimmten einmahl festgesetzten Sinn
der deutschen Worte – (da man z. B. Men-
schengeschlecht ꝛc. sagt so gut wie genus hu-
manum
) zu verkehren! Denn, wie unser seliger
Lichtenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich
ausdrückt:

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[7/0011] dem Zeitworte sich gatten, abstammt; und da nun im freyen Naturzustande wohl nur die Thiere von einer species sich mit einander fruchtbar gatten, so versteht sich also von selbst, daß das Wort species, in dem Sinne, wovon hier die Rede ist, durch kein anderes deutsches Wort pas- sender, bezeichnender und bestimmter ausgedrückt werden konnte, als durch Gattung. 3) Daß aber die Homonymie des deutschen Wortes Geschlecht, indem es sowohl genus als sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde, ist wohl eben so wenig im Ernst zu befürchten, als bey dem lateinischen Worte genus, das, wie wir in den Kinderjahren in der Grammatik beym Unterschied der Worte generis masculini oder fœeminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird. 4) Und wenn aber auch obbesagter Refor- mator im Ernste so etwas befürchten zu müssen meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eigener Fabrik statt des ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landessprache – d. h. den bestimmten einmahl festgesetzten Sinn der deutschen Worte – (da man z. B. Men- schengeschlecht ꝛc. sagt so gut wie genus hu- manum) zu verkehren! Denn, wie unser seliger Lichtenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt: „Hypothesen zu machen, und sie als seine Stimme der Welt vorzulegen, darf niemand

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/11>, abgerufen am 03.05.2024.