Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele
warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An-
weisung und ohne alle vorgängige Uebung*),
(als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann;
wie z. B. bey den Raupen, die nur Ein für alle
Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen
können, und wo folglich schlechterdings erster
Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so un-
gemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-
webe etc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und
zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar
nicht. Was ihn hingegen für diesen schein-
baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließlich
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä-
higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige
schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung
der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w.
so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende
Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der-
selben erhält, unwiderredlich am Tage.

*) "Nascitur ars ista, non discitur." Seneca.

triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele
warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An-
weisung und ohne alle vorgängige Uebung*),
(als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann;
wie z. B. bey den Raupen, die nur Ein für alle
Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen
können, und wo folglich schlechterdings erster
Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so un-
gemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-
webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und
zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar
nicht. Was ihn hingegen für diesen schein-
baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließlich
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä-
higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige
schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung
der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w.
so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende
Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der-
selben erhält, unwiderredlich am Tage.

*) Nascitur ars ista, non discitur. Seneca.
<TEI>
  <text xml:id="blume000027">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" xml:id="pb041_0001" n="41"/>
triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele<lb/>
warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An-<lb/>
weisung und ohne alle vorgängige Uebung<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p><q>&#x201E;<hi rendition="#aq">Nascitur ars ista, non discitur.</hi>&#x201D;</q><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Seneca</hi>.</hi></p></note>,<lb/>
(als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann;<lb/>
wie z. B. bey den Raupen, die nur Ein für alle<lb/>
Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen<lb/>
können, und wo folglich schlechterdings erster<lb/>
Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so un-<lb/>
gemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-<lb/>
webe &#xA75B;c. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit<lb/>
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und<lb/>
zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 37.</head><lb/>
          <p>Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben<lb/>
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne<lb/>
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar<lb/>
nicht. Was ihn hingegen für diesen schein-<lb/>
baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der<lb/>
Vernunft.</p>
          <p>Diese mag nun entweder eine ausschließlich<lb/>
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,<lb/>
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä-<lb/>
higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige<lb/>
schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung<lb/>
der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w.<lb/>
so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende<lb/>
Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der-<lb/>
selben erhält, unwiderredlich am Tage.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0065] triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An- weisung und ohne alle vorgängige Uebung *), (als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. B. bey den Raupen, die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen können, und wo folglich schlechterdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so un- gemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge- webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen. §. 37. Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben wenig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar nicht. Was ihn hingegen für diesen schein- baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft. Diese mag nun entweder eine ausschließlich eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä- higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w. so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der- selben erhält, unwiderredlich am Tage. *) „Nascitur ars ista, non discitur.” Seneca.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt „Johann Friedrich Blumenbach – online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Herstellung der Imagedateien des Quelldokuments durch die Utrecht University Library und die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach dem von der Akademie gelieferten Dokument "Buchstabenmuster_Blumenbach.doc" modernisiert.

In Absprache mit der Akademie wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizeriung von titleParts verzeichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet. Eine Ausnahme bilden Zitate, bei denen das Anführungszeichen zu Beginn jeder Zeile wiederholt wird. Hier wurden die Wiederholungen des öffenenden Zeichens nicht übernommen, sondern jeweils nur das öffnende und das schließende Zeichen. Das umschließende Element q wurde für diese Zitate über das Attribut type mit dem Wert preline gekennzeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen wurden als 002D übernommen. Weiche Zeilentrennungen wurden über die Ergänzung eines Attributwertes von den harten Trennungen unterscheiden: lb type="inWord". Erstreckt sich die Worttrennung über einen Seitenumbruch steht das Element pb direkt hinter dem schließenden lb type="inWord" bzw. lb.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/65
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/65>, abgerufen am 23.11.2024.