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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799.

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§. 63.

Kein Vogel hat Zähne, sondern diese Thiere
müssen ihre Speise entweder mit dem Schnabel
zerbeissen, oder ganz schlucken. Bey denjenigen
samenfressenden Vögeln, die ihre Körner ganz,
unzerbissen einschlucken, gelangen diese nicht so-
gleich in den Magen, sondern werden vorher
im drüsenreichen Kropfe oder Vor-Magen
(ingluuies, prolobus) eingeweicht, und von
da nur allmählich an den Magen überlassen
der bey diesen Thieren äußerst musculös, und
so stark ist, daß er sogar, nach Reaumur's
u. a. merkwürdigen Versuchen, verschluckte Hasel-
nüsse und Olivenkerne zu zerdrücken und Münzen
so glatt wie Papier abzuscheuern vermag. Sehr
viele Vögel verschlucken aber auch überdem noch
kleine Kieselsteinchen, die ebenfalls die Zermal-
mung und nachherige Verdauung der Speisen
befördern*). Verschiedene fleischfressende Vögel,
wie die Falken, Eulen, Eisvögel etc. können die
Knochen, Haare und Gräten der kleinen Thiere,
die sie verzehrt haben, nicht verdauen, sondern

*) Ueber den Zweck und Nutzen weshalb diese Vögel
solche Steinchen schleichen müssen, sind die Mei-
nungen der Physiologen sehr verschieden. - Manche
haben gar gewährt, es geschehe aus Stupidität. -
Nach meinen Untersuchungen ist es ein unentbehr-
liches Hülfsmittel, um die eingeschluckten Körner
dadurch zu tödten und ihrer Lebenskraft zu
belauben, die sonst der Digestionskraft widersteht.
§. 63.

Kein Vogel hat Zähne, sondern diese Thiere
müssen ihre Speise entweder mit dem Schnabel
zerbeissen, oder ganz schlucken. Bey denjenigen
samenfressenden Vögeln, die ihre Körner ganz,
unzerbissen einschlucken, gelangen diese nicht so-
gleich in den Magen, sondern werden vorher
im drüsenreichen Kropfe oder Vor-Magen
(ingluuies, prolobus) eingeweicht, und von
da nur allmählich an den Magen überlassen
der bey diesen Thieren äußerst musculös, und
so stark ist, daß er sogar, nach Reaumur's
u. a. merkwürdigen Versuchen, verschluckte Hasel-
nüsse und Olivenkerne zu zerdrücken und Münzen
so glatt wie Papier abzuscheuern vermag. Sehr
viele Vögel verschlucken aber auch überdem noch
kleine Kieselsteinchen, die ebenfalls die Zermal-
mung und nachherige Verdauung der Speisen
befördern*). Verschiedene fleischfressende Vögel,
wie die Falken, Eulen, Eisvögel ꝛc. können die
Knochen, Haare und Gräten der kleinen Thiere,
die sie verzehrt haben, nicht verdauen, sondern

*) Ueber den Zweck und Nutzen weshalb diese Vögel
solche Steinchen schleichen müssen, sind die Mei-
nungen der Physiologen sehr verschieden. – Manche
haben gar gewährt, es geschehe aus Stupidität. –
Nach meinen Untersuchungen ist es ein unentbehr-
liches Hülfsmittel, um die eingeschluckten Körner
dadurch zu tödten und ihrer Lebenskraft zu
belauben, die sonst der Digestionskraft widersteht.
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[133/0157] §. 63. Kein Vogel hat Zähne, sondern diese Thiere müssen ihre Speise entweder mit dem Schnabel zerbeissen, oder ganz schlucken. Bey denjenigen samenfressenden Vögeln, die ihre Körner ganz, unzerbissen einschlucken, gelangen diese nicht so- gleich in den Magen, sondern werden vorher im drüsenreichen Kropfe oder Vor-Magen (ingluuies, prolobus) eingeweicht, und von da nur allmählich an den Magen überlassen der bey diesen Thieren äußerst musculös, und so stark ist, daß er sogar, nach Reaumur's u. a. merkwürdigen Versuchen, verschluckte Hasel- nüsse und Olivenkerne zu zerdrücken und Münzen so glatt wie Papier abzuscheuern vermag. Sehr viele Vögel verschlucken aber auch überdem noch kleine Kieselsteinchen, die ebenfalls die Zermal- mung und nachherige Verdauung der Speisen befördern *). Verschiedene fleischfressende Vögel, wie die Falken, Eulen, Eisvögel ꝛc. können die Knochen, Haare und Gräten der kleinen Thiere, die sie verzehrt haben, nicht verdauen, sondern *) Ueber den Zweck und Nutzen weshalb diese Vögel solche Steinchen schleichen müssen, sind die Mei- nungen der Physiologen sehr verschieden. – Manche haben gar gewährt, es geschehe aus Stupidität. – Nach meinen Untersuchungen ist es ein unentbehr- liches Hülfsmittel, um die eingeschluckten Körner dadurch zu tödten und ihrer Lebenskraft zu belauben, die sonst der Digestionskraft widersteht.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt „Johann Friedrich Blumenbach – online“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

Herstellung der Imagedateien des Quelldokuments durch die Utrecht University Library und die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach dem von der Akademie gelieferten Dokument "Buchstabenmuster_Blumenbach.doc" modernisiert.

In Absprache mit der Akademie wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizeriung von titleParts verzeichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet. Eine Ausnahme bilden Zitate, bei denen das Anführungszeichen zu Beginn jeder Zeile wiederholt wird. Hier wurden die Wiederholungen des öffenenden Zeichens nicht übernommen, sondern jeweils nur das öffnende und das schließende Zeichen. Das umschließende Element q wurde für diese Zitate über das Attribut type mit dem Wert preline gekennzeichnet.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/157>, abgerufen am 23.11.2024.