wogegen sich zwar einige unsrer neuern Welt- weisen empören wollen, der doch aber ganzen Gattungen von Thieren z. B. den Bienen und Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert, die sie ohne denselben unmöglich gegen ihre zahlreichen größern Feinde zu behaupten vermöchten. Eben dahin gehören die mannichfaltigen Mittel wo- durch so viele Gattungen von Thieren ihrem sonstigen Untergang in der rauhesten Jahrszeit zu entgehen wissen. Nur wenige haben Win- terschlaf: wie viele der übrigen müßten also un- ter Kälte, und Mangel an Lebensmitteln erlie- gen, wenn nicht einige, wie die Bieber, vom Instinct getrieben, zur guten Zeit ihre Scheu- ern mit Wintervorrath füllten, oder andere, wie die Zugvögel, im Herbst unsre rauhen Ge- genden verliessen, und bis gegens Frühjahr sich am Nil, am Senegal etc. wohl seyn liessen. Daß dieß blos innerer Trieb, nicht Angewohn- heit, oder Unterweisung und Tradition der alten erfahrnern Thiere sey, lehrt das Beyspiel junger Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat, und die doch wenn die Zeit naht, da ihre Brüder ihr Haus bestellen, und sich zu ihrer großen Reise bereiten, im Bauer unruhig werden, und es bey allem guten Futter und bey aller Bequemlichkeit, doch innerlich fühlen, daß es nicht ihre Bestimmung sey, das ganze Jahr am gleichen Ort zu verweilen.
wogegen sich zwar einige unsrer neuern Welt- weisen empören wollen, der doch aber ganzen Gattungen von Thieren z. B. den Bienen und Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert, die sie ohne denselben unmöglich gegen ihre zahlreichen größern Feinde zu behaupten vermöchten. Eben dahin gehören die mannichfaltigen Mittel wo- durch so viele Gattungen von Thieren ihrem sonstigen Untergang in der rauhesten Jahrszeit zu entgehen wissen. Nur wenige haben Win- terschlaf: wie viele der übrigen müßten also un- ter Kälte, und Mangel an Lebensmitteln erlie- gen, wenn nicht einige, wie die Bieber, vom Instinct getrieben, zur guten Zeit ihre Scheu- ern mit Wintervorrath füllten, oder andere, wie die Zugvögel, im Herbst unsre rauhen Ge- genden verliessen, und bis gegens Frühjahr sich am Nil, am Senegal ꝛc. wohl seyn liessen. Daß dieß blos innerer Trieb, nicht Angewohn- heit, oder Unterweisung und Tradition der alten erfahrnern Thiere sey, lehrt das Beyspiel junger Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat, und die doch wenn die Zeit naht, da ihre Brüder ihr Haus bestellen, und sich zu ihrer großen Reise bereiten, im Bauer unruhig werden, und es bey allem guten Futter und bey aller Bequemlichkeit, doch innerlich fühlen, daß es nicht ihre Bestimmung sey, das ganze Jahr am gleichen Ort zu verweilen.
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000024"><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0056"xml:id="pb036_0001"n="36"/>
wogegen sich zwar einige unsrer neuern Welt-<lbtype="inWord"/>
weisen empören wollen, der doch aber ganzen<lb/>
Gattungen von Thieren z. B. den Bienen und<lb/>
Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert, die sie<lb/>
ohne denselben unmöglich gegen ihre zahlreichen<lb/>
größern Feinde zu behaupten vermöchten. Eben<lb/>
dahin gehören die mannichfaltigen Mittel wo-<lb/>
durch so viele Gattungen von Thieren ihrem<lb/>
sonstigen Untergang in der rauhesten Jahrszeit<lb/>
zu entgehen wissen. Nur wenige haben Win-<lb/>
terschlaf: wie viele der übrigen müßten also un-<lb/>
ter Kälte, und Mangel an Lebensmitteln erlie-<lb/>
gen, wenn nicht einige, wie die Bieber, vom<lb/>
Instinct getrieben, zur guten Zeit ihre Scheu-<lbtype="inWord"/>
ern mit Wintervorrath füllten, oder andere,<lb/>
wie die Zugvögel, im Herbst unsre rauhen Ge-<lb/>
genden verliessen, und bis gegens Frühjahr sich<lb/>
am Nil, am Senegal ꝛc. wohl seyn liessen.<lb/>
Daß dieß blos innerer Trieb, nicht Angewohn-<lb/>
heit, oder Unterweisung und Tradition der alten<lb/>
erfahrnern Thiere sey, lehrt das Beyspiel junger<lb/>
Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer<lb/>
erzogen hat, und die doch wenn die Zeit naht,<lb/>
da ihre Brüder ihr Haus bestellen, und sich zu<lb/>
ihrer großen Reise bereiten, im Bauer unruhig<lb/>
werden, und es bey allem guten Futter und bey<lb/>
aller Bequemlichkeit, doch innerlich fühlen, daß<lb/>
es nicht ihre Bestimmung sey, das ganze Jahr<lb/>
am gleichen Ort zu verweilen.</p></div><divn="2"></div></div></body></text></TEI>
[36/0056]
wogegen sich zwar einige unsrer neuern Welt-
weisen empören wollen, der doch aber ganzen
Gattungen von Thieren z. B. den Bienen und
Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert, die sie
ohne denselben unmöglich gegen ihre zahlreichen
größern Feinde zu behaupten vermöchten. Eben
dahin gehören die mannichfaltigen Mittel wo-
durch so viele Gattungen von Thieren ihrem
sonstigen Untergang in der rauhesten Jahrszeit
zu entgehen wissen. Nur wenige haben Win-
terschlaf: wie viele der übrigen müßten also un-
ter Kälte, und Mangel an Lebensmitteln erlie-
gen, wenn nicht einige, wie die Bieber, vom
Instinct getrieben, zur guten Zeit ihre Scheu-
ern mit Wintervorrath füllten, oder andere,
wie die Zugvögel, im Herbst unsre rauhen Ge-
genden verliessen, und bis gegens Frühjahr sich
am Nil, am Senegal ꝛc. wohl seyn liessen.
Daß dieß blos innerer Trieb, nicht Angewohn-
heit, oder Unterweisung und Tradition der alten
erfahrnern Thiere sey, lehrt das Beyspiel junger
Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer
erzogen hat, und die doch wenn die Zeit naht,
da ihre Brüder ihr Haus bestellen, und sich zu
ihrer großen Reise bereiten, im Bauer unruhig
werden, und es bey allem guten Futter und bey
aller Bequemlichkeit, doch innerlich fühlen, daß
es nicht ihre Bestimmung sey, das ganze Jahr
am gleichen Ort zu verweilen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 3. Aufl. Göttingen, 1788, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1788/56>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.