Sich die Entstehung der organisirten Kör- per zu erklären, hat man neuerlich die freylich ganz commode Lehre der Evolution angenom- men, und gemeynt, es werde kein Mensch und kein Thier und keine Pflanze in der Welt er- zeugt, sondern sie lägen alle schon seit der er- sten Schöpfuug als völlig präformirte Keime bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor- räthig; die verschiedenen Generationen streckten, gleichsam wie eingepackte Schachteln in einan- der, und würden nur nach und nach so wie die Reihe an sie käme durch die Befruchtung ent- wickelt und ans Licht gebracht. Manche Ge- lehrte haben diese Keime im väterlichen, andere hingegen haben sie im mütterlichen Zeugungs- stoffe gesucht. Jene glaubten sie also bey den Thieren in den sogenannten Saamenthiergen, diese aber im weiblichen Eyerstock gefunden zu haben.
§. 8.
Gegen diese vermeynte Präexistenz solcher vorgeblich präformirten Keime streitet aber, um nur weniges anzuführen, z. B. die bekannte Er- fahrung, daß sich auch dem bewaffnetesten Auge doch nie sogleich - sondern immer erst nur ge- raume, zum Theil beträchtlich lange Zeit, nach der Befruchtung die erste Spur des neu empfan-
§. 7.
Sich die Entstehung der organisirten Kör- per zu erklären, hat man neuerlich die freylich ganz commode Lehre der Evolution angenom- men, und gemeynt, es werde kein Mensch und kein Thier und keine Pflanze in der Welt er- zeugt, sondern sie lägen alle schon seit der er- sten Schöpfuug als völlig präformirte Keime bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor- räthig; die verschiedenen Generationen streckten, gleichsam wie eingepackte Schachteln in einan- der, und würden nur nach und nach so wie die Reihe an sie käme durch die Befruchtung ent- wickelt und ans Licht gebracht. Manche Ge- lehrte haben diese Keime im väterlichen, andere hingegen haben sie im mütterlichen Zeugungs- stoffe gesucht. Jene glaubten sie also bey den Thieren in den sogenannten Saamenthiergen, diese aber im weiblichen Eyerstock gefunden zu haben.
§. 8.
Gegen diese vermeynte Präexistenz solcher vorgeblich präformirten Keime streitet aber, um nur weniges anzuführen, z. B. die bekannte Er- fahrung, daß sich auch dem bewaffnetesten Auge doch nie sogleich – sondern immer erst nur ge- raume, zum Theil beträchtlich lange Zeit, nach der Befruchtung die erste Spur des neu empfan-
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§. 7.
Sich die Entstehung der organisirten Kör-
per zu erklären, hat man neuerlich die freylich
ganz commode Lehre der Evolution angenom-
men, und gemeynt, es werde kein Mensch und
kein Thier und keine Pflanze in der Welt er-
zeugt, sondern sie lägen alle schon seit der er-
sten Schöpfuug als völlig präformirte Keime
bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor-
räthig; die verschiedenen Generationen streckten,
gleichsam wie eingepackte Schachteln in einan-
der, und würden nur nach und nach so wie die
Reihe an sie käme durch die Befruchtung ent-
wickelt und ans Licht gebracht. Manche Ge-
lehrte haben diese Keime im väterlichen, andere
hingegen haben sie im mütterlichen Zeugungs-
stoffe gesucht. Jene glaubten sie also bey den
Thieren in den sogenannten Saamenthiergen,
diese aber im weiblichen Eyerstock gefunden zu
haben.
§. 8.
Gegen diese vermeynte Präexistenz solcher
vorgeblich präformirten Keime streitet aber, um
nur weniges anzuführen, z. B. die bekannte Er-
fahrung, daß sich auch dem bewaffnetesten Auge
doch nie sogleich – sondern immer erst nur ge-
raume, zum Theil beträchtlich lange Zeit, nach
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 3. Aufl. Göttingen, 1788, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1788/31>, abgerufen am 23.11.2024.
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