Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

uns beykommen lassen die Abgeschmacktheiten
zu begünstigen, die der scholastische Stumpfsinn
aus dieser weiland so abentheuerlich weit ausge-
dehnten Zeugungsart gefolgert, so scheint es
uns doch unleugbar, daß man allerdings bey der
sonst so allgemein angenommenen Erzeugung
aus väterlichen Saamen einige Ausnahmen zu-
gestehen, und eine Art von Generatio aequivoca
oder vielmehr spontanea, ohne vorräthigen
Saamen, annehmen müsse; wovon schon die
allgemein bekannt moosartigen Auswüchse
an den wilden Rosenstöcken (Schlafäpfel,
spongiae cynosbati, Bedeguar) ein Beyspiel
geben. Dieß sind wahre Vegetationen - die
doch, aber ganz zufälliger Weise auf einem ih-
nen sonst so ganz unänlichen Gewächse, durch
den Stich eines kleinen Insects hervorgebracht
werden; die folglich nicht von ihres gleichen
erzeugt, auch nie ihres gleichen erzeugen
werden n. s. w.

§. 14.

Wenn der Bildungstrieb durch eine zufäl-
lige Ursache gestört wird, eine abweichende
Richtung nimmt, so wird dadurch ein organisir-
ter Körper zur Misgeburt verunstaltet. Nach
dem Sprachgebrauch versteht man unter Mis-
geburt: eine widernatürliche, angebohrne,
leicht in die Augen fallende Verunstaltung in
Bildung äusserer, grösserer Theile. So un-

uns beykommen lassen die Abgeschmacktheiten
zu begünstigen, die der scholastische Stumpfsinn
aus dieser weiland so abentheuerlich weit ausge-
dehnten Zeugungsart gefolgert, so scheint es
uns doch unleugbar, daß man allerdings bey der
sonst so allgemein angenommenen Erzeugung
aus väterlichen Saamen einige Ausnahmen zu-
gestehen, und eine Art von Generatio aequivoca
oder vielmehr spontanea, ohne vorräthigen
Saamen, annehmen müsse; wovon schon die
allgemein bekannt moosartigen Auswüchse
an den wilden Rosenstöcken (Schlafäpfel,
spongiae cynosbati, Bedeguar) ein Beyspiel
geben. Dieß sind wahre Vegetationen – die
doch, aber ganz zufälliger Weise auf einem ih-
nen sonst so ganz unänlichen Gewächse, durch
den Stich eines kleinen Insects hervorgebracht
werden; die folglich nicht von ihres gleichen
erzeugt, auch nie ihres gleichen erzeugen
werden n. s. w.

§. 14.

Wenn der Bildungstrieb durch eine zufäl-
lige Ursache gestört wird, eine abweichende
Richtung nimmt, so wird dadurch ein organisir-
ter Körper zur Misgeburt verunstaltet. Nach
dem Sprachgebrauch versteht man unter Mis-
geburt: eine widernatürliche, angebohrne,
leicht in die Augen fallende Verunstaltung in
Bildung äusserer, grösserer Theile. So un-

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000023">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" xml:id="pb017_0001" n="17"/>
uns beykommen lassen die Abgeschmacktheiten<lb/>
zu begünstigen, die der scholastische Stumpfsinn<lb/>
aus dieser weiland so abentheuerlich weit ausge-<lb/>
dehnten Zeugungsart gefolgert, so scheint es<lb/>
uns doch unleugbar, daß man allerdings bey der<lb/>
sonst so allgemein angenommenen Erzeugung<lb/>
aus väterlichen Saamen einige Ausnahmen zu-<lb/>
gestehen, und eine Art von <hi rendition="#aq">Generatio aequivoca</hi><lb/>
oder vielmehr <hi rendition="#aq">spontanea</hi>, ohne vorräthigen<lb/>
Saamen, annehmen müsse; wovon schon die<lb/>
allgemein bekannt moosartigen Auswüchse<lb/>
an den wilden Rosenstöcken (Schlafäpfel,<lb/><hi rendition="#aq">spongiae cynosbati, Bedeguar</hi>) ein Beyspiel<lb/>
geben. Dieß sind wahre Vegetationen &#x2013; die<lb/>
doch, aber ganz zufälliger Weise auf einem ih-<lb/>
nen sonst so ganz unänlichen Gewächse, durch<lb/>
den Stich eines kleinen Insects hervorgebracht<lb/>
werden; die folglich nicht von ihres gleichen<lb/>
erzeugt, auch nie ihres gleichen erzeugen<lb/>
werden n. s. w.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 14.</head><lb/>
          <p>Wenn der Bildungstrieb durch eine zufäl-<lb/>
lige Ursache gestört wird, eine abweichende<lb/>
Richtung nimmt, so wird dadurch ein organisir-<lb/>
ter Körper zur Misgeburt verunstaltet. Nach<lb/>
dem Sprachgebrauch versteht man unter Mis-<lb/>
geburt: eine widernatürliche, angebohrne,<lb/>
leicht in die Augen fallende Verunstaltung in<lb/>
Bildung äusserer, grösserer Theile. So un-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0029] uns beykommen lassen die Abgeschmacktheiten zu begünstigen, die der scholastische Stumpfsinn aus dieser weiland so abentheuerlich weit ausge- dehnten Zeugungsart gefolgert, so scheint es uns doch unleugbar, daß man allerdings bey der sonst so allgemein angenommenen Erzeugung aus väterlichen Saamen einige Ausnahmen zu- gestehen, und eine Art von Generatio aequivoca oder vielmehr spontanea, ohne vorräthigen Saamen, annehmen müsse; wovon schon die allgemein bekannt moosartigen Auswüchse an den wilden Rosenstöcken (Schlafäpfel, spongiae cynosbati, Bedeguar) ein Beyspiel geben. Dieß sind wahre Vegetationen – die doch, aber ganz zufälliger Weise auf einem ih- nen sonst so ganz unänlichen Gewächse, durch den Stich eines kleinen Insects hervorgebracht werden; die folglich nicht von ihres gleichen erzeugt, auch nie ihres gleichen erzeugen werden n. s. w. §. 14. Wenn der Bildungstrieb durch eine zufäl- lige Ursache gestört wird, eine abweichende Richtung nimmt, so wird dadurch ein organisir- ter Körper zur Misgeburt verunstaltet. Nach dem Sprachgebrauch versteht man unter Mis- geburt: eine widernatürliche, angebohrne, leicht in die Augen fallende Verunstaltung in Bildung äusserer, grösserer Theile. So un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/29
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/29>, abgerufen am 03.12.2024.