noch meist unbefriedigte Wunsch, aller Natur- forscher ist, und nach welchem man die natürli- chen Körper nach ihrer grösten vielseitigsten äu- sern Verwandschaft zusammen ordnen, die ähn- lichen verbinden, die unähnlichen von einander entfernen soll. Zur Erleichterung und Ver- vollkomnung der Methode in der Naturge- schichte also, und als Hülfsmittel fürs. Ge- dächtnis, sind dergleichen Vorstellungen von Ket- ten und Leitern gar sehr nutzbar. Aber um so weniger dürfen sie der guten Sache der be- stimmten Naturreiche, und der Classification der Naturalien, Eintrag thun, und überhaupt für nichts mehr als eine gut ausgedachte Alle- gorie angesehen, am wenigsten aber in den Plan Gottes bey seiner Schöpfung hinein gedichtet werden. Denn das scheint uns eine schwache, und der Allweisheit des Schöpfers unanstän- dige Behauptung, wenn man im Ernste an- nehmen wollte, daß auch. Er bey der Schö- pfung einen solchen allegorischen Plan befolgt, und die Vollkommenheit seiner großen Hand- lung darein gesetzt hätte, daß er seinen Ge- schöpfen alle ersinnliche Formen gäbe, und sie folglich vom obersten bis zum untersten ganz regelmäßig stufenweis auf einander folgen liesse. Die Vollkommenheit in der großen Haushal- tung der Natur ist, so wie bey der kleinsten Oekonomie einer Familie, in ganz andern Vorzügen zu suchen. Daß Gott in seiner
noch meist unbefriedigte Wunsch, aller Natur- forscher ist, und nach welchem man die natürli- chen Körper nach ihrer grösten vielseitigsten äu- sern Verwandschaft zusammen ordnen, die ähn- lichen verbinden, die unähnlichen von einander entfernen soll. Zur Erleichterung und Ver- vollkomnung der Methode in der Naturge- schichte also, und als Hülfsmittel fürs. Ge- dächtnis, sind dergleichen Vorstellungen von Ket- ten und Leitern gar sehr nutzbar. Aber um so weniger dürfen sie der guten Sache der be- stimmten Naturreiche, und der Classification der Naturalien, Eintrag thun, und überhaupt für nichts mehr als eine gut ausgedachte Alle- gorie angesehen, am wenigsten aber in den Plan Gottes bey seiner Schöpfung hinein gedichtet werden. Denn das scheint uns eine schwache, und der Allweisheit des Schöpfers unanstän- dige Behauptung, wenn man im Ernste an- nehmen wollte, daß auch. Er bey der Schö- pfung einen solchen allegorischen Plan befolgt, und die Vollkommenheit seiner großen Hand- lung darein gesetzt hätte, daß er seinen Ge- schöpfen alle ersinnliche Formen gäbe, und sie folglich vom obersten bis zum untersten ganz regelmäßig stufenweis auf einander folgen liesse. Die Vollkommenheit in der großen Haushal- tung der Natur ist, so wie bey der kleinsten Oekonomie einer Familie, in ganz andern Vorzügen zu suchen. Daß Gott in seiner
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[9/0021]
noch meist unbefriedigte Wunsch, aller Natur-
forscher ist, und nach welchem man die natürli-
chen Körper nach ihrer grösten vielseitigsten äu-
sern Verwandschaft zusammen ordnen, die ähn-
lichen verbinden, die unähnlichen von einander
entfernen soll. Zur Erleichterung und Ver-
vollkomnung der Methode in der Naturge-
schichte also, und als Hülfsmittel fürs. Ge-
dächtnis, sind dergleichen Vorstellungen von Ket-
ten und Leitern gar sehr nutzbar. Aber um so
weniger dürfen sie der guten Sache der be-
stimmten Naturreiche, und der Classification
der Naturalien, Eintrag thun, und überhaupt
für nichts mehr als eine gut ausgedachte Alle-
gorie angesehen, am wenigsten aber in den Plan
Gottes bey seiner Schöpfung hinein gedichtet
werden. Denn das scheint uns eine schwache,
und der Allweisheit des Schöpfers unanstän-
dige Behauptung, wenn man im Ernste an-
nehmen wollte, daß auch. Er bey der Schö-
pfung einen solchen allegorischen Plan befolgt,
und die Vollkommenheit seiner großen Hand-
lung darein gesetzt hätte, daß er seinen Ge-
schöpfen alle ersinnliche Formen gäbe, und sie
folglich vom obersten bis zum untersten ganz
regelmäßig stufenweis auf einander folgen liesse.
Die Vollkommenheit in der großen Haushal-
tung der Natur ist, so wie bey der kleinsten
Oekonomie einer Familie, in ganz andern
Vorzügen zu suchen. Daß Gott in seiner
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/21>, abgerufen am 24.11.2024.
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