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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein-
förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich:
desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin-
gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche
ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe
in der Natur sind, die singen können. Ge-
sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel
singen daher auch nie kräftiger und anhalten-
der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin
an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be-
weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver-
sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge-
nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett-
eifern unter einander, und lassen sich durch lau-
tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson-
ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil-
lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob-
gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen
dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre
zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so
wie bey andern Thieren am obern Ende, nem-
lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten,
wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei-
nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre
Bildung hat als der obere, versehen ist. Es
giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei-
nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor-
züglichsten und mehresten sind doch eben so wol
das Vorrecht der külern Zonen, als es die
prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten

ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein-
förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich:
desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin-
gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche
ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe
in der Natur sind, die singen können. Ge-
sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel
singen daher auch nie kräftiger und anhalten-
der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin
an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be-
weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver-
sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge-
nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett-
eifern unter einander, und lassen sich durch lau-
tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson-
ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil-
lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob-
gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen
dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre
zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so
wie bey andern Thieren am obern Ende, nem-
lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten,
wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei-
nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre
Bildung hat als der obere, versehen ist. Es
giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei-
nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor-
züglichsten und mehresten sind doch eben so wol
das Vorrecht der külern Zonen, als es die
prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten

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[162/0174] ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein- förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich: desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin- gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe in der Natur sind, die singen können. Ge- sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel singen daher auch nie kräftiger und anhalten- der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be- weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver- sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge- nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett- eifern unter einander, und lassen sich durch lau- tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson- ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil- lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob- gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so wie bey andern Thieren am obern Ende, nem- lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten, wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei- nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre Bildung hat als der obere, versehen ist. Es giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei- nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor- züglichsten und mehresten sind doch eben so wol das Vorrecht der külern Zonen, als es die prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/174>, abgerufen am 26.11.2024.