sondern unsere bescheidnere Meinung vortragen, auf die wir zuerst durch die Untersuchung der Versteinerungen, und durch ihre Vergleichung und gefundene Unähnlichkeit mit den gegenwär- tigen organisirten Körpern und dann durch die Beobachtung einiger ehemaligen Vulcane ge- bracht worden sind, und die uns zwar immer noch eine Hypothese, aber doch eine solche Hypothese zu seyn scheint, die sich der Natur und dem Au- genschein ziemlich leicht und schicklich anpas- sen läßt.
§. 222.
Wir glauben demnach überzeugt zu seyn, daß unsere Erdkugel wenigstens schon einen Jüngsten Tag einmal erlebt, und diesem damals über sie er- gangenen allgemeinen Gericht ihre jetzige Gestalt zu verdanken hat: diese grosse Catastrophe ist blos durch unterirdisches Feuer bewürft worden, das den Boden des Meeres hoch in die Höhe getrieben, mithin das trockne Land mit einem mal überschwemmen müssen. Dadurch folglich die ganze beseelte Erde ertrunken, und hingegen die nun ausser ihr Element versetzten Wasserthiere im Vertrocknen umgekommen sind. Daher al- so die Menge und die regelmässige Lage der meisten versteinerten, und noch nie in Natur, entdeckten und schwerlich je zu entdeckenden, Conchylien u. s. w. auf hohen Bergen, die nur wie Blasen im Brod durch innere Glut empor gehoben wor-
sondern unsere bescheidnere Meinung vortragen, auf die wir zuerst durch die Untersuchung der Versteinerungen, und durch ihre Vergleichung und gefundene Unähnlichkeit mit den gegenwär- tigen organisirten Körpern und dann durch die Beobachtung einiger ehemaligen Vulcane ge- bracht worden sind, und die uns zwar immer noch eine Hypothese, aber doch eine solche Hypothese zu seyn scheint, die sich der Natur und dem Au- genschein ziemlich leicht und schicklich anpas- sen läßt.
§. 222.
Wir glauben demnach überzeugt zu seyn, daß unsere Erdkugel wenigstens schon einen Jüngsten Tag einmal erlebt, und diesem damals über sie er- gangenen allgemeinen Gericht ihre jetzige Gestalt zu verdanken hat: diese grosse Catastrophe ist blos durch unterirdisches Feuer bewürft worden, das den Boden des Meeres hoch in die Höhe getrieben, mithin das trockne Land mit einem mal überschwemmen müssen. Dadurch folglich die ganze beseelte Erde ertrunken, und hingegen die nun ausser ihr Element versetzten Wasserthiere im Vertrocknen umgekommen sind. Daher al- so die Menge und die regelmässige Lage der meisten versteinerten, und noch nie in Natur, entdeckten und schwerlich je zu entdeckenden, Conchylien u. s. w. auf hohen Bergen, die nur wie Blasen im Brod durch innere Glut empor gehoben wor-
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000022"><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0030"xml:id="pb474_0001"n="474"/>
sondern unsere bescheidnere Meinung vortragen,<lb/>
auf die wir zuerst durch die Untersuchung der<lb/>
Versteinerungen, und durch ihre Vergleichung<lb/>
und gefundene Unähnlichkeit mit den gegenwär-<lb/>
tigen organisirten Körpern und dann durch die<lb/>
Beobachtung einiger ehemaligen Vulcane ge-<lb/>
bracht worden sind, und die uns zwar immer noch<lb/>
eine Hypothese, aber doch eine solche Hypothese<lb/>
zu seyn scheint, die sich der Natur und dem Au-<lb/>
genschein ziemlich leicht und schicklich anpas-<lb/>
sen läßt.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 222.</head><lb/><p>Wir glauben demnach überzeugt zu seyn, daß<lb/>
unsere Erdkugel wenigstens schon einen Jüngsten<lb/>
Tag einmal erlebt, und diesem damals über sie er-<lb/>
gangenen allgemeinen Gericht ihre jetzige Gestalt<lb/>
zu verdanken hat: diese grosse Catastrophe ist<lb/>
blos durch unterirdisches Feuer bewürft worden,<lb/>
das den Boden des Meeres hoch in die Höhe<lb/>
getrieben, mithin das trockne Land mit einem<lb/>
mal überschwemmen müssen. Dadurch folglich<lb/>
die ganze beseelte Erde ertrunken, und hingegen die<lb/>
nun ausser ihr Element versetzten Wasserthiere<lb/>
im Vertrocknen umgekommen sind. Daher al-<lb/>
so die Menge und die regelmässige Lage der meisten<lb/>
versteinerten, und noch nie in Natur, entdeckten<lb/>
und schwerlich je zu entdeckenden, Conchylien<lb/>
u. s. w. auf hohen Bergen, die nur wie Blasen<lb/>
im Brod durch innere Glut empor gehoben wor-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[474/0030]
sondern unsere bescheidnere Meinung vortragen,
auf die wir zuerst durch die Untersuchung der
Versteinerungen, und durch ihre Vergleichung
und gefundene Unähnlichkeit mit den gegenwär-
tigen organisirten Körpern und dann durch die
Beobachtung einiger ehemaligen Vulcane ge-
bracht worden sind, und die uns zwar immer noch
eine Hypothese, aber doch eine solche Hypothese
zu seyn scheint, die sich der Natur und dem Au-
genschein ziemlich leicht und schicklich anpas-
sen läßt.
§. 222.
Wir glauben demnach überzeugt zu seyn, daß
unsere Erdkugel wenigstens schon einen Jüngsten
Tag einmal erlebt, und diesem damals über sie er-
gangenen allgemeinen Gericht ihre jetzige Gestalt
zu verdanken hat: diese grosse Catastrophe ist
blos durch unterirdisches Feuer bewürft worden,
das den Boden des Meeres hoch in die Höhe
getrieben, mithin das trockne Land mit einem
mal überschwemmen müssen. Dadurch folglich
die ganze beseelte Erde ertrunken, und hingegen die
nun ausser ihr Element versetzten Wasserthiere
im Vertrocknen umgekommen sind. Daher al-
so die Menge und die regelmässige Lage der meisten
versteinerten, und noch nie in Natur, entdeckten
und schwerlich je zu entdeckenden, Conchylien
u. s. w. auf hohen Bergen, die nur wie Blasen
im Brod durch innere Glut empor gehoben wor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 2. Göttingen, 1780, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1780/30>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.