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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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mäßig stufenweis auf einander folgen liesse. Man
würde lächeln, wenn jemand den Vorzug bey der
Einrichtung eines Hauses darinn suchte, daß die
Meublen darinne alle von verschiedner Gestalt
oder Größe wären, und sich auch, so wie die an-
gebliche Kette der natürlichen Körper, unter eine
gleiche Stufenfolge bringen liessen. Die Voll-
kommenheit in der große Haushaltung der Mut-
ter-Natur ist, so wie bey der kleinsten Oekonomie
einer Familie, in ganz andern Vorzügen zu su-
chen. Daß Gott in seiner Schöpfung keine
Lücke gelassen hat, daß dieses unermeßliche Uhr-
werk nirgend stockt, sondern im ununterbroch-
nen Gange, im beständigen Gleichgewicht er-
halten wird, davon liegt der Grund wohl schwer-
lich darinne, weil der Orangoutang den Ueber-
gang vom Menschen zum Affen machen, oder
weil die Vögel durch die Fledermäuse mit den
vierfüßigen Thieren, und durch die fliegenden
Fische mit den Fischen verbunden seyn sollen:
sondern weil jedes erschaffne Wesen seine Be-
stimmung, und den zu dieser Bestimmung er-
foderlichen Körperbau hat; weil kein zweckloses
Geschöpf exsistirt, was nicht auch seinen Bey-
trag zur Vollkommenheit des Ganzen gäbe. Das
machts, daß die Schöpfung ihren Gang geht,
und daß noch kein Weiser, irgend einer Zeit oder
eines Volks, in ihr eine Lücke hat antreffen kön-
nen. Kette der Natur, die suchen wir nicht
in der gradativen Bildung ihrer Körper, nicht

mäßig stufenweis auf einander folgen liesse. Man
würde lächeln, wenn jemand den Vorzug bey der
Einrichtung eines Hauses darinn suchte, daß die
Meublen darinne alle von verschiedner Gestalt
oder Größe wären, und sich auch, so wie die an-
gebliche Kette der natürlichen Körper, unter eine
gleiche Stufenfolge bringen liessen. Die Voll-
kommenheit in der große Haushaltung der Mut-
ter-Natur ist, so wie bey der kleinsten Oekonomie
einer Familie, in ganz andern Vorzügen zu su-
chen. Daß Gott in seiner Schöpfung keine
Lücke gelassen hat, daß dieses unermeßliche Uhr-
werk nirgend stockt, sondern im ununterbroch-
nen Gange, im beständigen Gleichgewicht er-
halten wird, davon liegt der Grund wohl schwer-
lich darinne, weil der Orangoutang den Ueber-
gang vom Menschen zum Affen machen, oder
weil die Vögel durch die Fledermäuse mit den
vierfüßigen Thieren, und durch die fliegenden
Fische mit den Fischen verbunden seyn sollen:
sondern weil jedes erschaffne Wesen seine Be-
stimmung, und den zu dieser Bestimmung er-
foderlichen Körperbau hat; weil kein zweckloses
Geschöpf exsistirt, was nicht auch seinen Bey-
trag zur Vollkommenheit des Ganzen gäbe. Das
machts, daß die Schöpfung ihren Gang geht,
und daß noch kein Weiser, irgend einer Zeit oder
eines Volks, in ihr eine Lücke hat antreffen kön-
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[13/0035] mäßig stufenweis auf einander folgen liesse. Man würde lächeln, wenn jemand den Vorzug bey der Einrichtung eines Hauses darinn suchte, daß die Meublen darinne alle von verschiedner Gestalt oder Größe wären, und sich auch, so wie die an- gebliche Kette der natürlichen Körper, unter eine gleiche Stufenfolge bringen liessen. Die Voll- kommenheit in der große Haushaltung der Mut- ter-Natur ist, so wie bey der kleinsten Oekonomie einer Familie, in ganz andern Vorzügen zu su- chen. Daß Gott in seiner Schöpfung keine Lücke gelassen hat, daß dieses unermeßliche Uhr- werk nirgend stockt, sondern im ununterbroch- nen Gange, im beständigen Gleichgewicht er- halten wird, davon liegt der Grund wohl schwer- lich darinne, weil der Orangoutang den Ueber- gang vom Menschen zum Affen machen, oder weil die Vögel durch die Fledermäuse mit den vierfüßigen Thieren, und durch die fliegenden Fische mit den Fischen verbunden seyn sollen: sondern weil jedes erschaffne Wesen seine Be- stimmung, und den zu dieser Bestimmung er- foderlichen Körperbau hat; weil kein zweckloses Geschöpf exsistirt, was nicht auch seinen Bey- trag zur Vollkommenheit des Ganzen gäbe. Das machts, daß die Schöpfung ihren Gang geht, und daß noch kein Weiser, irgend einer Zeit oder eines Volks, in ihr eine Lücke hat antreffen kön- nen. Kette der Natur, die suchen wir nicht in der gradativen Bildung ihrer Körper, nicht

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/35>, abgerufen am 25.11.2024.