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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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ihre ehelichen Geschäfte beobachten zu können.
Doch will man neuerlich gesehen haben, daß sie
sich, gegen die Muthmaßung der Alten, wie die
mehreren übrigen Säugthiere bespringen. Ohn-
gefähr im dritten, vierten Jahre kommen die
zwey grossen Eckzähne bey beiden Geschlechtern
zum Ausbruch, die das Elfenbein geben, aber
in ihrer Lage und Struktur von den Zähnen an-
derer Thiere abweichen, und eher einige Aen-
lichkeit mit Hörnern haben. Sie werden, wenn
sie ausgewachsen sind, abgesägt, und wiegen bey
grossen Elephanten zusammen wol drey Centner
und drüber. Das Alter dieser Thiere ist nicht ge-
nau zu bestimmen; warscheinlich erstreckt sichs
über zweyhundert Jahre. Man fängt die Ele-
phanten durch zahme abgerichtete Weibchen, de-
neu die wilden folgen, und so von ihnen in be-
sonders dazu eingerichtete Ställe gelockt werden.
Nach einer achttägigen Melancholie fangen sie an,
ihres Schicksals zu gewohnen, die Herrschaft des
Menschen zu erkennen, und sich allmälig zur Alb-
richtung zu bequemen. Die ganz unbegreifliche
Gelehrigkeit*) eines Thieres von einer so unge-
heuren plumpen Körpermasse, was noch dazu
nicht in langen Generationen als Hausthier ge-
zogen wird, sondern immer erst aus der Wildnis
gefangen werden muß, rechtfertigt den Vorzug
den wir ihm beym Anfang seiner Geschichte zu-
gestanden haben. Man hat dieses Talent des
Elephanten zum Nutzen und zur Unterhaltung
mannichfaltig zu benutzen gewust. Die müßigen
Römer lehrten das schwerleibige Thier auf dem

*) Plin. VIII. 1. Elephas animal proximum est humanis sen-
sibus
. Die Malaier brauchen orang, das Stamm-
wort zu orang-utang, gemeinschaftlich vom Menschen
und Elephanten.

ihre ehelichen Geschäfte beobachten zu können.
Doch will man neuerlich gesehen haben, daß sie
sich, gegen die Muthmaßung der Alten, wie die
mehreren übrigen Säugthiere bespringen. Ohn-
gefähr im dritten, vierten Jahre kommen die
zwey grossen Eckzähne bey beiden Geschlechtern
zum Ausbruch, die das Elfenbein geben, aber
in ihrer Lage und Struktur von den Zähnen an-
derer Thiere abweichen, und eher einige Aen-
lichkeit mit Hörnern haben. Sie werden, wenn
sie ausgewachsen sind, abgesägt, und wiegen bey
grossen Elephanten zusammen wol drey Centner
und drüber. Das Alter dieser Thiere ist nicht ge-
nau zu bestimmen; warscheinlich erstreckt sichs
über zweyhundert Jahre. Man fängt die Ele-
phanten durch zahme abgerichtete Weibchen, de-
neu die wilden folgen, und so von ihnen in be-
sonders dazu eingerichtete Ställe gelockt werden.
Nach einer achttägigen Melancholie fangen sie an,
ihres Schicksals zu gewohnen, die Herrschaft des
Menschen zu erkennen, und sich allmälig zur Alb-
richtung zu bequemen. Die ganz unbegreifliche
Gelehrigkeit*) eines Thieres von einer so unge-
heuren plumpen Körpermasse, was noch dazu
nicht in langen Generationen als Hausthier ge-
zogen wird, sondern immer erst aus der Wildnis
gefangen werden muß, rechtfertigt den Vorzug
den wir ihm beym Anfang seiner Geschichte zu-
gestanden haben. Man hat dieses Talent des
Elephanten zum Nutzen und zur Unterhaltung
mannichfaltig zu benutzen gewust. Die müßigen
Römer lehrten das schwerleibige Thier auf dem

*) Plin. VIII. 1. Elephas animal proximum est humanis sen-
sibus
. Die Malaier brauchen orang, das Stamm-
wort zu orang-utang, gemeinschaftlich vom Menschen
und Elephanten.
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[132/0154] ihre ehelichen Geschäfte beobachten zu können. Doch will man neuerlich gesehen haben, daß sie sich, gegen die Muthmaßung der Alten, wie die mehreren übrigen Säugthiere bespringen. Ohn- gefähr im dritten, vierten Jahre kommen die zwey grossen Eckzähne bey beiden Geschlechtern zum Ausbruch, die das Elfenbein geben, aber in ihrer Lage und Struktur von den Zähnen an- derer Thiere abweichen, und eher einige Aen- lichkeit mit Hörnern haben. Sie werden, wenn sie ausgewachsen sind, abgesägt, und wiegen bey grossen Elephanten zusammen wol drey Centner und drüber. Das Alter dieser Thiere ist nicht ge- nau zu bestimmen; warscheinlich erstreckt sichs über zweyhundert Jahre. Man fängt die Ele- phanten durch zahme abgerichtete Weibchen, de- neu die wilden folgen, und so von ihnen in be- sonders dazu eingerichtete Ställe gelockt werden. Nach einer achttägigen Melancholie fangen sie an, ihres Schicksals zu gewohnen, die Herrschaft des Menschen zu erkennen, und sich allmälig zur Alb- richtung zu bequemen. Die ganz unbegreifliche Gelehrigkeit *) eines Thieres von einer so unge- heuren plumpen Körpermasse, was noch dazu nicht in langen Generationen als Hausthier ge- zogen wird, sondern immer erst aus der Wildnis gefangen werden muß, rechtfertigt den Vorzug den wir ihm beym Anfang seiner Geschichte zu- gestanden haben. Man hat dieses Talent des Elephanten zum Nutzen und zur Unterhaltung mannichfaltig zu benutzen gewust. Die müßigen Römer lehrten das schwerleibige Thier auf dem *) Plin. VIII. 1. Elephas animal proximum est humanis sen- sibus. Die Malaier brauchen orang, das Stamm- wort zu orang-utang, gemeinschaftlich vom Menschen und Elephanten.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/154>, abgerufen am 22.11.2024.