den Augenstern zieht. Die eine Seite derselben ist in dem innern Augenwinkel desselben, an die harte Haut des Augapfels befestiget; der gegenüberstehen- de Zipfel hängt mit einem langen dünnen Muskel zu- sammen, der an dem Augapfel hinterwärts um den Sehnerven in einen Winkel herumläuft, und mit dem breitern Ende sich in die harte Haut neben dem innern Augenwinkel einfügt. Dieser Muskel geht durch ein Loch in dem Ende eines kürzern Muskels, der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter- seite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven sich hin erstreckt, gleichsam als über eine Rolle. Wenn nun beyde Muskeln sich verkürzen, so wird die Nickhaut über den Augenstern, nach dem äußern Augenwinkel, hingezogen; lassen sie nach, so zieht sich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige- nen Fibern, wieder zurück. Jene Verbindung zweyer Muskeln war nöthig, weil ein Muskel sich nur nach Verhältniß seiner Länge verkürzen kann, ein gerade ausgespannter einzelner Muskel hier aber nicht lang genug gewesen wäre. Die Nickhaut dient die Augen der Vögel für Staub zu bewahren, und gegen das blendende Sonnenlicht zu schützen, ohne ihm alles Licht zu nehmen, da sie doch dünn genug ist, daß die Vögel dadurch etwas unterscheiden kön- nen. Zugleich dient sie die vordere durchsichtige Haut im Auge feucht und geschmeidig zu erhalten, da aus der Thränendrüse ein Ausführungsgang bis in die Mitte der Nickhaut geht, so daß sie bey der Bewegung derselben das Auge reinigt und erfrischt. Die meisten vierfüßigen Thiere haben auch eine Nick- haut. Das menschliche Auge würde durch eine solche
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den Augenſtern zieht. Die eine Seite derſelben iſt in dem innern Augenwinkel deſſelben, an die harte Haut des Augapfels befeſtiget; der gegenuͤberſtehen- de Zipfel haͤngt mit einem langen duͤnnen Muſkel zu- ſammen, der an dem Augapfel hinterwaͤrts um den Sehnerven in einen Winkel herumlaͤuft, und mit dem breitern Ende ſich in die harte Haut neben dem innern Augenwinkel einfuͤgt. Dieſer Muſkel geht durch ein Loch in dem Ende eines kuͤrzern Muſkels, der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter- ſeite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven ſich hin erſtreckt, gleichſam als uͤber eine Rolle. Wenn nun beyde Muſkeln ſich verkuͤrzen, ſo wird die Nickhaut uͤber den Augenſtern, nach dem aͤußern Augenwinkel, hingezogen; laſſen ſie nach, ſo zieht ſich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige- nen Fibern, wieder zuruͤck. Jene Verbindung zweyer Muſkeln war noͤthig, weil ein Muſkel ſich nur nach Verhaͤltniß ſeiner Laͤnge verkuͤrzen kann, ein gerade ausgeſpannter einzelner Muſkel hier aber nicht lang genug geweſen waͤre. Die Nickhaut dient die Augen der Voͤgel fuͤr Staub zu bewahren, und gegen das blendende Sonnenlicht zu ſchuͤtzen, ohne ihm alles Licht zu nehmen, da ſie doch duͤnn genug iſt, daß die Voͤgel dadurch etwas unterſcheiden koͤn- nen. Zugleich dient ſie die vordere durchſichtige Haut im Auge feucht und geſchmeidig zu erhalten, da aus der Thraͤnendruͤſe ein Ausfuͤhrungsgang bis in die Mitte der Nickhaut geht, ſo daß ſie bey der Bewegung derſelben das Auge reinigt und erfriſcht. Die meiſten vierfuͤßigen Thiere haben auch eine Nick- haut. Das menſchliche Auge wuͤrde durch eine ſolche
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den Augenſtern zieht. Die eine Seite derſelben iſt
in dem innern Augenwinkel deſſelben, an die harte
Haut des Augapfels befeſtiget; der gegenuͤberſtehen-
de Zipfel haͤngt mit einem langen duͤnnen Muſkel zu-
ſammen, der an dem Augapfel hinterwaͤrts um den
Sehnerven in einen Winkel herumlaͤuft, und mit
dem breitern Ende ſich in die harte Haut neben dem
innern Augenwinkel einfuͤgt. Dieſer Muſkel geht
durch ein Loch in dem Ende eines kuͤrzern Muſkels,
der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter-
ſeite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven
ſich hin erſtreckt, gleichſam als uͤber eine Rolle.
Wenn nun beyde Muſkeln ſich verkuͤrzen, ſo wird
die Nickhaut uͤber den Augenſtern, nach dem aͤußern
Augenwinkel, hingezogen; laſſen ſie nach, ſo zieht
ſich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige-
nen Fibern, wieder zuruͤck. Jene Verbindung
zweyer Muſkeln war noͤthig, weil ein Muſkel ſich
nur nach Verhaͤltniß ſeiner Laͤnge verkuͤrzen kann,
ein gerade ausgeſpannter einzelner Muſkel hier aber
nicht lang genug geweſen waͤre. Die Nickhaut dient
die Augen der Voͤgel fuͤr Staub zu bewahren, und
gegen das blendende Sonnenlicht zu ſchuͤtzen, ohne
ihm alles Licht zu nehmen, da ſie doch duͤnn genug
iſt, daß die Voͤgel dadurch etwas unterſcheiden koͤn-
nen. Zugleich dient ſie die vordere durchſichtige
Haut im Auge feucht und geſchmeidig zu erhalten,
da aus der Thraͤnendruͤſe ein Ausfuͤhrungsgang bis
in die Mitte der Nickhaut geht, ſo daß ſie bey der
Bewegung derſelben das Auge reinigt und erfriſcht.
Die meiſten vierfuͤßigen Thiere haben auch eine Nick-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/279>, abgerufen am 22.11.2024.
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