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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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Von der andern Seite aber ist es auch nicht
schwer zu errathen, wie die Fabel von den giganti-
schen Patagonen habe entstehen können.

Denn erstlich waren uns aus der ältern Fabel-
geschichte schon Giganten aus der alten Welt bekannt;
sollten also wohl abentheuersüchtige Reisebeschreiber
in der neuen Welt nicht an sie gedacht haben, da
sie in der That lange und starke Menschen, auch
außerordentlich große Begräbnisse 238) und bey diesen
öfters Knochen von ungemeiner Größe fanden 239)?


Bey
238) Vergl. Ed. Brown's Travels, S. 50. -- "Herr
Wood, der sehr genaue Karten von der
Magellansstraße gemacht hat ... erzähl-
te mir, daß er in den südlichen Theilen
von Amerika verschiedne fast zwölf Fuß
lange Gräber gesehen, welches ihn um so
mehr gewundert habe, weil er nie einen
sechs Fuß hohen Amerikaner gesehen hät-
te; er öfnete deshalb eins dieser langen
Begräbnisse von einem Ende zum an-
dern, und fand darin einen Mann und
ein Weib so gelegt, daß der Kopf des Wei-
bes zu des Mannes Füßen lag, wozu denn
freylich ein Grab von jener Länge erfor-
dert wurde
." M m m)
239) Nemlich Knochen von Pferden, deren Skelette sie
bey den Gräbern der Verwandten aufstellen. S. Falk-
ner Beschreibung von Patagonien, S. 149.
Im Allgemeinen konnte jene sehr alte, und bey sehr
vielen Völkern übliche Sitte, die Pferde tapferer
Krieger zugleich mit den Leichnamen dieser zu begra-
ben, späterhin den Irrthum veranlassen, diese Pfer-
deknochen für Riesenknochen zu halten.
So werden z. B. in den ältesten sibirischen Begräb-
nissen Pferdeknochen gefunden: siehe J. G. Gmelin
Reisen, Th. 3. S. 313.
Auch

Von der andern Seite aber iſt es auch nicht
ſchwer zu errathen, wie die Fabel von den giganti-
ſchen Patagonen habe entſtehen koͤnnen.

Denn erſtlich waren uns aus der aͤltern Fabel-
geſchichte ſchon Giganten aus der alten Welt bekannt;
ſollten alſo wohl abentheuerſuͤchtige Reiſebeſchreiber
in der neuen Welt nicht an ſie gedacht haben, da
ſie in der That lange und ſtarke Menſchen, auch
außerordentlich große Begraͤbniſſe 238) und bey dieſen
oͤfters Knochen von ungemeiner Groͤße fanden 239)?


Bey
238) Vergl. Ed. Brown’s Travels, S. 50. — „Herr
Wood, der ſehr genaue Karten von der
Magellansſtraße gemacht hat … erzaͤhl-
te mir, daß er in den ſuͤdlichen Theilen
von Amerika verſchiedne faſt zwoͤlf Fuß
lange Graͤber geſehen, welches ihn um ſo
mehr gewundert habe, weil er nie einen
ſechs Fuß hohen Amerikaner geſehen haͤt-
te; er oͤfnete deshalb eins dieſer langen
Begraͤbniſſe von einem Ende zum an-
dern, und fand darin einen Mann und
ein Weib ſo gelegt, daß der Kopf des Wei-
bes zu des Mannes Fuͤßen lag, wozu denn
freylich ein Grab von jener Laͤnge erfor-
dert wurde
.“ M m m)
239) Nemlich Knochen von Pferden, deren Skelette ſie
bey den Graͤbern der Verwandten aufſtellen. S. Falk-
ner Beſchreibung von Patagonien, S. 149.
Im Allgemeinen konnte jene ſehr alte, und bey ſehr
vielen Voͤlkern uͤbliche Sitte, die Pferde tapferer
Krieger zugleich mit den Leichnamen dieſer zu begra-
ben, ſpaͤterhin den Irrthum veranlaſſen, dieſe Pfer-
deknochen fuͤr Rieſenknochen zu halten.
So werden z. B. in den aͤlteſten ſibiriſchen Begraͤb-
niſſen Pferdeknochen gefunden: ſiehe J. G. Gmelin
Reiſen, Th. 3. S. 313.
Auch
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[185/0219] Von der andern Seite aber iſt es auch nicht ſchwer zu errathen, wie die Fabel von den giganti- ſchen Patagonen habe entſtehen koͤnnen. Denn erſtlich waren uns aus der aͤltern Fabel- geſchichte ſchon Giganten aus der alten Welt bekannt; ſollten alſo wohl abentheuerſuͤchtige Reiſebeſchreiber in der neuen Welt nicht an ſie gedacht haben, da ſie in der That lange und ſtarke Menſchen, auch außerordentlich große Begraͤbniſſe 238) und bey dieſen oͤfters Knochen von ungemeiner Groͤße fanden 239)? Bey 238) Vergl. Ed. Brown’s Travels, S. 50. — „Herr Wood, der ſehr genaue Karten von der Magellansſtraße gemacht hat … erzaͤhl- te mir, daß er in den ſuͤdlichen Theilen von Amerika verſchiedne faſt zwoͤlf Fuß lange Graͤber geſehen, welches ihn um ſo mehr gewundert habe, weil er nie einen ſechs Fuß hohen Amerikaner geſehen haͤt- te; er oͤfnete deshalb eins dieſer langen Begraͤbniſſe von einem Ende zum an- dern, und fand darin einen Mann und ein Weib ſo gelegt, daß der Kopf des Wei- bes zu des Mannes Fuͤßen lag, wozu denn freylich ein Grab von jener Laͤnge erfor- dert wurde.“ M m m) 239) Nemlich Knochen von Pferden, deren Skelette ſie bey den Graͤbern der Verwandten aufſtellen. S. Falk- ner Beſchreibung von Patagonien, S. 149. Im Allgemeinen konnte jene ſehr alte, und bey ſehr vielen Voͤlkern uͤbliche Sitte, die Pferde tapferer Krieger zugleich mit den Leichnamen dieſer zu begra- ben, ſpaͤterhin den Irrthum veranlaſſen, dieſe Pfer- deknochen fuͤr Rieſenknochen zu halten. So werden z. B. in den aͤlteſten ſibiriſchen Begraͤb- niſſen Pferdeknochen gefunden: ſiehe J. G. Gmelin Reiſen, Th. 3. S. 313. Auch

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/219>, abgerufen am 24.11.2024.