Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

kaum einer weitern Erwähnung, geschweige einer
wiederholten genauen Untersuchung, bedürfen.

So hat man z. B. bewiesen, daß in den äthio-
pischen Pygmäen der Alten nichts als eine symboli-
sche Bedeutung der Grade auf dem Nilmesser zu
suchen sey.

So hat man ferner nach einem sorgfältigern
Studium der Knochenlehre gefunden, daß die sehr
großen hin und wieder in unsern Erdgegenden aus-
gegrabenen Knochen, welche das Vorurtheil sonst
Giganten beygemessen hatte, von großen Land-
und Seethieren (belluae) herrühren 233) u. s. w.


Viel-
233) Es ist in der That unbegreiflich, wie ganz neuer-
lich Büffon in dem funsten Supplementbande seines
klassischen Werks, mehrere solcher zu verschiedenen
Zeiten und Orten ausgegrabener fossiler Thierknochen
wiederum Giganten habe beylegen können, z. B. die-
jenigen, welche im Jahr 1577. bey Luzern ausgegra-
ben worden sind, und noch jetzt auf dem Rathhause
dieser Stadt aufbewahrt werden, wo ich sie selbst
untersucht, und beym ersten Anblick für Elephanten-
knochen erkannt habe. Der verdiente Arzt und vor-
krefliche Anatom. Felix Plater hingegen, hat diese
geognostischen Denkmäler damals, als sie ausgegra-
ben wurden, sehr sorgfältig ausgemessen und unter-
sucht und ganz zuversichtlich erklärt, sie haben einem
menschlichen Giganten von 17 Fuß Länge zugehört.
Er hat auch ein seltsames kolossalisches Gemählde ei-
nes menschlichen Skeletts von dieser Größe mit vieler
Sorgfalt verfertigen lassen, welches noch in dem Je-
suitercollegium zu Luzern zu sehen ist: zum merkwür-
digen Beweise, wie mächtig die Herrschaft des Vor-
urtheils auch in einem so großen Manne sey, wenn
es einmal so tief eingewurzelt, daß es selbst gegen
den Augenschein noch streitet.

kaum einer weitern Erwaͤhnung, geſchweige einer
wiederholten genauen Unterſuchung, beduͤrfen.

So hat man z. B. bewieſen, daß in den aͤthio-
piſchen Pygmaͤen der Alten nichts als eine ſymboli-
ſche Bedeutung der Grade auf dem Nilmeſſer zu
ſuchen ſey.

So hat man ferner nach einem ſorgfaͤltigern
Studium der Knochenlehre gefunden, daß die ſehr
großen hin und wieder in unſern Erdgegenden aus-
gegrabenen Knochen, welche das Vorurtheil ſonſt
Giganten beygemeſſen hatte, von großen Land-
und Seethieren (belluae) herruͤhren 233) u. ſ. w.


Viel-
233) Es iſt in der That unbegreiflich, wie ganz neuer-
lich Buͤffon in dem funſten Supplementbande ſeines
klaſſiſchen Werks, mehrere ſolcher zu verſchiedenen
Zeiten und Orten ausgegrabener foſſiler Thierknochen
wiederum Giganten habe beylegen koͤnnen, z. B. die-
jenigen, welche im Jahr 1577. bey Luzern ausgegra-
ben worden ſind, und noch jetzt auf dem Rathhauſe
dieſer Stadt aufbewahrt werden, wo ich ſie ſelbſt
unterſucht, und beym erſten Anblick fuͤr Elephanten-
knochen erkannt habe. Der verdiente Arzt und vor-
krefliche Anatom. Felix Plater hingegen, hat dieſe
geognoſtiſchen Denkmaͤler damals, als ſie ausgegra-
ben wurden, ſehr ſorgfaͤltig ausgemeſſen und unter-
ſucht und ganz zuverſichtlich erklaͤrt, ſie haben einem
menſchlichen Giganten von 17 Fuß Laͤnge zugehoͤrt.
Er hat auch ein ſeltſames koloſſaliſches Gemaͤhlde ei-
nes menſchlichen Skeletts von dieſer Groͤße mit vieler
Sorgfalt verfertigen laſſen, welches noch in dem Je-
ſuitercollegium zu Luzern zu ſehen iſt: zum merkwuͤr-
digen Beweiſe, wie maͤchtig die Herrſchaft des Vor-
urtheils auch in einem ſo großen Manne ſey, wenn
es einmal ſo tief eingewurzelt, daß es ſelbſt gegen
den Augenſchein noch ſtreitet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="180"/>
kaum einer weitern Erwa&#x0364;hnung, ge&#x017F;chweige einer<lb/>
wiederholten genauen Unter&#x017F;uchung, bedu&#x0364;rfen.</p><lb/>
          <p>So hat man z. B. bewie&#x017F;en, daß in den a&#x0364;thio-<lb/>
pi&#x017F;chen Pygma&#x0364;en der Alten nichts als eine &#x017F;ymboli-<lb/>
&#x017F;che Bedeutung der Grade auf dem Nilme&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
&#x017F;uchen &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>So hat man ferner nach einem &#x017F;orgfa&#x0364;ltigern<lb/>
Studium der Knochenlehre gefunden, daß die &#x017F;ehr<lb/>
großen hin und wieder in un&#x017F;ern Erdgegenden aus-<lb/>
gegrabenen Knochen, welche das Vorurtheil &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
Giganten beygeme&#x017F;&#x017F;en hatte, von großen Land-<lb/>
und Seethieren (<hi rendition="#aq">belluae</hi>) herru&#x0364;hren <note place="foot" n="233)">Es i&#x017F;t in der That unbegreiflich, wie ganz neuer-<lb/>
lich Bu&#x0364;ffon in dem fun&#x017F;ten Supplementbande &#x017F;eines<lb/>
kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Werks, mehrere &#x017F;olcher zu ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Zeiten und Orten ausgegrabener fo&#x017F;&#x017F;iler Thierknochen<lb/>
wiederum Giganten habe beylegen ko&#x0364;nnen, z. B. die-<lb/>
jenigen, welche im Jahr 1577. bey Luzern ausgegra-<lb/>
ben worden &#x017F;ind, und noch jetzt auf dem Rathhau&#x017F;e<lb/>
die&#x017F;er Stadt aufbewahrt werden, wo ich &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
unter&#x017F;ucht, und beym er&#x017F;ten Anblick fu&#x0364;r Elephanten-<lb/>
knochen erkannt habe. Der verdiente Arzt und vor-<lb/>
krefliche Anatom. Felix Plater hingegen, hat die&#x017F;e<lb/>
geogno&#x017F;ti&#x017F;chen Denkma&#x0364;ler damals, als &#x017F;ie ausgegra-<lb/>
ben wurden, &#x017F;ehr &#x017F;orgfa&#x0364;ltig ausgeme&#x017F;&#x017F;en und unter-<lb/>
&#x017F;ucht und ganz zuver&#x017F;ichtlich erkla&#x0364;rt, &#x017F;ie haben einem<lb/>
men&#x017F;chlichen Giganten von 17 Fuß La&#x0364;nge zugeho&#x0364;rt.<lb/>
Er hat auch ein &#x017F;elt&#x017F;ames kolo&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;ches Gema&#x0364;hlde ei-<lb/>
nes men&#x017F;chlichen Skeletts von die&#x017F;er Gro&#x0364;ße mit vieler<lb/>
Sorgfalt verfertigen la&#x017F;&#x017F;en, welches noch in dem Je-<lb/>
&#x017F;uitercollegium zu Luzern zu &#x017F;ehen i&#x017F;t: zum merkwu&#x0364;r-<lb/>
digen Bewei&#x017F;e, wie ma&#x0364;chtig die Herr&#x017F;chaft des Vor-<lb/>
urtheils auch in einem &#x017F;o großen Manne &#x017F;ey, wenn<lb/>
es einmal &#x017F;o tief eingewurzelt, daß es &#x017F;elb&#x017F;t gegen<lb/>
den Augen&#x017F;chein noch &#x017F;treitet.</note> u. &#x017F;. w.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Viel-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0214] kaum einer weitern Erwaͤhnung, geſchweige einer wiederholten genauen Unterſuchung, beduͤrfen. So hat man z. B. bewieſen, daß in den aͤthio- piſchen Pygmaͤen der Alten nichts als eine ſymboli- ſche Bedeutung der Grade auf dem Nilmeſſer zu ſuchen ſey. So hat man ferner nach einem ſorgfaͤltigern Studium der Knochenlehre gefunden, daß die ſehr großen hin und wieder in unſern Erdgegenden aus- gegrabenen Knochen, welche das Vorurtheil ſonſt Giganten beygemeſſen hatte, von großen Land- und Seethieren (belluae) herruͤhren 233) u. ſ. w. Viel- 233) Es iſt in der That unbegreiflich, wie ganz neuer- lich Buͤffon in dem funſten Supplementbande ſeines klaſſiſchen Werks, mehrere ſolcher zu verſchiedenen Zeiten und Orten ausgegrabener foſſiler Thierknochen wiederum Giganten habe beylegen koͤnnen, z. B. die- jenigen, welche im Jahr 1577. bey Luzern ausgegra- ben worden ſind, und noch jetzt auf dem Rathhauſe dieſer Stadt aufbewahrt werden, wo ich ſie ſelbſt unterſucht, und beym erſten Anblick fuͤr Elephanten- knochen erkannt habe. Der verdiente Arzt und vor- krefliche Anatom. Felix Plater hingegen, hat dieſe geognoſtiſchen Denkmaͤler damals, als ſie ausgegra- ben wurden, ſehr ſorgfaͤltig ausgemeſſen und unter- ſucht und ganz zuverſichtlich erklaͤrt, ſie haben einem menſchlichen Giganten von 17 Fuß Laͤnge zugehoͤrt. Er hat auch ein ſeltſames koloſſaliſches Gemaͤhlde ei- nes menſchlichen Skeletts von dieſer Groͤße mit vieler Sorgfalt verfertigen laſſen, welches noch in dem Je- ſuitercollegium zu Luzern zu ſehen iſt: zum merkwuͤr- digen Beweiſe, wie maͤchtig die Herrſchaft des Vor- urtheils auch in einem ſo großen Manne ſey, wenn es einmal ſo tief eingewurzelt, daß es ſelbſt gegen den Augenſchein noch ſtreitet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/214
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/214>, abgerufen am 23.11.2024.