Von der andern Seite aber stößt man auch hin- wiederum auf einen Punkt, wo man sieht, daß mehrere dieser Ursachen zwar zusammenwirken, aber sich gegenseitig aufheben; man sieht so verschiedent- lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein Widerstreben der organischen Körper zur Verartung; dann wieder eine verschiedne Wirkung jener Ursachen auf diese Körper, in wiefern sie mittelbarer oder un- mittelbarer auf sie wirken; und endlich die Verschie- denheit dieser Wirkungen, wodurch sie einmal gleich- sam in einer beharrlichen Bestandheit lange Reihen von Zeugungen hindurch sich unversehrt erhalten, und dann weit veränderlicher in einem kurzen Zeit- raum sich wieder verwischen; daß man dieser vielar- tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er- örterung der Varietäten auch wieder die größte Vor- sichtigkeit nöthig hat. Deshalb möchte ich wohl der Ungeübteren halber beym Schlusse dieser Abhandlung, bevor wir zu den Menschenvarietäten selbst überge- hen, wenigstens einige Hauptvorsichtigkeitsregeln, die bey gegenwärtiger Untersuchung sehr in Erwä- gung gezogen werden müssen, als Corollarien bey- fügen.
1) Je mehrere Ursachen der Verartung ver- eint zusammen kommen, und je länger sie auf eine und dieselbe Thiergattung wirken, um desto offenbarer wird diese von ihrer Originalbildung abweichen können.
In dieser Hinsicht kann man also kein Thier mit dem Menschen vergleichen, dem Allverzehrer, der unter jedem Himmelsstriche lebt, und vor allen an-
dern
Von der andern Seite aber ſtoͤßt man auch hin- wiederum auf einen Punkt, wo man ſieht, daß mehrere dieſer Urſachen zwar zuſammenwirken, aber ſich gegenſeitig aufheben; man ſieht ſo verſchiedent- lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein Widerſtreben der organiſchen Koͤrper zur Verartung; dann wieder eine verſchiedne Wirkung jener Urſachen auf dieſe Koͤrper, in wiefern ſie mittelbarer oder un- mittelbarer auf ſie wirken; und endlich die Verſchie- denheit dieſer Wirkungen, wodurch ſie einmal gleich- ſam in einer beharrlichen Beſtandheit lange Reihen von Zeugungen hindurch ſich unverſehrt erhalten, und dann weit veraͤnderlicher in einem kurzen Zeit- raum ſich wieder verwiſchen; daß man dieſer vielar- tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er- oͤrterung der Varietaͤten auch wieder die groͤßte Vor- ſichtigkeit noͤthig hat. Deshalb moͤchte ich wohl der Ungeuͤbteren halber beym Schluſſe dieſer Abhandlung, bevor wir zu den Menſchenvarietaͤten ſelbſt uͤberge- hen, wenigſtens einige Hauptvorſichtigkeitsregeln, die bey gegenwaͤrtiger Unterſuchung ſehr in Erwaͤ- gung gezogen werden muͤſſen, als Corollarien bey- fuͤgen.
1) Je mehrere Urſachen der Verartung ver- eint zuſammen kommen, und je laͤnger ſie auf eine und dieſelbe Thiergattung wirken, um deſto offenbarer wird dieſe von ihrer Originalbildung abweichen koͤnnen.
In dieſer Hinſicht kann man alſo kein Thier mit dem Menſchen vergleichen, dem Allverzehrer, der unter jedem Himmelsſtriche lebt, und vor allen an-
dern
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[88/0122]
Von der andern Seite aber ſtoͤßt man auch hin-
wiederum auf einen Punkt, wo man ſieht, daß
mehrere dieſer Urſachen zwar zuſammenwirken, aber
ſich gegenſeitig aufheben; man ſieht ſo verſchiedent-
lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein
Widerſtreben der organiſchen Koͤrper zur Verartung;
dann wieder eine verſchiedne Wirkung jener Urſachen
auf dieſe Koͤrper, in wiefern ſie mittelbarer oder un-
mittelbarer auf ſie wirken; und endlich die Verſchie-
denheit dieſer Wirkungen, wodurch ſie einmal gleich-
ſam in einer beharrlichen Beſtandheit lange Reihen
von Zeugungen hindurch ſich unverſehrt erhalten,
und dann weit veraͤnderlicher in einem kurzen Zeit-
raum ſich wieder verwiſchen; daß man dieſer vielar-
tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er-
oͤrterung der Varietaͤten auch wieder die groͤßte Vor-
ſichtigkeit noͤthig hat. Deshalb moͤchte ich wohl der
Ungeuͤbteren halber beym Schluſſe dieſer Abhandlung,
bevor wir zu den Menſchenvarietaͤten ſelbſt uͤberge-
hen, wenigſtens einige Hauptvorſichtigkeitsregeln,
die bey gegenwaͤrtiger Unterſuchung ſehr in Erwaͤ-
gung gezogen werden muͤſſen, als Corollarien bey-
fuͤgen.
1) Je mehrere Urſachen der Verartung ver-
eint zuſammen kommen, und je laͤnger ſie auf
eine und dieſelbe Thiergattung wirken, um deſto
offenbarer wird dieſe von ihrer Originalbildung
abweichen koͤnnen.
In dieſer Hinſicht kann man alſo kein Thier mit
dem Menſchen vergleichen, dem Allverzehrer, der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/122>, abgerufen am 16.07.2024.
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