Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

den Augenstern zieht. Die eine Seite derselben ist
in dem innern Augenwinkel desselben, an die harte
Haut des Augapfels befestiget; der gegenüberstehen-
de Zipfel hängt mit einem langen dünnen Muskel zu-
sammen, der an dem Augapfel hinterwärts um den
Sehnerven in einen Winkel herumläuft, und mit
dem breitern Ende sich in die harte Haut neben dem
innern Augenwinkel einfügt. Dieser Muskel geht
durch ein Loch in dem Ende eines kürzern Muskels,
der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter-
seite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven
sich hin erstreckt, gleichsam als über eine Rolle.
Wenn nun beyde Muskeln sich verkürzen, so wird
die Nickhaut über den Augenstern, nach dem äußern
Augenwinkel, hingezogen; lassen sie nach, so zieht
sich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige-
nen Fibern, wieder zurück. Jene Verbindung
zweyer Muskeln war nöthig, weil ein Muskel sich
nur nach Verhältniß seiner Länge verkürzen kann,
ein gerade ausgespannter einzelner Muskel hier aber
nickt lang genug gewesen wäre. Die Nickhaut dient
die Augen der Vögel für Staub zu bewahren, und
gegen das blendende Sonnenlicht zu schützen, ohne
ihm alles Licht zu nehmen, da sie doch dünn genug
ist, daß die Vögel dadurch etwas unterscheiden kön-
nen. Zugleich dient sie die vordere durchsichtige
Haut im Auge feucht und geschmeidig zu erhalten,
da aus der Thränendrüse ein Ausführungsgang bis
in die Mitte der Nickhaut geht, so daß sie bey der
Bewegung derselben das Auge reinigt und erfrischt.
Die meisten vierfüßigen Thiere haben auch eine Nick-
haut. Das menschliche Auge würde durch eine solche

den Augenstern zieht. Die eine Seite derselben ist
in dem innern Augenwinkel desselben, an die harte
Haut des Augapfels befestiget; der gegenüberstehen-
de Zipfel hängt mit einem langen dünnen Muskel zu-
sammen, der an dem Augapfel hinterwärts um den
Sehnerven in einen Winkel herumläuft, und mit
dem breitern Ende sich in die harte Haut neben dem
innern Augenwinkel einfügt. Dieser Muskel geht
durch ein Loch in dem Ende eines kürzern Muskels,
der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter-
seite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven
sich hin erstreckt, gleichsam als über eine Rolle.
Wenn nun beyde Muskeln sich verkürzen, so wird
die Nickhaut über den Augenstern, nach dem äußern
Augenwinkel, hingezogen; lassen sie nach, so zieht
sich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige-
nen Fibern, wieder zurück. Jene Verbindung
zweyer Muskeln war nöthig, weil ein Muskel sich
nur nach Verhältniß seiner Länge verkürzen kann,
ein gerade ausgespannter einzelner Muskel hier aber
nickt lang genug gewesen wäre. Die Nickhaut dient
die Augen der Vögel für Staub zu bewahren, und
gegen das blendende Sonnenlicht zu schützen, ohne
ihm alles Licht zu nehmen, da sie doch dünn genug
ist, daß die Vögel dadurch etwas unterscheiden kön-
nen. Zugleich dient sie die vordere durchsichtige
Haut im Auge feucht und geschmeidig zu erhalten,
da aus der Thränendrüse ein Ausführungsgang bis
in die Mitte der Nickhaut geht, so daß sie bey der
Bewegung derselben das Auge reinigt und erfrischt.
Die meisten vierfüßigen Thiere haben auch eine Nick-
haut. Das menschliche Auge würde durch eine solche

<TEI>
  <text xml:id="blume000008">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0279" xml:id="pb245_0001" n="245"/>
den Augenstern zieht. Die eine Seite derselben ist<lb/>
in dem innern Augenwinkel desselben, an die harte<lb/>
Haut des Augapfels befestiget; der gegenüberstehen-<lb/>
de Zipfel hängt mit einem langen dünnen Muskel zu-<lb/>
sammen, der an dem Augapfel hinterwärts um den<lb/>
Sehnerven in einen Winkel herumläuft, und mit<lb/>
dem breitern Ende sich in die harte Haut neben dem<lb/>
innern Augenwinkel einfügt. Dieser Muskel geht<lb/>
durch ein Loch in dem Ende eines kürzern Muskels,<lb/>
der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter-<lb/>
seite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven<lb/>
sich hin erstreckt, gleichsam als über eine Rolle.<lb/>
Wenn nun beyde Muskeln sich verkürzen, so wird<lb/>
die Nickhaut über den Augenstern, nach dem äußern<lb/>
Augenwinkel, hingezogen; lassen sie nach, so zieht<lb/>
sich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige-<lb/>
nen Fibern, wieder zurück. Jene Verbindung<lb/>
zweyer Muskeln war nöthig, weil ein Muskel sich<lb/>
nur nach Verhältniß seiner Länge verkürzen kann,<lb/>
ein gerade ausgespannter einzelner Muskel hier aber<lb/>
nickt lang genug gewesen wäre. Die Nickhaut dient<lb/>
die Augen der Vögel für Staub zu bewahren, und<lb/>
gegen das blendende Sonnenlicht zu schützen, ohne<lb/>
ihm alles Licht zu nehmen, da sie doch dünn genug<lb/>
ist, daß die Vögel dadurch etwas unterscheiden kön-<lb/>
nen. Zugleich dient sie die vordere durchsichtige<lb/>
Haut im Auge feucht und geschmeidig zu erhalten,<lb/>
da aus der Thränendrüse ein Ausführungsgang bis<lb/>
in die Mitte der Nickhaut geht, so daß sie bey der<lb/>
Bewegung derselben das Auge reinigt und erfrischt.<lb/>
Die meisten vierfüßigen Thiere haben auch eine Nick-<lb/>
haut. Das menschliche Auge würde durch eine solche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0279] den Augenstern zieht. Die eine Seite derselben ist in dem innern Augenwinkel desselben, an die harte Haut des Augapfels befestiget; der gegenüberstehen- de Zipfel hängt mit einem langen dünnen Muskel zu- sammen, der an dem Augapfel hinterwärts um den Sehnerven in einen Winkel herumläuft, und mit dem breitern Ende sich in die harte Haut neben dem innern Augenwinkel einfügt. Dieser Muskel geht durch ein Loch in dem Ende eines kürzern Muskels, der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter- seite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven sich hin erstreckt, gleichsam als über eine Rolle. Wenn nun beyde Muskeln sich verkürzen, so wird die Nickhaut über den Augenstern, nach dem äußern Augenwinkel, hingezogen; lassen sie nach, so zieht sich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige- nen Fibern, wieder zurück. Jene Verbindung zweyer Muskeln war nöthig, weil ein Muskel sich nur nach Verhältniß seiner Länge verkürzen kann, ein gerade ausgespannter einzelner Muskel hier aber nickt lang genug gewesen wäre. Die Nickhaut dient die Augen der Vögel für Staub zu bewahren, und gegen das blendende Sonnenlicht zu schützen, ohne ihm alles Licht zu nehmen, da sie doch dünn genug ist, daß die Vögel dadurch etwas unterscheiden kön- nen. Zugleich dient sie die vordere durchsichtige Haut im Auge feucht und geschmeidig zu erhalten, da aus der Thränendrüse ein Ausführungsgang bis in die Mitte der Nickhaut geht, so daß sie bey der Bewegung derselben das Auge reinigt und erfrischt. Die meisten vierfüßigen Thiere haben auch eine Nick- haut. Das menschliche Auge würde durch eine solche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/279
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/279>, abgerufen am 23.11.2024.