Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

oder dickerer Haut, Schildern, Schuppen oder
Stacheln bewaffnet sind. Nur an wenig Gegen-
den des Leibes hat der Mensch Haare, der Rücken
aber ist ganz kahl, was in der That einen neuen
Beweis für den aufrechten Gang des Menschen
abgiebt. Seine Zähne stehen einander gleicher,
sind runder, ebener, und mit einem Worte so ge-
baut, daß man auf den ersten Hinblick einsehen
muß, sie seyen dem Menschen zum Kauen, und
gewissermaßen zur Rede, keinesweges aber als
Waffen gegeben 2). Selbst die Zähne der Affen
weichen von den menschlichen sehr ab; ihre Hunds-
zähne sind länger, spitziger, und von den benach-
barten mehr entfernt; die Backenzähne aber tief
eingeschnitten und äußerst scharfzackigt. Aber
außer den Zähnen zeigt auch der enge, mit Lippen
verzierte Mund, wodurch er sich ebenfalls von den
Affen und andern ähnlichen Thieren unterscheidet,
der Mensch sey ein friedliches, waffenloses Ge-
schöpf 3)."

1) Der Polyp z. B. hat kaum irgend einen Feind, und
wenn er etwa verwundet wird, so entstehen daraus
neue Thiere seiner Gattung.

2) Der Mensch ist ein sanftes in Gesell-
schaft lebendes
(civile) Geschöpf, dessen
Stärke und Kraft mehr in Weisheit
, als
körperlicher Uibermacht besteht
."
Eustach.
de dentibus. S. 85.

3) Ausg. 1. S. 27. 28.

Ich wundere mich um so mehr, daß der Herr
Verfasser den Grund, warum er diesen Charakter
wegläßt, nicht angeführt hat, da er mir doch immer
wegen seiner Konsequenz, die in Eustachs Worten

oder dickerer Haut, Schildern, Schuppen oder
Stacheln bewaffnet sind. Nur an wenig Gegen-
den des Leibes hat der Mensch Haare, der Rücken
aber ist ganz kahl, was in der That einen neuen
Beweis für den aufrechten Gang des Menschen
abgiebt. Seine Zähne stehen einander gleicher,
sind runder, ebener, und mit einem Worte so ge-
baut, daß man auf den ersten Hinblick einsehen
muß, sie seyen dem Menschen zum Kauen, und
gewissermaßen zur Rede, keinesweges aber als
Waffen gegeben 2). Selbst die Zähne der Affen
weichen von den menschlichen sehr ab; ihre Hunds-
zähne sind länger, spitziger, und von den benach-
barten mehr entfernt; die Backenzähne aber tief
eingeschnitten und äußerst scharfzackigt. Aber
außer den Zähnen zeigt auch der enge, mit Lippen
verzierte Mund, wodurch er sich ebenfalls von den
Affen und andern ähnlichen Thieren unterscheidet,
der Mensch sey ein friedliches, waffenloses Ge-
schöpf 3).“

1) Der Polyp z. B. hat kaum irgend einen Feind, und
wenn er etwa verwundet wird, so entstehen daraus
neue Thiere seiner Gattung.

2) Der Mensch ist ein sanftes in Gesell-
schaft lebendes
(civile) Geschöpf, dessen
Stärke und Kraft mehr in Weisheit
, als
körperlicher Uibermacht besteht
.“
Eustach.
de dentibus. S. 85.

3) Ausg. 1. S. 27. 28.

Ich wundere mich um so mehr, daß der Herr
Verfasser den Grund, warum er diesen Charakter
wegläßt, nicht angeführt hat, da er mir doch immer
wegen seiner Konsequenz, die in Eustachs Worten

<TEI>
  <text xml:id="blume000008">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <q type="preline"><pb facs="#f0277" xml:id="pb243_0001" n="243"/>
oder dickerer Haut, Schildern, Schuppen oder<lb/>
Stacheln bewaffnet sind. Nur an wenig Gegen-<lb/>
den des Leibes hat der Mensch Haare, der Rücken<lb/>
aber ist ganz kahl, was in der That einen neuen<lb/>
Beweis für den aufrechten Gang des Menschen<lb/>
abgiebt. Seine Zähne stehen einander gleicher,<lb/>
sind runder, ebener, und mit einem Worte so ge-<lb/>
baut, daß man auf den ersten Hinblick einsehen<lb/>
muß, sie seyen dem Menschen zum Kauen, und<lb/>
gewissermaßen zur Rede, keinesweges aber als<lb/>
Waffen gegeben <hi rendition="#sup">2</hi>). Selbst die Zähne der Affen<lb/>
weichen von den menschlichen sehr ab; ihre Hunds-<lb/>
zähne sind länger, spitziger, und von den benach-<lb/>
barten mehr entfernt; die Backenzähne aber tief<lb/>
eingeschnitten und äußerst scharfzackigt. Aber<lb/>
außer den Zähnen zeigt auch der enge, mit Lippen<lb/>
verzierte Mund, wodurch er sich ebenfalls von den<lb/>
Affen und andern ähnlichen Thieren unterscheidet,<lb/>
der Mensch sey ein friedliches, waffenloses Ge-<lb/>
schöpf <hi rendition="#sup">3</hi>).&#x201C;</q>
            </p>
            <p rendition="#indent-2 #small">1) Der Polyp z. B. hat kaum irgend einen Feind, und<lb/>
wenn er etwa verwundet wird, so entstehen daraus<lb/>
neue Thiere seiner Gattung.</p>
            <p rendition="#indent-2 #small">2) <q><hi rendition="#g">Der Mensch ist ein sanftes in Gesell-<lb/>
schaft lebendes</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">civile</hi></hi>) <hi rendition="#g">Geschöpf</hi>, <hi rendition="#g">dessen<lb/>
Stärke und Kraft mehr in Weisheit</hi>, <hi rendition="#g">als<lb/>
körperlicher Uibermacht besteht</hi>.&#x201C;</q> <hi rendition="#aq">Eustach</hi>.<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">de dentibus</hi></hi>. S. 85.</p>
            <p rendition="#indent-2 #small">3) Ausg. 1. S. 27. 28.</p>
            <p>Ich wundere mich um so mehr, daß der Herr<lb/>
Verfasser den Grund, warum er diesen Charakter<lb/>
wegläßt, nicht angeführt hat, da er mir doch immer<lb/>
wegen seiner Konsequenz, die in Eustachs Worten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0277] oder dickerer Haut, Schildern, Schuppen oder Stacheln bewaffnet sind. Nur an wenig Gegen- den des Leibes hat der Mensch Haare, der Rücken aber ist ganz kahl, was in der That einen neuen Beweis für den aufrechten Gang des Menschen abgiebt. Seine Zähne stehen einander gleicher, sind runder, ebener, und mit einem Worte so ge- baut, daß man auf den ersten Hinblick einsehen muß, sie seyen dem Menschen zum Kauen, und gewissermaßen zur Rede, keinesweges aber als Waffen gegeben 2). Selbst die Zähne der Affen weichen von den menschlichen sehr ab; ihre Hunds- zähne sind länger, spitziger, und von den benach- barten mehr entfernt; die Backenzähne aber tief eingeschnitten und äußerst scharfzackigt. Aber außer den Zähnen zeigt auch der enge, mit Lippen verzierte Mund, wodurch er sich ebenfalls von den Affen und andern ähnlichen Thieren unterscheidet, der Mensch sey ein friedliches, waffenloses Ge- schöpf 3).“ 1) Der Polyp z. B. hat kaum irgend einen Feind, und wenn er etwa verwundet wird, so entstehen daraus neue Thiere seiner Gattung. 2) Der Mensch ist ein sanftes in Gesell- schaft lebendes (civile) Geschöpf, dessen Stärke und Kraft mehr in Weisheit, als körperlicher Uibermacht besteht.“ Eustach. de dentibus. S. 85. 3) Ausg. 1. S. 27. 28. Ich wundere mich um so mehr, daß der Herr Verfasser den Grund, warum er diesen Charakter wegläßt, nicht angeführt hat, da er mir doch immer wegen seiner Konsequenz, die in Eustachs Worten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/277
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/277>, abgerufen am 27.11.2024.