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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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Denn sie legen gleichsam den Grund für
jedes natürliche System, worin die Dinge nach
ihrem Totalhabitu und den äußern Eigenschaf-
ten, in denen sie gegenseitig am allermeisten
mit einander übereinkommen, geordnet werden,
da die künstlichen hingegen nur ein einzelnes
Merkzeichen zum Grunde ihrer Eintheilung an-
nehmen.

Da es aber keinem Zweifel unterworfen ist,
daß solch ein natürliches System vorzüglicher
sey, als ein künstliches, weil es die Urtheils-
kraft schärft, und dem Gedächtniß seine Be-
schäftigung ungemein erleichtert; so habe ich
mir um so mehr Mühe gegeben, die Klasse der
Säugthiere auf eine solche Ordnung eines na-
türlichen Systems zurückzuführen, da Linnees
künstliches, von dem Verhältniß der Zähne
hergenommenes, durch die Hinzukunft so vieler
neuerdings entdeckten Gattungen, täglich lästi-
gere Anomalien und Ausnahmen bekäme.

Denn so, um dies wenigstens nur zu be-
rühren, kennen wir jetzt zwey Gattungen vom
Rhinozeros, welche nach ihrem Habitus sich
völlig ähnlich, den Zähnen nach aber so ver-
schieden sind, daß man, um Linnees Systeme
noch zu folgen, die eine Gattung eben so gut
zu den großen Säuge- (belluae), als den
Nagethieren (glires) und die andere zu den

Denn sie legen gleichsam den Grund für
jedes natürliche System, worin die Dinge nach
ihrem Totalhabitu und den äußern Eigenschaf-
ten, in denen sie gegenseitig am allermeisten
mit einander übereinkommen, geordnet werden,
da die künstlichen hingegen nur ein einzelnes
Merkzeichen zum Grunde ihrer Eintheilung an-
nehmen.

Da es aber keinem Zweifel unterworfen ist,
daß solch ein natürliches System vorzüglicher
sey, als ein künstliches, weil es die Urtheils-
kraft schärft, und dem Gedächtniß seine Be-
schäftigung ungemein erleichtert; so habe ich
mir um so mehr Mühe gegeben, die Klasse der
Säugthiere auf eine solche Ordnung eines na-
türlichen Systems zurückzuführen, da Linnées
künstliches, von dem Verhältniß der Zähne
hergenommenes, durch die Hinzukunft so vieler
neuerdings entdeckten Gattungen, täglich lästi-
gere Anomalien und Ausnahmen bekäme.

Denn so, um dies wenigstens nur zu be-
rühren, kennen wir jetzt zwey Gattungen vom
Rhinozeros, welche nach ihrem Habitus sich
völlig ähnlich, den Zähnen nach aber so ver-
schieden sind, daß man, um Linnées Systeme
noch zu folgen, die eine Gattung eben so gut
zu den großen Säuge- (belluae), als den
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[XX/0022] Denn sie legen gleichsam den Grund für jedes natürliche System, worin die Dinge nach ihrem Totalhabitu und den äußern Eigenschaf- ten, in denen sie gegenseitig am allermeisten mit einander übereinkommen, geordnet werden, da die künstlichen hingegen nur ein einzelnes Merkzeichen zum Grunde ihrer Eintheilung an- nehmen. Da es aber keinem Zweifel unterworfen ist, daß solch ein natürliches System vorzüglicher sey, als ein künstliches, weil es die Urtheils- kraft schärft, und dem Gedächtniß seine Be- schäftigung ungemein erleichtert; so habe ich mir um so mehr Mühe gegeben, die Klasse der Säugthiere auf eine solche Ordnung eines na- türlichen Systems zurückzuführen, da Linnées künstliches, von dem Verhältniß der Zähne hergenommenes, durch die Hinzukunft so vieler neuerdings entdeckten Gattungen, täglich lästi- gere Anomalien und Ausnahmen bekäme. Denn so, um dies wenigstens nur zu be- rühren, kennen wir jetzt zwey Gattungen vom Rhinozeros, welche nach ihrem Habitus sich völlig ähnlich, den Zähnen nach aber so ver- schieden sind, daß man, um Linnées Systeme noch zu folgen, die eine Gattung eben so gut zu den großen Säuge- (belluae), als den Nagethieren (glires) und die andere zu den

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/22>, abgerufen am 23.11.2024.