schrieben hatte. Dieser Brief enthielt zwar nichts anstößiges, nichts das einen uneingenommenen Richter einen verbote- nen Umgang unter beyden hätte vermu- then laßen können; aber er war doch in einem so zärtlichen Tone geschrieben; so ganz von dem Feuer eines freundschaftli- chen Enthusiasmus voll, dass der Eindruck den er auf das Gemüth des Junkers mach- te unmöglich anders als nachtheilig ausfal- len konnte. Verglich er die Briefe da- mit, die Er von seiner Gemahlinn aus Dres- den erhielt: so war, seiner Meynung nach, der Unterschied so merklich, die Schreib- art in diesen so plan, die Ausdrücke so kalt, der Ton so gemein; dass er sich für zu- rückgesetzt, für schändlich betrogen halten mußte. Zu allen diesen nachtheiligen Umständen kam noch seine so nachgeben- de, so aufrichtige und bey dem allen doch
(II. Theil.) D
ſchrieben hatte. Dieſer Brief enthielt zwar nichts anſtößiges, nichts das einen uneingenommenen Richter einen verbote- nen Umgang unter beyden hätte vermu- then laßen können; aber er war doch in einem ſo zärtlichen Tone geſchrieben; ſo ganz von dem Feuer eines freundſchaftli- chen Enthuſiaſmus voll, daſs der Eindruck den er auf das Gemüth des Junkers mach- te unmöglich anders als nachtheilig ausfal- len konnte. Verglich er die Briefe da- mit, die Er von ſeiner Gemahlinn aus Dreſ- den erhielt: ſo war, ſeiner Meynung nach, der Unterſchied ſo merklich, die Schreib- art in dieſen ſo plan, die Ausdrücke ſo kalt, der Ton ſo gemein; daſs er ſich für zu- rückgeſetzt, für ſchändlich betrogen halten mußte. Zu allen dieſen nachtheiligen Umſtänden kam noch ſeine ſo nachgeben- de, ſo aufrichtige und bey dem allen doch
(II. Theil.) D
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ſchrieben hatte. Dieſer Brief enthielt
zwar nichts anſtößiges, nichts das einen
uneingenommenen Richter einen verbote-
nen Umgang unter beyden hätte vermu-
then laßen können; aber er war doch in
einem ſo zärtlichen Tone geſchrieben; ſo
ganz von dem Feuer eines freundſchaftli-
chen Enthuſiaſmus voll, daſs der Eindruck
den er auf das Gemüth des Junkers mach-
te unmöglich anders als nachtheilig ausfal-
len konnte. Verglich er die Briefe da-
mit, die Er von ſeiner Gemahlinn aus Dreſ-
den erhielt: ſo war, ſeiner Meynung nach,
der Unterſchied ſo merklich, die Schreib-
art in dieſen ſo plan, die Ausdrücke ſo kalt,
der Ton ſo gemein; daſs er ſich für zu-
rückgeſetzt, für ſchändlich betrogen halten
mußte. Zu allen dieſen nachtheiligen
Umſtänden kam noch ſeine ſo nachgeben-
de, ſo aufrichtige und bey dem allen doch
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/55>, abgerufen am 19.05.2024.
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