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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

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Aber bin ich es denn nun auch für
immer geworden? -- Die steigende Lei-
ter der Iahre, führt sie mich über die
Sphäre der Menschheit hinaus? oder hat
nicht ein jedes Menschenalter vielmehr sei-
ne ihm eigenthümlichen Schwachheiten?
Wechseln wir nicht die Leidenschaften,
wie wir die Kleider wechseln; oder sind
wir von allen frey, weil wir es von eini-
gen sind? -- O! der weisere Mann hat
noch eine Ursach mehr über sein Herz zu
wachen. Wenn er den trunknen Freu-
den des Iünglings entsagt hat, -- und
hat er ihnen denn so ganz entsagt? -- so
ist er darum noch nicht frey von dem heis-
sen Verlangen nach Ehre, von dem nim-
merruhigen Bestreben sich und die Seini-
gen zu vergrößern, von der kindischen
Eitelkeit seinen genügsamen Mitbruder

(II. Theil.) Q

Aber bin ich es denn nun auch für
immer geworden? — Die ſteigende Lei-
ter der Iahre, führt ſie mich über die
Sphäre der Menſchheit hinaus? oder hat
nicht ein jedes Menſchenalter vielmehr ſei-
ne ihm eigenthümlichen Schwachheiten?
Wechſeln wir nicht die Leidenſchaften,
wie wir die Kleider wechſeln; oder ſind
wir von allen frey, weil wir es von eini-
gen ſind? — O! der weiſere Mann hat
noch eine Urſach mehr über ſein Herz zu
wachen. Wenn er den trunknen Freu-
den des Iünglings entſagt hat, — und
hat er ihnen denn ſo ganz entſagt? — ſo
iſt er darum noch nicht frey von dem heiſ-
ſen Verlangen nach Ehre, von dem nim-
merruhigen Beſtreben ſich und die Seini-
gen zu vergrößern, von der kindiſchen
Eitelkeit ſeinen genügſamen Mitbruder

(II. Theil.) Q
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[241/0247] Aber bin ich es denn nun auch für immer geworden? — Die ſteigende Lei- ter der Iahre, führt ſie mich über die Sphäre der Menſchheit hinaus? oder hat nicht ein jedes Menſchenalter vielmehr ſei- ne ihm eigenthümlichen Schwachheiten? Wechſeln wir nicht die Leidenſchaften, wie wir die Kleider wechſeln; oder ſind wir von allen frey, weil wir es von eini- gen ſind? — O! der weiſere Mann hat noch eine Urſach mehr über ſein Herz zu wachen. Wenn er den trunknen Freu- den des Iünglings entſagt hat, — und hat er ihnen denn ſo ganz entſagt? — ſo iſt er darum noch nicht frey von dem heiſ- ſen Verlangen nach Ehre, von dem nim- merruhigen Beſtreben ſich und die Seini- gen zu vergrößern, von der kindiſchen Eitelkeit ſeinen genügſamen Mitbruder (II. Theil.) Q

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/247>, abgerufen am 02.05.2024.