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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

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Gebeine eines erschlagenen Unbekannten
bedeckt. Die Kirche war allerdings mit
der vornehmste Gegenstand unsrer Neube-
gierde. Unsrer Aufmerksamkeit entging
nichts. Jede Inschrift wurde gelesen und
wieder gelesen. Nun glaubten wir fertig
zu seyn, als uns unser Führer einen be-
schatteten Winkel des Kirchhofs zu bemer-
ken ersuchte. Ein ziemlich weiter Bogen,
von Linden gebildet, führte zu der merk-
würdigen Stelle. Wir fanden daselbst,
was man mit dem kleinsten Nachdenken
vermuthet haben wird: ein Grabmahl, ei-
nen aufrechtstehenden Marmorstein mit
folgender Inschrift.

Raimarus von Z***, dessen Seele Gott
begnadigen wolle, bekennet hiemit einem
jeden, den der Zufall seinem Aschenhau-
fen zuführt: Daß er seine würdige Gat-
tinn durch ungegründeten Verdacht auf

Gebeine eines erſchlagenen Unbekannten
bedeckt. Die Kirche war allerdings mit
der vornehmſte Gegenſtand unſrer Neube-
gierde. Unſrer Aufmerkſamkeit entging
nichts. Jede Inſchrift wurde geleſen und
wieder geleſen. Nun glaubten wir fertig
zu ſeyn, als uns unſer Führer einen be-
ſchatteten Winkel des Kirchhofs zu bemer-
ken erſuchte. Ein ziemlich weiter Bogen,
von Linden gebildet, führte zu der merk-
würdigen Stelle. Wir fanden daſelbſt,
was man mit dem kleinſten Nachdenken
vermuthet haben wird: ein Grabmahl, ei-
nen aufrechtſtehenden Marmorſtein mit
folgender Inſchrift.

Raimarus von Z***, deſſen Seele Gott
begnadigen wolle, bekennet hiemit einem
jeden, den der Zufall ſeinem Aſchenhau-
fen zuführt: Daß er ſeine würdige Gat-
tinn durch ungegründeten Verdacht auf

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[10/0016] Gebeine eines erſchlagenen Unbekannten bedeckt. Die Kirche war allerdings mit der vornehmſte Gegenſtand unſrer Neube- gierde. Unſrer Aufmerkſamkeit entging nichts. Jede Inſchrift wurde geleſen und wieder geleſen. Nun glaubten wir fertig zu ſeyn, als uns unſer Führer einen be- ſchatteten Winkel des Kirchhofs zu bemer- ken erſuchte. Ein ziemlich weiter Bogen, von Linden gebildet, führte zu der merk- würdigen Stelle. Wir fanden daſelbſt, was man mit dem kleinſten Nachdenken vermuthet haben wird: ein Grabmahl, ei- nen aufrechtſtehenden Marmorſtein mit folgender Inſchrift. Raimarus von Z***, deſſen Seele Gott begnadigen wolle, bekennet hiemit einem jeden, den der Zufall ſeinem Aſchenhau- fen zuführt: Daß er ſeine würdige Gat- tinn durch ungegründeten Verdacht auf

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/16>, abgerufen am 21.11.2024.