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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

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den Thron des obersten Richters versam-
meln, in einer ehrfurchtsvollen Stille das Ur-
theil der Lossprechung oder Verdammung
erwarten, und dann alle mit Einem Munde
bezeugen werden: Herr! deine Gerichte
sind gerecht! Deine Gottheit verklärt sich
in dem kleinsten Lohne, wie in der furcht-
barsten Bestrafung. -- Wenn ich auch
nicht bestimmt wäre an dieser Begebenheit
Theil zu nehmen, so würd' ich doch wün-
schen daran Theil nehmen zu dürfen.

Die Menschen haben sich von je her
keine kleine Mühe gegeben, das ewige
Wohl der Seligen, so wie das Elend der
Verdammten, sich und andern deutlich zu
machen. Diese Bemühung ist oft unglück-
lich genug ausgefallen. Man hat mehren-
theils immer seine eignen, oft sehr schwan-
kenden Begriffe von Wohl und Wehe zum
Maaßstabe angenommen, ohne einmal die

den Thron des oberſten Richters verſam-
meln, in einer ehrfurchtsvollen Stille das Ur-
theil der Losſprechung oder Verdammung
erwarten, und dann alle mit Einem Munde
bezeugen werden: Herr! deine Gerichte
ſind gerecht! Deine Gottheit verklärt ſich
in dem kleinſten Lohne, wie in der furcht-
barſten Beſtrafung. — Wenn ich auch
nicht beſtimmt wäre an dieſer Begebenheit
Theil zu nehmen, ſo würd’ ich doch wün-
ſchen daran Theil nehmen zu dürfen.

Die Menſchen haben ſich von je her
keine kleine Mühe gegeben, das ewige
Wohl der Seligen, ſo wie das Elend der
Verdammten, ſich und andern deutlich zu
machen. Dieſe Bemühung iſt oft unglück-
lich genug ausgefallen. Man hat mehren-
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[134/0140] den Thron des oberſten Richters verſam- meln, in einer ehrfurchtsvollen Stille das Ur- theil der Losſprechung oder Verdammung erwarten, und dann alle mit Einem Munde bezeugen werden: Herr! deine Gerichte ſind gerecht! Deine Gottheit verklärt ſich in dem kleinſten Lohne, wie in der furcht- barſten Beſtrafung. — Wenn ich auch nicht beſtimmt wäre an dieſer Begebenheit Theil zu nehmen, ſo würd’ ich doch wün- ſchen daran Theil nehmen zu dürfen. Die Menſchen haben ſich von je her keine kleine Mühe gegeben, das ewige Wohl der Seligen, ſo wie das Elend der Verdammten, ſich und andern deutlich zu machen. Dieſe Bemühung iſt oft unglück- lich genug ausgefallen. Man hat mehren- theils immer ſeine eignen, oft ſehr ſchwan- kenden Begriffe von Wohl und Wehe zum Maaßſtabe angenommen, ohne einmal die

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/140>, abgerufen am 02.05.2024.