ich auch da noch Nachsicht, Enthaltsamkeit und Grossmuth im Kleinen ausüben? Werd' ich es verhüten können, dass Haab- sucht und Schadenfreude sich nicht unver- merkt in meinen Busen einschleichen?
Jch zittre, wenn ich an die Gefahr geden- ke, in die ich mich so freywillig begeben, mit der ich ein kleines flüchtiges Vergnü- gen erkaufen will. Und doch ist diess Ver- gnügen an sich nichts unerlaubtes; es ist vielmehr etwas gutes, eine Frucht, die für mich erschaffen, für mich so lieblich anzu- sehn und so süss zu geniessen gemacht ist. Und wenn ich bedenke, dass es doch nicht unmöglich ist, dass ich bey ihrem Genusse Enthaltsamkeit ausüben, und einen gesez- ten, männlichen Charakter behaupten kann: so finde ich am Ende des Zieles so gar; wenn ich es anders erreiche, einer Art von Ehrbegierde geschmeichelt, die in der That
(I. Theil.) F
ich auch da noch Nachſicht, Enthaltſamkeit und Groſsmuth im Kleinen ausüben? Werd’ ich es verhüten können, daſs Haab- ſucht und Schadenfreude ſich nicht unver- merkt in meinen Buſen einſchleichen?
Jch zittre, wenn ich an die Gefahr geden- ke, in die ich mich ſo freywillig begeben, mit der ich ein kleines flüchtiges Vergnü- gen erkaufen will. Und doch iſt dieſs Ver- gnügen an ſich nichts unerlaubtes; es iſt vielmehr etwas gutes, eine Frucht, die für mich erſchaffen, für mich ſo lieblich anzu- ſehn und ſo ſüſs zu genieſsen gemacht iſt. Und wenn ich bedenke, daſs es doch nicht unmöglich iſt, daſs ich bey ihrem Genuſse Enthaltſamkeit ausüben, und einen geſez- ten, männlichen Charakter behaupten kann: ſo finde ich am Ende des Zieles ſo gar; wenn ich es anders erreiche, einer Art von Ehrbegierde geſchmeichelt, die in der That
(I. Theil.) F
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ich auch da noch Nachſicht, Enthaltſamkeit
und Groſsmuth im Kleinen ausüben?
Werd’ ich es verhüten können, daſs Haab-
ſucht und Schadenfreude ſich nicht unver-
merkt in meinen Buſen einſchleichen?
Jch zittre, wenn ich an die Gefahr geden-
ke, in die ich mich ſo freywillig begeben,
mit der ich ein kleines flüchtiges Vergnü-
gen erkaufen will. Und doch iſt dieſs Ver-
gnügen an ſich nichts unerlaubtes; es iſt
vielmehr etwas gutes, eine Frucht, die für
mich erſchaffen, für mich ſo lieblich anzu-
ſehn und ſo ſüſs zu genieſsen gemacht iſt.
Und wenn ich bedenke, daſs es doch nicht
unmöglich iſt, daſs ich bey ihrem Genuſse
Enthaltſamkeit ausüben, und einen geſez-
ten, männlichen Charakter behaupten kann:
ſo finde ich am Ende des Zieles ſo gar;
wenn ich es anders erreiche, einer Art von
Ehrbegierde geſchmeichelt, die in der That
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/87>, abgerufen am 16.07.2024.
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