Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

tigen Tone, obwohl mit einer etwas un-
sichern, schwankenden Stimme vortrug!
Was geschah? Ein Theil meiner Zuhörer
warf einen verächtlichen Blick zu dem klei-
nen Redner hinauf, der nur eben über das
Kanzelbrett hinausragte; ein guter Theil
schlief; das vornehme Frauenzimmer plau-
derte und blickte nach den Herren auf dem
vergoldeten Chore; und der grösste Theil,
der die Pflichten des Wohlstandes eben
nicht zu beachten gewohnt ist, hatte die
Kirche schon bey der ersten Abtheilung
meiner Predigt verlassen. Nun, mein lie-
ber M*! werden sie doch wohl begreifen,
warum der Magister Serenus noch nie et-
was gutes gestiftet hat, und es auch jemals,
in der Meynung ihrer Mitbürger, zu stif-
ten unfähig ist? Doch diess bey Seite ge-
setzt: so würd' es gleichwohl unendlich
schwer, wo nicht gar unmöglich seyn, in ir-

tigen Tone, obwohl mit einer etwas un-
ſichern, ſchwankenden Stimme vortrug!
Was geſchah? Ein Theil meiner Zuhörer
warf einen verächtlichen Blick zu dem klei-
nen Redner hinauf, der nur eben über das
Kanzelbrett hinausragte; ein guter Theil
ſchlief; das vornehme Frauenzimmer plau-
derte und blickte nach den Herren auf dem
vergoldeten Chore; und der gröſste Theil,
der die Pflichten des Wohlſtandes eben
nicht zu beachten gewohnt iſt, hatte die
Kirche ſchon bey der erſten Abtheilung
meiner Predigt verlaſsen. Nun, mein lie-
ber M*! werden ſie doch wohl begreifen,
warum der Magiſter Serenus noch nie et-
was gutes geſtiftet hat, und es auch jemals,
in der Meynung ihrer Mitbürger, zu ſtif-
ten unfähig iſt? Doch dieſs bey Seite ge-
ſetzt: ſo würd’ es gleichwohl unendlich
ſchwer, wo nicht gar unmöglich ſeyn, in ir-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
tigen Tone, obwohl mit einer etwas un-<lb/>
&#x017F;ichern, &#x017F;chwankenden Stimme vortrug!<lb/>
Was ge&#x017F;chah? Ein Theil meiner Zuhörer<lb/>
warf einen verächtlichen Blick zu dem klei-<lb/>
nen Redner hinauf, der nur eben über das<lb/>
Kanzelbrett hinausragte; ein guter Theil<lb/>
&#x017F;chlief; das vornehme Frauenzimmer plau-<lb/>
derte und blickte nach den Herren auf dem<lb/>
vergoldeten Chore; und der grö&#x017F;ste Theil,<lb/>
der die Pflichten des Wohl&#x017F;tandes eben<lb/>
nicht zu beachten gewohnt i&#x017F;t, hatte die<lb/>
Kirche &#x017F;chon bey der er&#x017F;ten Abtheilung<lb/>
meiner Predigt verla&#x017F;sen. Nun, mein lie-<lb/>
ber M<hi rendition="#sup">*</hi>! werden &#x017F;ie doch wohl begreifen,<lb/>
warum der Magi&#x017F;ter Serenus noch nie et-<lb/>
was gutes ge&#x017F;tiftet hat, und es auch jemals,<lb/>
in der Meynung ihrer Mitbürger, zu &#x017F;tif-<lb/>
ten unfähig i&#x017F;t? Doch die&#x017F;s bey Seite ge-<lb/>
&#x017F;etzt: &#x017F;o würd&#x2019; es gleichwohl unendlich<lb/>
&#x017F;chwer, wo nicht gar unmöglich &#x017F;eyn, in ir-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] tigen Tone, obwohl mit einer etwas un- ſichern, ſchwankenden Stimme vortrug! Was geſchah? Ein Theil meiner Zuhörer warf einen verächtlichen Blick zu dem klei- nen Redner hinauf, der nur eben über das Kanzelbrett hinausragte; ein guter Theil ſchlief; das vornehme Frauenzimmer plau- derte und blickte nach den Herren auf dem vergoldeten Chore; und der gröſste Theil, der die Pflichten des Wohlſtandes eben nicht zu beachten gewohnt iſt, hatte die Kirche ſchon bey der erſten Abtheilung meiner Predigt verlaſsen. Nun, mein lie- ber M*! werden ſie doch wohl begreifen, warum der Magiſter Serenus noch nie et- was gutes geſtiftet hat, und es auch jemals, in der Meynung ihrer Mitbürger, zu ſtif- ten unfähig iſt? Doch dieſs bey Seite ge- ſetzt: ſo würd’ es gleichwohl unendlich ſchwer, wo nicht gar unmöglich ſeyn, in ir-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/54
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/54>, abgerufen am 21.11.2024.