Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

man kann erwarten, dass er die Begeben-
heiten selbst, seinen angenommenen Bewe-
gunsgründen gemäss, unvermerkt verän-
dern, dass er Situationen erträumen, dass er
bon-mots erfinden werde. Den reinsten
Charakter wird er mit seinem Gifte be-
spritzen: in dem weisen Gesetzgeber wird
er den politischen Betrüger, in dem Helden
den haabsüchtigen Eroberer, in dem fried-
fertigen Fürsten den schwachen, den trägen,
den Wollüstling erblicken. Selten wird er
sich einen Helden erwählen; oder er müss-
te mit seinem Lobe irgend eine vorgesetzte
Absicht zu erreichen, irgend einen Vor-
theil für sein angenommenes System zu ge-
winnen hoffen. Ueberhaupt setzt er den
Charakter seiner handelnden Personen im
Voraus, und nach einer vollständigen
Kenntniss der Sachen feste. Dieser ist sei-
ne Form darin das übrige passen muss. Was

man kann erwarten, daſs er die Begeben-
heiten ſelbſt, ſeinen angenommenen Bewe-
gunsgründen gemäſs, unvermerkt verän-
dern, daſs er Situationen erträumen, daſs er
bon-môts erfinden werde. Den reinſten
Charakter wird er mit ſeinem Gifte be-
ſpritzen: in dem weiſen Geſetzgeber wird
er den politiſchen Betrüger, in dem Helden
den haabſüchtigen Eroberer, in dem fried-
fertigen Fürſten den ſchwachen, den trägen,
den Wollüſtling erblicken. Selten wird er
ſich einen Helden erwählen; oder er müſs-
te mit ſeinem Lobe irgend eine vorgeſetzte
Abſicht zu erreichen, irgend einen Vor-
theil für ſein angenommenes Syſtem zu ge-
winnen hoffen. Ueberhaupt ſetzt er den
Charakter ſeiner handelnden Perſonen im
Voraus, und nach einer vollſtändigen
Kenntniſs der Sachen feſte. Dieſer iſt ſei-
ne Form darin das übrige paſſen muſs. Was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0216" n="208"/>
man kann erwarten, da&#x017F;s er die Begeben-<lb/>
heiten &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;einen angenommenen Bewe-<lb/>
gunsgründen gemä&#x017F;s, unvermerkt verän-<lb/>
dern, da&#x017F;s er Situationen erträumen, da&#x017F;s er<lb/>
bon-môts erfinden werde. Den rein&#x017F;ten<lb/>
Charakter wird er mit &#x017F;einem Gifte be-<lb/>
&#x017F;pritzen: in dem wei&#x017F;en Ge&#x017F;etzgeber wird<lb/>
er den politi&#x017F;chen Betrüger, in dem Helden<lb/>
den haab&#x017F;üchtigen Eroberer, in dem fried-<lb/>
fertigen Für&#x017F;ten den &#x017F;chwachen, den trägen,<lb/>
den Wollü&#x017F;tling erblicken. Selten wird er<lb/>
&#x017F;ich einen Helden erwählen; oder er mü&#x017F;s-<lb/>
te mit &#x017F;einem Lobe irgend eine vorge&#x017F;etzte<lb/>
Ab&#x017F;icht zu erreichen, irgend einen Vor-<lb/>
theil für &#x017F;ein angenommenes Sy&#x017F;tem zu ge-<lb/>
winnen hoffen. Ueberhaupt &#x017F;etzt er den<lb/>
Charakter &#x017F;einer handelnden Per&#x017F;onen im<lb/>
Voraus, und nach einer voll&#x017F;tändigen<lb/>
Kenntni&#x017F;s der Sachen fe&#x017F;te. Die&#x017F;er i&#x017F;t &#x017F;ei-<lb/>
ne Form darin das übrige pa&#x017F;&#x017F;en mu&#x017F;s. Was<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0216] man kann erwarten, daſs er die Begeben- heiten ſelbſt, ſeinen angenommenen Bewe- gunsgründen gemäſs, unvermerkt verän- dern, daſs er Situationen erträumen, daſs er bon-môts erfinden werde. Den reinſten Charakter wird er mit ſeinem Gifte be- ſpritzen: in dem weiſen Geſetzgeber wird er den politiſchen Betrüger, in dem Helden den haabſüchtigen Eroberer, in dem fried- fertigen Fürſten den ſchwachen, den trägen, den Wollüſtling erblicken. Selten wird er ſich einen Helden erwählen; oder er müſs- te mit ſeinem Lobe irgend eine vorgeſetzte Abſicht zu erreichen, irgend einen Vor- theil für ſein angenommenes Syſtem zu ge- winnen hoffen. Ueberhaupt ſetzt er den Charakter ſeiner handelnden Perſonen im Voraus, und nach einer vollſtändigen Kenntniſs der Sachen feſte. Dieſer iſt ſei- ne Form darin das übrige paſſen muſs. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/216
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/216>, abgerufen am 23.11.2024.