Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Gränze, wo diese anfängt und jener auf-
hört, nicht mehr zu bemerken im Stande ist.
Und sollte man sich nicht schämen, den gu-
ten Namen seines Mitmenschen, auch nur ein-
mal, auch nur in einer Kleinigkeit, auf eine
leichtsinnige Weise zu behandeln? Wer sagt
uns gut für den Eindruck den unsre Einfälle
machen werden? Sie sollten nur diese be-
stimmte Gesellschaft belustigen, nur diesen Zir-
kel von Freunden zur Unterhaltung dienen.
Wird es aber dabey bleiben? -- Jch zweifle
sehr. Diese aufgeputzte Geschichte ist Morgen
das Mährchen der Stadt. Und sie hat so viel
neue Zusätze erhalten, dass sie nur an einigen
wesentlichen Theilen noch zu erkennen ist.

Kleanth legt in einem gewissen Hause,
wo junge Mädchen sind, öftere Besuche ab.
Diess ist das eigentliche Faktum, das trocke-
ne Skelett der Geschichte. Kleanth muss
Absichten haben. -- Freylich wohl! Die

Gränze, wo dieſe anfängt und jener auf-
hört, nicht mehr zu bemerken im Stande iſt.
Und ſollte man ſich nicht ſchämen, den gu-
ten Namen ſeines Mitmenſchen, auch nur ein-
mal, auch nur in einer Kleinigkeit, auf eine
leichtſinnige Weiſe zu behandeln? Wer ſagt
uns gut für den Eindruck den unſre Einfälle
machen werden? Sie ſollten nur dieſe be-
ſtimmte Geſellſchaft beluſtigen, nur dieſen Zir-
kel von Freunden zur Unterhaltung dienen.
Wird es aber dabey bleiben? — Jch zweifle
ſehr. Dieſe aufgeputzte Geſchichte iſt Morgen
das Mährchen der Stadt. Und ſie hat ſo viel
neue Zuſätze erhalten, daſs ſie nur an einigen
weſentlichen Theilen noch zu erkennen iſt.

Kleanth legt in einem gewiſsen Hauſe,
wo junge Mädchen ſind, öftere Beſuche ab.
Dieſs iſt das eigentliche Faktum, das trocke-
ne Skelett der Geſchichte. Kleanth muſs
Abſichten haben. — Freylich wohl! Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="203"/>
Gränze, wo die&#x017F;e anfängt und jener auf-<lb/>
hört, nicht mehr zu bemerken im Stande i&#x017F;t.<lb/>
Und &#x017F;ollte man &#x017F;ich nicht &#x017F;chämen, den gu-<lb/>
ten Namen &#x017F;eines Mitmen&#x017F;chen, auch nur ein-<lb/>
mal, auch nur in einer Kleinigkeit, auf eine<lb/>
leicht&#x017F;innige Wei&#x017F;e zu behandeln? Wer &#x017F;agt<lb/>
uns gut für den Eindruck den un&#x017F;re Einfälle<lb/>
machen werden? Sie &#x017F;ollten nur die&#x017F;e be-<lb/>
&#x017F;timmte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft belu&#x017F;tigen, nur die&#x017F;en Zir-<lb/>
kel von Freunden zur Unterhaltung dienen.<lb/>
Wird es aber dabey bleiben? &#x2014; Jch zweifle<lb/>
&#x017F;ehr. Die&#x017F;e aufgeputzte Ge&#x017F;chichte i&#x017F;t Morgen<lb/>
das Mährchen der Stadt. Und &#x017F;ie hat &#x017F;o viel<lb/>
neue Zu&#x017F;ätze erhalten, da&#x017F;s &#x017F;ie nur an einigen<lb/>
we&#x017F;entlichen Theilen noch zu erkennen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Kleanth legt in einem gewi&#x017F;sen Hau&#x017F;e,<lb/>
wo junge Mädchen &#x017F;ind, öftere Be&#x017F;uche ab.<lb/>
Die&#x017F;s i&#x017F;t das eigentliche Faktum, das trocke-<lb/>
ne Skelett der Ge&#x017F;chichte. Kleanth mu&#x017F;s<lb/>
Ab&#x017F;ichten haben. &#x2014; Freylich wohl! Die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0211] Gränze, wo dieſe anfängt und jener auf- hört, nicht mehr zu bemerken im Stande iſt. Und ſollte man ſich nicht ſchämen, den gu- ten Namen ſeines Mitmenſchen, auch nur ein- mal, auch nur in einer Kleinigkeit, auf eine leichtſinnige Weiſe zu behandeln? Wer ſagt uns gut für den Eindruck den unſre Einfälle machen werden? Sie ſollten nur dieſe be- ſtimmte Geſellſchaft beluſtigen, nur dieſen Zir- kel von Freunden zur Unterhaltung dienen. Wird es aber dabey bleiben? — Jch zweifle ſehr. Dieſe aufgeputzte Geſchichte iſt Morgen das Mährchen der Stadt. Und ſie hat ſo viel neue Zuſätze erhalten, daſs ſie nur an einigen weſentlichen Theilen noch zu erkennen iſt. Kleanth legt in einem gewiſsen Hauſe, wo junge Mädchen ſind, öftere Beſuche ab. Dieſs iſt das eigentliche Faktum, das trocke- ne Skelett der Geſchichte. Kleanth muſs Abſichten haben. — Freylich wohl! Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/211
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/211>, abgerufen am 06.05.2024.