Das möchte noch hingehn, dass man die guten und bösen Handlungen des andern oh- ne Unterschied erzählt; allein, dass man sie aus schlimmen Absichten entweder selbst herleitet, oder doch dem Dritten Gelegen- heit giebt, sie daraus herleiten zu müssen, das verräth so viel Stolz und Bosheit, dass es nicht zu sagen ist. Unsre Einsichten hierin sind so eingeschränkt, und die Ge- fahr zu irren ist so gross, dass wir, wenn wir uns ja des Urtheilens nicht enthalten könnten; lieber auf eine gute Absicht, so gar auch bey einem ziemlichen Grade der Wahrscheinlichkeit fürs Gegentheil, schlies- sen sollten. Der Erfolg lehrt es, dass man- che, dem Anscheine nach, recht schlimme
Der vierundzwanzigſte Spatziergang.
Das möchte noch hingehn, daſs man die guten und böſen Handlungen des andern oh- ne Unterſchied erzählt; allein, daſs man ſie aus ſchlimmen Abſichten entweder ſelbſt herleitet, oder doch dem Dritten Gelegen- heit giebt, ſie daraus herleiten zu müſsen, das verräth ſo viel Stolz und Bosheit, daſs es nicht zu ſagen iſt. Unſre Einſichten hierin ſind ſo eingeſchränkt, und die Ge- fahr zu irren iſt ſo groſs, daſs wir, wenn wir uns ja des Urtheilens nicht enthalten könnten; lieber auf eine gute Abſicht, ſo gar auch bey einem ziemlichen Grade der Wahrſcheinlichkeit fürs Gegentheil, ſchlieſ- ſen ſollten. Der Erfolg lehrt es, daſs man- che, dem Anſcheine nach, recht ſchlimme
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Der vierundzwanzigſte
Spatziergang.
Das möchte noch hingehn, daſs man die
guten und böſen Handlungen des andern oh-
ne Unterſchied erzählt; allein, daſs man ſie
aus ſchlimmen Abſichten entweder ſelbſt
herleitet, oder doch dem Dritten Gelegen-
heit giebt, ſie daraus herleiten zu müſsen,
das verräth ſo viel Stolz und Bosheit, daſs
es nicht zu ſagen iſt. Unſre Einſichten
hierin ſind ſo eingeſchränkt, und die Ge-
fahr zu irren iſt ſo groſs, daſs wir, wenn
wir uns ja des Urtheilens nicht enthalten
könnten; lieber auf eine gute Abſicht, ſo
gar auch bey einem ziemlichen Grade der
Wahrſcheinlichkeit fürs Gegentheil, ſchlieſ-
ſen ſollten. Der Erfolg lehrt es, daſs man-
che, dem Anſcheine nach, recht ſchlimme
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/209>, abgerufen am 16.02.2025.
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