Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

ihnen nur an Geburt und Stande nicht gleich
kommen, so ist es schon genug, ein kaltes
Kompliment, ein Achselzucken, einen ver-
ächtlichen Seitenblick zu erhalten. Füh-
len sie das Unanständige in diesem Betragen
nicht, Chloe! so suchen sie wenigstens das
Hässliche davon zu Gesichte zu bekommen.
Jhr Spiegel kann es ihnen sagen, wie sehr
sie der Ausdruck dieser menschenfeindli-
chen Leidenschaft verstellt. Sie sehen sich
in diesen Augenblicken nicht mehr ähn-
lich; alle Grazien sind von ihrem, sonst so
reizenden Angesichte entflohen; ihre gan-
ze schöne Gestalt ist verändert; sie sind
ihren Freunden selbst fürchterlich. Wer sie
so zum erstenmale sieht, zittert und danket
seinem Glücke villeicht, dass er mit ihnen
noch keine genauere Verbindung eingegan-
gen ist. Chloe! sie sind ja sonst gegen ih-
re Figur eben nicht gleichgültig. Sie ken-

ihnen nur an Geburt und Stande nicht gleich
kommen, ſo iſt es ſchon genug, ein kaltes
Kompliment, ein Achſelzucken, einen ver-
ächtlichen Seitenblick zu erhalten. Füh-
len ſie das Unanſtändige in dieſem Betragen
nicht, Chloe! ſo ſuchen ſie wenigſtens das
Häſsliche davon zu Geſichte zu bekommen.
Jhr Spiegel kann es ihnen ſagen, wie ſehr
ſie der Ausdruck dieſer menſchenfeindli-
chen Leidenſchaft verſtellt. Sie ſehen ſich
in dieſen Augenblicken nicht mehr ähn-
lich; alle Grazien ſind von ihrem, ſonſt ſo
reizenden Angeſichte entflohen; ihre gan-
ze ſchöne Geſtalt iſt verändert; ſie ſind
ihren Freunden ſelbſt fürchterlich. Wer ſie
ſo zum erſtenmale ſieht, zittert und danket
ſeinem Glücke villeicht, daſs er mit ihnen
noch keine genauere Verbindung eingegan-
gen iſt. Chloe! ſie ſind ja ſonſt gegen ih-
re Figur eben nicht gleichgültig. Sie ken-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="182"/>
ihnen nur an Geburt und Stande nicht gleich<lb/>
kommen, &#x017F;o i&#x017F;t es &#x017F;chon genug, ein kaltes<lb/>
Kompliment, ein Ach&#x017F;elzucken, einen ver-<lb/>
ächtlichen Seitenblick zu erhalten. Füh-<lb/>
len &#x017F;ie das Unan&#x017F;tändige in die&#x017F;em Betragen<lb/>
nicht, Chloe! &#x017F;o &#x017F;uchen &#x017F;ie wenig&#x017F;tens das<lb/>
Hä&#x017F;sliche davon zu Ge&#x017F;ichte zu bekommen.<lb/>
Jhr Spiegel kann es ihnen &#x017F;agen, wie &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;ie der Ausdruck die&#x017F;er men&#x017F;chenfeindli-<lb/>
chen Leiden&#x017F;chaft ver&#x017F;tellt. Sie &#x017F;ehen &#x017F;ich<lb/>
in die&#x017F;en Augenblicken nicht mehr ähn-<lb/>
lich; alle Grazien &#x017F;ind von ihrem, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
reizenden Ange&#x017F;ichte entflohen; ihre gan-<lb/>
ze &#x017F;chöne Ge&#x017F;talt i&#x017F;t verändert; &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
ihren Freunden &#x017F;elb&#x017F;t fürchterlich. Wer &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o zum er&#x017F;tenmale &#x017F;ieht, zittert und danket<lb/>
&#x017F;einem Glücke villeicht, da&#x017F;s er mit ihnen<lb/>
noch keine genauere Verbindung eingegan-<lb/>
gen i&#x017F;t. Chloe! &#x017F;ie &#x017F;ind ja &#x017F;on&#x017F;t gegen ih-<lb/>
re Figur eben nicht gleichgültig. Sie ken-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0190] ihnen nur an Geburt und Stande nicht gleich kommen, ſo iſt es ſchon genug, ein kaltes Kompliment, ein Achſelzucken, einen ver- ächtlichen Seitenblick zu erhalten. Füh- len ſie das Unanſtändige in dieſem Betragen nicht, Chloe! ſo ſuchen ſie wenigſtens das Häſsliche davon zu Geſichte zu bekommen. Jhr Spiegel kann es ihnen ſagen, wie ſehr ſie der Ausdruck dieſer menſchenfeindli- chen Leidenſchaft verſtellt. Sie ſehen ſich in dieſen Augenblicken nicht mehr ähn- lich; alle Grazien ſind von ihrem, ſonſt ſo reizenden Angeſichte entflohen; ihre gan- ze ſchöne Geſtalt iſt verändert; ſie ſind ihren Freunden ſelbſt fürchterlich. Wer ſie ſo zum erſtenmale ſieht, zittert und danket ſeinem Glücke villeicht, daſs er mit ihnen noch keine genauere Verbindung eingegan- gen iſt. Chloe! ſie ſind ja ſonſt gegen ih- re Figur eben nicht gleichgültig. Sie ken-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/190
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/190>, abgerufen am 08.05.2024.