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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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Grunde speise ich den Hungrigen, kleide
den Nackenden, warte den Verwundeten
der unter die Mörder gefallen war, rette
den angefochtnen guten Namen meines Be-
leidigers, erhöhe die Freuden des Glückli-
chen, erleichtre dem Sklaven die Kette und
dem Kranken Bekümmerten seine Schmer-
zen; aus Einem Grunde erbarm' ich mich
einer jeden leidenden Kreatur und des Bö-
sewichts selbst, der nun doch einmal un-
glücklich und mein Bruder ist. Jede
menschliche Brust enthält den Keim dieses
wohlthätigen Hanges. Er ist, wenn ich
mich dieser Sprache bedienen darf; der edle
Ueberrest des göttlichen Ebenbildes in uns,
der nicht verloren gegangen ist. Wir wür-
den ihn sogar nicht durch eine fortgesetzte
Reihe menschenfeindlicher Handlungen auf
immer ersticken können: warum wollen
wir nicht lieber die angelegentlichste Sorg-

Grunde ſpeiſe ich den Hungrigen, kleide
den Nackenden, warte den Verwundeten
der unter die Mörder gefallen war, rette
den angefochtnen guten Namen meines Be-
leidigers, erhöhe die Freuden des Glückli-
chen, erleichtre dem Sklaven die Kette und
dem Kranken Bekümmerten ſeine Schmer-
zen; aus Einem Grunde erbarm’ ich mich
einer jeden leidenden Kreatur und des Bö-
ſewichts ſelbſt, der nun doch einmal un-
glücklich und mein Bruder iſt. Jede
menſchliche Bruſt enthält den Keim dieſes
wohlthätigen Hanges. Er iſt, wenn ich
mich dieſer Sprache bedienen darf; der edle
Ueberreſt des göttlichen Ebenbildes in uns,
der nicht verloren gegangen iſt. Wir wür-
den ihn ſogar nicht durch eine fortgeſetzte
Reihe menſchenfeindlicher Handlungen auf
immer erſticken können: warum wollen
wir nicht lieber die angelegentlichſte Sorg-

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[121/0129] Grunde ſpeiſe ich den Hungrigen, kleide den Nackenden, warte den Verwundeten der unter die Mörder gefallen war, rette den angefochtnen guten Namen meines Be- leidigers, erhöhe die Freuden des Glückli- chen, erleichtre dem Sklaven die Kette und dem Kranken Bekümmerten ſeine Schmer- zen; aus Einem Grunde erbarm’ ich mich einer jeden leidenden Kreatur und des Bö- ſewichts ſelbſt, der nun doch einmal un- glücklich und mein Bruder iſt. Jede menſchliche Bruſt enthält den Keim dieſes wohlthätigen Hanges. Er iſt, wenn ich mich dieſer Sprache bedienen darf; der edle Ueberreſt des göttlichen Ebenbildes in uns, der nicht verloren gegangen iſt. Wir wür- den ihn ſogar nicht durch eine fortgeſetzte Reihe menſchenfeindlicher Handlungen auf immer erſticken können: warum wollen wir nicht lieber die angelegentlichſte Sorg-

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/129>, abgerufen am 24.11.2024.