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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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Und was wär' ich sonder ihn, diesen süssen,
diesen beruhigenden Gedanken? Was wäre
mein Leben anders, als die mitternächtliche
Reise eines Wandrers in einem unwegsamen
Gebirge? Jhm drohen tausend Tode; hier
ein reissender Waldstrom, dort die krachen-
de Eiche, die der Wintersturm spaltete;
hier ein abhängiger Fels und dort eine Mör-
dergrube. Er wird der Gefahr nicht ent-
gehen, er wird einer Höhe durch einen
Fehltritt entstürzen und von spitzen Felsen
durchbohrt werden. Aber er ist es, der
göttliche Gedanke, der diese Finsternisse
zerstreut und ein angenehmes Licht über
meine Tage verbreitet. Er ist es, der der
tobenden Woge gebietet in ihr Bette zu-
rükzukehren, der den Stürmen winkt, zu
schweigen und den Blitzen, zu verschwin-
den. Nun flieht die Nacht; die Donner
rollen nur noch von ferne; die Wellen brül-

Und was wär’ ich ſonder ihn, dieſen ſüſsen,
dieſen beruhigenden Gedanken? Was wäre
mein Leben anders, als die mitternächtliche
Reiſe eines Wandrers in einem unwegſamen
Gebirge? Jhm drohen tauſend Tode; hier
ein reiſsender Waldſtrom, dort die krachen-
de Eiche, die der Winterſturm ſpaltete;
hier ein abhängiger Fels und dort eine Mör-
dergrube. Er wird der Gefahr nicht ent-
gehen, er wird einer Höhe durch einen
Fehltritt entſtürzen und von ſpitzen Felſen
durchbohrt werden. Aber er iſt es, der
göttliche Gedanke, der dieſe Finſterniſse
zerſtreut und ein angenehmes Licht über
meine Tage verbreitet. Er iſt es, der der
tobenden Woge gebietet in ihr Bette zu-
rükzukehren, der den Stürmen winkt, zu
ſchweigen und den Blitzen, zu verſchwin-
den. Nun flieht die Nacht; die Donner
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[113/0121] Und was wär’ ich ſonder ihn, dieſen ſüſsen, dieſen beruhigenden Gedanken? Was wäre mein Leben anders, als die mitternächtliche Reiſe eines Wandrers in einem unwegſamen Gebirge? Jhm drohen tauſend Tode; hier ein reiſsender Waldſtrom, dort die krachen- de Eiche, die der Winterſturm ſpaltete; hier ein abhängiger Fels und dort eine Mör- dergrube. Er wird der Gefahr nicht ent- gehen, er wird einer Höhe durch einen Fehltritt entſtürzen und von ſpitzen Felſen durchbohrt werden. Aber er iſt es, der göttliche Gedanke, der dieſe Finſterniſse zerſtreut und ein angenehmes Licht über meine Tage verbreitet. Er iſt es, der der tobenden Woge gebietet in ihr Bette zu- rükzukehren, der den Stürmen winkt, zu ſchweigen und den Blitzen, zu verſchwin- den. Nun flieht die Nacht; die Donner rollen nur noch von ferne; die Wellen brül-

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/121>, abgerufen am 05.05.2024.