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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Möglichkeiten der Lösung bei Herzogthümerfrage.
meine Aeußerung. Der Geh. Rath Costenoble, der die Protokolle
zu führen hatte, sagte, von mir zur Rede gestellt, der König hätte
gemeint, es würde nur lieber sein, wenn meine Auslassungen nicht
protokollarisch festgelegt würden; Seine Majestät schien geglaubt
zu haben, daß ich unter bacchischen Eindrücken eines Frühstücks ge¬
sprochen hätte und froh sein würde, nichts weiter davon zu hören.
Ich bestand aber auf der Einschaltung, die auch erfolgte. Der
Kronprinz hatte, während ich sprach, die Hände zum Himmel er¬
hoben, als wenn er an meinen gesunden Sinnen zweifelte; meine
Collegen verhielten sich schweigend.

Wäre das höchste Ziel nicht zu erreichen gewesen, so konnten
wir trotz aller Augustenburgischen Verzichtleistungen auf die Ein¬
setzung dieser Dynastie und die Herstellung eines neuen Mittelstaates
eingehn, wenn die preußischen und deutsch-nationalen Interessen
sichergestellt wurden, die durch das Wesentliche der nachmaligen
Februarbedingungen, Militärconvention, Kiel als Bundeshafen und
den Nord-Ostsee-Canal, gedeckt waren.

Wäre auch das nach der europäischen Situation und nach dem
Willen des Königs nicht zu erreichen gewesen ohne Isolirung Preußens
von allen Großmächten einschließlich Oestreichs, so stand zur Frage,
auf welchem Wege für die Herzogthümer, sei es in Form der
Personalunion oder in einer andern, ein vorläufiger Abschluß er¬
reichbar bliebe, der immerhin eine Verbesserung der Lage der
Herzogthümer hätte sein müssen. Ich habe von Anfang an die
Annexion unverrückt im Auge behalten, ohne die andern Abstufungen
aus dem Gesichtsfelde zu verlieren. Als die Situation, welche ich
absolut glaubte vermeiden zu müssen, betrachtete ich diejenige, welche
in der öffentlichen Meinung von unsern Gegnern als Programm
aufgestellt war, d. h. den Kampf und Krieg Preußens für die Errich¬
tung eines neuen Großherzogthums, durchzufechten an der Spitze der
Zeitungen, der Vereine, der Freischaaren und der Bundesstaaten
außer Oestreich, und ohne die Sicherheit, daß die Bundesregirungen
die Sache auf jede Gefahr hin durchführen würden. Dabei hatte die

Möglichkeiten der Löſung bei Herzogthümerfrage.
meine Aeußerung. Der Geh. Rath Coſtenoble, der die Protokolle
zu führen hatte, ſagte, von mir zur Rede geſtellt, der König hätte
gemeint, es würde nur lieber ſein, wenn meine Auslaſſungen nicht
protokollariſch feſtgelegt würden; Seine Majeſtät ſchien geglaubt
zu haben, daß ich unter bacchiſchen Eindrücken eines Frühſtücks ge¬
ſprochen hätte und froh ſein würde, nichts weiter davon zu hören.
Ich beſtand aber auf der Einſchaltung, die auch erfolgte. Der
Kronprinz hatte, während ich ſprach, die Hände zum Himmel er¬
hoben, als wenn er an meinen geſunden Sinnen zweifelte; meine
Collegen verhielten ſich ſchweigend.

Wäre das höchſte Ziel nicht zu erreichen geweſen, ſo konnten
wir trotz aller Auguſtenburgiſchen Verzichtleiſtungen auf die Ein¬
ſetzung dieſer Dynaſtie und die Herſtellung eines neuen Mittelſtaates
eingehn, wenn die preußiſchen und deutſch-nationalen Intereſſen
ſichergeſtellt wurden, die durch das Weſentliche der nachmaligen
Februarbedingungen, Militärconvention, Kiel als Bundeshafen und
den Nord-Oſtſee-Canal, gedeckt waren.

Wäre auch das nach der europäiſchen Situation und nach dem
Willen des Königs nicht zu erreichen geweſen ohne Iſolirung Preußens
von allen Großmächten einſchließlich Oeſtreichs, ſo ſtand zur Frage,
auf welchem Wege für die Herzogthümer, ſei es in Form der
Perſonalunion oder in einer andern, ein vorläufiger Abſchluß er¬
reichbar bliebe, der immerhin eine Verbeſſerung der Lage der
Herzogthümer hätte ſein müſſen. Ich habe von Anfang an die
Annexion unverrückt im Auge behalten, ohne die andern Abſtufungen
aus dem Geſichtsfelde zu verlieren. Als die Situation, welche ich
abſolut glaubte vermeiden zu müſſen, betrachtete ich diejenige, welche
in der öffentlichen Meinung von unſern Gegnern als Programm
aufgeſtellt war, d. h. den Kampf und Krieg Preußens für die Errich¬
tung eines neuen Großherzogthums, durchzufechten an der Spitze der
Zeitungen, der Vereine, der Freiſchaaren und der Bundesſtaaten
außer Oeſtreich, und ohne die Sicherheit, daß die Bundesregirungen
die Sache auf jede Gefahr hin durchführen würden. Dabei hatte die

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[9/0033] Möglichkeiten der Löſung bei Herzogthümerfrage. meine Aeußerung. Der Geh. Rath Coſtenoble, der die Protokolle zu führen hatte, ſagte, von mir zur Rede geſtellt, der König hätte gemeint, es würde nur lieber ſein, wenn meine Auslaſſungen nicht protokollariſch feſtgelegt würden; Seine Majeſtät ſchien geglaubt zu haben, daß ich unter bacchiſchen Eindrücken eines Frühſtücks ge¬ ſprochen hätte und froh ſein würde, nichts weiter davon zu hören. Ich beſtand aber auf der Einſchaltung, die auch erfolgte. Der Kronprinz hatte, während ich ſprach, die Hände zum Himmel er¬ hoben, als wenn er an meinen geſunden Sinnen zweifelte; meine Collegen verhielten ſich ſchweigend. Wäre das höchſte Ziel nicht zu erreichen geweſen, ſo konnten wir trotz aller Auguſtenburgiſchen Verzichtleiſtungen auf die Ein¬ ſetzung dieſer Dynaſtie und die Herſtellung eines neuen Mittelſtaates eingehn, wenn die preußiſchen und deutſch-nationalen Intereſſen ſichergeſtellt wurden, die durch das Weſentliche der nachmaligen Februarbedingungen, Militärconvention, Kiel als Bundeshafen und den Nord-Oſtſee-Canal, gedeckt waren. Wäre auch das nach der europäiſchen Situation und nach dem Willen des Königs nicht zu erreichen geweſen ohne Iſolirung Preußens von allen Großmächten einſchließlich Oeſtreichs, ſo ſtand zur Frage, auf welchem Wege für die Herzogthümer, ſei es in Form der Perſonalunion oder in einer andern, ein vorläufiger Abſchluß er¬ reichbar bliebe, der immerhin eine Verbeſſerung der Lage der Herzogthümer hätte ſein müſſen. Ich habe von Anfang an die Annexion unverrückt im Auge behalten, ohne die andern Abſtufungen aus dem Geſichtsfelde zu verlieren. Als die Situation, welche ich abſolut glaubte vermeiden zu müſſen, betrachtete ich diejenige, welche in der öffentlichen Meinung von unſern Gegnern als Programm aufgeſtellt war, d. h. den Kampf und Krieg Preußens für die Errich¬ tung eines neuen Großherzogthums, durchzufechten an der Spitze der Zeitungen, der Vereine, der Freiſchaaren und der Bundesſtaaten außer Oeſtreich, und ohne die Sicherheit, daß die Bundesregirungen die Sache auf jede Gefahr hin durchführen würden. Dabei hatte die

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/33>, abgerufen am 27.04.2024.