Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Differenz mit Graf B. Eulenburg.
meine weitern Anträge im Bundesrathe im Hinblick auf die ordent¬
liche Reichstagssession im Winter zu stellen.
v. Bismarck."

"Berlin, den 18. August 1878.

Eure Durchlaucht
haben den Geheimen Regierungsrath Tiedemann beauftragt, mir
und dem Geheimen Rath Hahn Ihr Bedauern darüber auszusprechen,
daß der Entwurf des Socialistengesetzes in der Provinzial-Corre¬
spondenz amtlich publicirt worden ist, ehe er im Bundesrath vor¬
gelegt war. Den Geheimen Rath Hahn trifft hierbei keine Ver¬
antwortlichkeit, da er nicht ohne meine Zustimmung gehandelt hat.
Letztere habe ich erst ertheilt, nachdem Abends zuvor die den
Entwurf enthaltende Drucksache des Bundesraths ohne besondere
Anempfehlung discreter Behandlung ausgegeben und mir Seitens
des Herrn Präsidenten des Reichskanzleramts mitgetheilt worden
war, daß unter diesen Umständen die Veröffentlichung des Ent¬
wurfs durch die Zeitungen am folgenden, also an demselben Tage,
an welchem die Provinzial-Correspondenz erschien, mit Sicherheit
zu erwarten sei, eine Annahme, welche sich demnächst als völlig
zutreffend erwiesen hat. Die Sitzung des Bundesraths fand am
14. d. M. Nachmittags 2 Uhr statt, die Provinzial-Correspondenz
wurde an demselben Tage Nachmittags ausgegeben; die Mittheilung
des Inhalts des Gesetzentwurfs in derselben hat also nicht früher
stattgefunden, als die Vorlegung des Entwurfs im Bundesrathe.

Ob es dennoch besser gewesen wäre, jene Mittheilung in der
Provinzial-Correspondenz zu unterlassen, habe ich nicht die Absicht
weiter zu erörtern. Ew. Durchlaucht erleuchtetes Urtheil zu ver¬
nehmen, wird mir stets von hohem Werthe sein, auch wenn dasselbe
von dem meinigen abweicht. Dagegen kann ich es nicht stillschwei¬
gend hinnehmen, daß Ew. Durchlaucht Ihr Mißfallen mir durch
Einen Ihrer Untergebenen haben eröffnen und die darin liegende
Mißachtung meiner Stellung um so schärfer haben hervortreten

Differenz mit Graf B. Eulenburg.
meine weitern Anträge im Bundesrathe im Hinblick auf die ordent¬
liche Reichstagsſeſſion im Winter zu ſtellen.
v. Bismarck.“

„Berlin, den 18. Auguſt 1878.

Eure Durchlaucht
haben den Geheimen Regierungsrath Tiedemann beauftragt, mir
und dem Geheimen Rath Hahn Ihr Bedauern darüber auszuſprechen,
daß der Entwurf des Socialiſtengeſetzes in der Provinzial-Corre¬
ſpondenz amtlich publicirt worden iſt, ehe er im Bundesrath vor¬
gelegt war. Den Geheimen Rath Hahn trifft hierbei keine Ver¬
antwortlichkeit, da er nicht ohne meine Zuſtimmung gehandelt hat.
Letztere habe ich erſt ertheilt, nachdem Abends zuvor die den
Entwurf enthaltende Druckſache des Bundesraths ohne beſondere
Anempfehlung discreter Behandlung ausgegeben und mir Seitens
des Herrn Präſidenten des Reichskanzleramts mitgetheilt worden
war, daß unter dieſen Umſtänden die Veröffentlichung des Ent¬
wurfs durch die Zeitungen am folgenden, alſo an demſelben Tage,
an welchem die Provinzial-Correſpondenz erſchien, mit Sicherheit
zu erwarten ſei, eine Annahme, welche ſich demnächſt als völlig
zutreffend erwieſen hat. Die Sitzung des Bundesraths fand am
14. d. M. Nachmittags 2 Uhr ſtatt, die Provinzial-Correſpondenz
wurde an demſelben Tage Nachmittags ausgegeben; die Mittheilung
des Inhalts des Geſetzentwurfs in derſelben hat alſo nicht früher
ſtattgefunden, als die Vorlegung des Entwurfs im Bundesrathe.

Ob es dennoch beſſer geweſen wäre, jene Mittheilung in der
Provinzial-Correſpondenz zu unterlaſſen, habe ich nicht die Abſicht
weiter zu erörtern. Ew. Durchlaucht erleuchtetes Urtheil zu ver¬
nehmen, wird mir ſtets von hohem Werthe ſein, auch wenn daſſelbe
von dem meinigen abweicht. Dagegen kann ich es nicht ſtillſchwei¬
gend hinnehmen, daß Ew. Durchlaucht Ihr Mißfallen mir durch
Einen Ihrer Untergebenen haben eröffnen und die darin liegende
Mißachtung meiner Stellung um ſo ſchärfer haben hervortreten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0215" n="191"/><fw place="top" type="header">Differenz mit Graf B. Eulenburg.<lb/></fw>meine weitern Anträge im Bundesrathe im Hinblick auf die ordent¬<lb/>
liche Reichstags&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ion im Winter zu &#x017F;tellen.<lb/><hi rendition="#right">v. Bismarck.&#x201C;</hi></p><lb/>
          <p> <hi rendition="#right">&#x201E;Berlin, den 18. Augu&#x017F;t 1878.</hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#c">Eure Durchlaucht</hi><lb/>
haben den Geheimen Regierungsrath Tiedemann beauftragt, mir<lb/>
und dem Geheimen Rath Hahn Ihr Bedauern darüber auszu&#x017F;prechen,<lb/>
daß der Entwurf des Sociali&#x017F;tenge&#x017F;etzes in der Provinzial-Corre¬<lb/>
&#x017F;pondenz amtlich publicirt worden i&#x017F;t, ehe er im Bundesrath vor¬<lb/>
gelegt war. Den Geheimen Rath Hahn trifft hierbei keine Ver¬<lb/>
antwortlichkeit, da er nicht ohne meine Zu&#x017F;timmung gehandelt hat.<lb/>
Letztere habe ich er&#x017F;t ertheilt, nachdem Abends zuvor die den<lb/>
Entwurf enthaltende Druck&#x017F;ache des Bundesraths ohne be&#x017F;ondere<lb/>
Anempfehlung discreter Behandlung ausgegeben und mir Seitens<lb/>
des Herrn Prä&#x017F;identen des Reichskanzleramts mitgetheilt worden<lb/>
war, daß unter die&#x017F;en Um&#x017F;tänden die Veröffentlichung des Ent¬<lb/>
wurfs durch die Zeitungen am folgenden, al&#x017F;o an dem&#x017F;elben Tage,<lb/>
an welchem die Provinzial-Corre&#x017F;pondenz er&#x017F;chien, mit Sicherheit<lb/>
zu erwarten &#x017F;ei, eine Annahme, welche &#x017F;ich demnäch&#x017F;t als völlig<lb/>
zutreffend erwie&#x017F;en hat. Die Sitzung des Bundesraths fand am<lb/>
14. d. M. Nachmittags 2 Uhr &#x017F;tatt, die Provinzial-Corre&#x017F;pondenz<lb/>
wurde an dem&#x017F;elben Tage Nachmittags ausgegeben; die Mittheilung<lb/>
des Inhalts des Ge&#x017F;etzentwurfs in der&#x017F;elben hat al&#x017F;o nicht früher<lb/>
&#x017F;tattgefunden, als die Vorlegung des Entwurfs im Bundesrathe.</p><lb/>
          <p>Ob es dennoch be&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en wäre, jene Mittheilung in der<lb/>
Provinzial-Corre&#x017F;pondenz zu unterla&#x017F;&#x017F;en, habe ich nicht die Ab&#x017F;icht<lb/>
weiter zu erörtern. Ew. Durchlaucht erleuchtetes Urtheil zu ver¬<lb/>
nehmen, wird mir &#x017F;tets von hohem Werthe &#x017F;ein, auch wenn da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
von dem meinigen abweicht. Dagegen kann ich es nicht &#x017F;till&#x017F;chwei¬<lb/>
gend hinnehmen, daß Ew. Durchlaucht Ihr Mißfallen mir durch<lb/>
Einen Ihrer Untergebenen haben eröffnen und die darin liegende<lb/>
Mißachtung meiner Stellung um &#x017F;o &#x017F;chärfer haben hervortreten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0215] Differenz mit Graf B. Eulenburg. meine weitern Anträge im Bundesrathe im Hinblick auf die ordent¬ liche Reichstagsſeſſion im Winter zu ſtellen. v. Bismarck.“ „Berlin, den 18. Auguſt 1878. Eure Durchlaucht haben den Geheimen Regierungsrath Tiedemann beauftragt, mir und dem Geheimen Rath Hahn Ihr Bedauern darüber auszuſprechen, daß der Entwurf des Socialiſtengeſetzes in der Provinzial-Corre¬ ſpondenz amtlich publicirt worden iſt, ehe er im Bundesrath vor¬ gelegt war. Den Geheimen Rath Hahn trifft hierbei keine Ver¬ antwortlichkeit, da er nicht ohne meine Zuſtimmung gehandelt hat. Letztere habe ich erſt ertheilt, nachdem Abends zuvor die den Entwurf enthaltende Druckſache des Bundesraths ohne beſondere Anempfehlung discreter Behandlung ausgegeben und mir Seitens des Herrn Präſidenten des Reichskanzleramts mitgetheilt worden war, daß unter dieſen Umſtänden die Veröffentlichung des Ent¬ wurfs durch die Zeitungen am folgenden, alſo an demſelben Tage, an welchem die Provinzial-Correſpondenz erſchien, mit Sicherheit zu erwarten ſei, eine Annahme, welche ſich demnächſt als völlig zutreffend erwieſen hat. Die Sitzung des Bundesraths fand am 14. d. M. Nachmittags 2 Uhr ſtatt, die Provinzial-Correſpondenz wurde an demſelben Tage Nachmittags ausgegeben; die Mittheilung des Inhalts des Geſetzentwurfs in derſelben hat alſo nicht früher ſtattgefunden, als die Vorlegung des Entwurfs im Bundesrathe. Ob es dennoch beſſer geweſen wäre, jene Mittheilung in der Provinzial-Correſpondenz zu unterlaſſen, habe ich nicht die Abſicht weiter zu erörtern. Ew. Durchlaucht erleuchtetes Urtheil zu ver¬ nehmen, wird mir ſtets von hohem Werthe ſein, auch wenn daſſelbe von dem meinigen abweicht. Dagegen kann ich es nicht ſtillſchwei¬ gend hinnehmen, daß Ew. Durchlaucht Ihr Mißfallen mir durch Einen Ihrer Untergebenen haben eröffnen und die darin liegende Mißachtung meiner Stellung um ſo ſchärfer haben hervortreten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/215
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/215>, abgerufen am 09.05.2024.