Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen. gegenüber Bundesgenossen finden würden, ließ sich nicht sicher vor¬aussehn; jedenfalls hätte es in der Willkür Rußlands gestanden, die östreichisch-französische Freundschaft durch seinen Zutritt zu einer übermächtigen Coalition auszubilden, wie im siebenjährigen Kriege, oder uns doch unter dem diplomatischen Drucke dieser Mög¬ lichkeit in Abhängigkeit zu erhalten. Mit der Herstellung einer katholisirenden Monarchie in Frank¬ 1) S. Bd. I 121 f. *) Derselbe, wahrscheinlich von Gontaut an Ihre Majestät empfohlen,
unterhielt einen lebhaften Briefwechsel mit Gambetta, der nach des Letztern Tode in die Hände von Madame Adam gerieth und als hauptsächliches Material für die Schrift La Societe de Berlin gedient hat. Nach Paris zurückgekehrt, wurde Gerard eine Zeit lang Leiter der officiösen Presse, dann Legationssekretär in Madrid, Geschäftsträger in Rom und 1890 Gesandter in Montenegro. Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen. gegenüber Bundesgenoſſen finden würden, ließ ſich nicht ſicher vor¬ausſehn; jedenfalls hätte es in der Willkür Rußlands geſtanden, die öſtreichiſch-franzöſiſche Freundſchaft durch ſeinen Zutritt zu einer übermächtigen Coalition auszubilden, wie im ſiebenjährigen Kriege, oder uns doch unter dem diplomatiſchen Drucke dieſer Mög¬ lichkeit in Abhängigkeit zu erhalten. Mit der Herſtellung einer katholiſirenden Monarchie in Frank¬ 1) S. Bd. I 121 f. *) Derſelbe, wahrſcheinlich von Gontaut an Ihre Majeſtät empfohlen,
unterhielt einen lebhaften Briefwechſel mit Gambetta, der nach des Letztern Tode in die Hände von Madame Adám gerieth und als hauptſächliches Material für die Schrift La Société de Berlin gedient hat. Nach Paris zurückgekehrt, wurde Gérard eine Zeit lang Leiter der officiöſen Preſſe, dann Legationsſekretär in Madrid, Geſchäftsträger in Rom und 1890 Geſandter in Montenegro. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0194" n="170"/><fw place="top" type="header">Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen.<lb/></fw>gegenüber Bundesgenoſſen finden würden, ließ ſich nicht ſicher vor¬<lb/> ausſehn; jedenfalls hätte es in der Willkür Rußlands geſtanden,<lb/> die öſtreichiſch-franzöſiſche Freundſchaft durch ſeinen Zutritt zu<lb/> einer übermächtigen Coalition auszubilden, wie im ſiebenjährigen<lb/> Kriege, oder uns doch unter dem diplomatiſchen Drucke dieſer Mög¬<lb/> lichkeit in Abhängigkeit zu erhalten.</p><lb/> <p>Mit der Herſtellung einer katholiſirenden Monarchie in Frank¬<lb/> reich wäre die Verſuchung, gemeinſchaftlich mit Oeſtreich Revanche<lb/> zu nehmen, erheblich näher getreten. Ich hielt es deshalb dem<lb/> Intereſſe Deutſchlands und des Friedens widerſprechend, die Reſtau¬<lb/> ration des Königthums in Frankreich zu fördern, und gerieth in<lb/> Gegnerſchaft zu den Vertretern dieſer Idee. Dieſer Gegenſatz ſpitzte<lb/> ſich perſönlich zu gegenüber dem damaligen franzöſiſchen Botſchafter<lb/> Gontaut-Biron und unſerm damaligen Botſchafter in Paris, Grafen<lb/> Harry Arnim. Der Erſtre war im Sinne der Partei thätig, der<lb/> er von Natur angehörte, der legitimiſtiſch-katholiſchen; der Letztre<lb/> aber ſpeculirte auf die legitimiſtiſchen Sympathien des Kaiſers, um<lb/> meine Politik zu discreditiren und mein Nachfolger zu werden.<lb/> Gontaut, ein geſchickter und liebenswürdiger Diplomat aus alter<lb/> Familie, fand bei der Kaiſerin Auguſta Anknüpfungspunkte einer¬<lb/> ſeits in deren Vorliebe für katholiſche Elemente in und neben dem<lb/> Centrum, mit denen die Regirung im Kampfe ſtand, andrerſeits<lb/> in ſeiner Eigenſchaft als Franzoſe, die in den Jugenderinnerungen<lb/> der Kaiſerin aus der Zeit ohne Eiſenbahnen an deutſchen Höfen<lb/> faſt in gleichem Maße wie die Eigenſchaft des Engländers zur Em¬<lb/> pfehlung diente<note place="foot" n="1)">S. Bd. <hi rendition="#aq">I</hi> 121 f.</note>. Ihre Majeſtät hatte franzöſiſch ſprechende Diener,<lb/> ihr franzöſiſcher Vorleſer G<hi rendition="#aq">é</hi>rard<note place="foot" n="*)">Derſelbe, wahrſcheinlich von Gontaut an Ihre Majeſtät empfohlen,<lb/> unterhielt einen lebhaften Briefwechſel mit Gambetta, der nach des Letztern<lb/> Tode in die Hände von Madame Ad<hi rendition="#aq">á</hi>m gerieth und als hauptſächliches Material<lb/> für die Schrift <hi rendition="#aq">La Société de Berlin</hi> gedient hat. Nach Paris zurückgekehrt,<lb/> wurde G<hi rendition="#aq">é</hi>rard eine Zeit lang Leiter der officiöſen Preſſe, dann Legationsſekretär<lb/> in Madrid, Geſchäftsträger in Rom und 1890 Geſandter in Montenegro.</note> fand Eingang in die Kaiſerliche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0194]
Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen.
gegenüber Bundesgenoſſen finden würden, ließ ſich nicht ſicher vor¬
ausſehn; jedenfalls hätte es in der Willkür Rußlands geſtanden,
die öſtreichiſch-franzöſiſche Freundſchaft durch ſeinen Zutritt zu
einer übermächtigen Coalition auszubilden, wie im ſiebenjährigen
Kriege, oder uns doch unter dem diplomatiſchen Drucke dieſer Mög¬
lichkeit in Abhängigkeit zu erhalten.
Mit der Herſtellung einer katholiſirenden Monarchie in Frank¬
reich wäre die Verſuchung, gemeinſchaftlich mit Oeſtreich Revanche
zu nehmen, erheblich näher getreten. Ich hielt es deshalb dem
Intereſſe Deutſchlands und des Friedens widerſprechend, die Reſtau¬
ration des Königthums in Frankreich zu fördern, und gerieth in
Gegnerſchaft zu den Vertretern dieſer Idee. Dieſer Gegenſatz ſpitzte
ſich perſönlich zu gegenüber dem damaligen franzöſiſchen Botſchafter
Gontaut-Biron und unſerm damaligen Botſchafter in Paris, Grafen
Harry Arnim. Der Erſtre war im Sinne der Partei thätig, der
er von Natur angehörte, der legitimiſtiſch-katholiſchen; der Letztre
aber ſpeculirte auf die legitimiſtiſchen Sympathien des Kaiſers, um
meine Politik zu discreditiren und mein Nachfolger zu werden.
Gontaut, ein geſchickter und liebenswürdiger Diplomat aus alter
Familie, fand bei der Kaiſerin Auguſta Anknüpfungspunkte einer¬
ſeits in deren Vorliebe für katholiſche Elemente in und neben dem
Centrum, mit denen die Regirung im Kampfe ſtand, andrerſeits
in ſeiner Eigenſchaft als Franzoſe, die in den Jugenderinnerungen
der Kaiſerin aus der Zeit ohne Eiſenbahnen an deutſchen Höfen
faſt in gleichem Maße wie die Eigenſchaft des Engländers zur Em¬
pfehlung diente 1). Ihre Majeſtät hatte franzöſiſch ſprechende Diener,
ihr franzöſiſcher Vorleſer Gérard *) fand Eingang in die Kaiſerliche
1) S. Bd. I 121 f.
*) Derſelbe, wahrſcheinlich von Gontaut an Ihre Majeſtät empfohlen,
unterhielt einen lebhaften Briefwechſel mit Gambetta, der nach des Letztern
Tode in die Hände von Madame Adám gerieth und als hauptſächliches Material
für die Schrift La Société de Berlin gedient hat. Nach Paris zurückgekehrt,
wurde Gérard eine Zeit lang Leiter der officiöſen Preſſe, dann Legationsſekretär
in Madrid, Geſchäftsträger in Rom und 1890 Geſandter in Montenegro.
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