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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Herrschaft der Fractionsführer. Die "Reichsglocke" am Hofe.

In der Zeit der Declaranten wurde die antiministerielle Strö¬
mung, das heißt die Mißgunst, mit der ich von vielen meiner
Standesgenossen betrachtet und behandelt wurde, lebhaft gefördert
durch starke Einflüsse am Hofe. Der Kaiser hat mir seine Gnade
und seine Unterstützung in Geschäften niemals versagt; das hinderte
den Herrn aber nicht, die "Reichsglocke" täglich zu lesen. Dieses
nur von der Verleumdung gegen mich lebende Blatt wurde im
Königlichen Hausministerium für unsern und andre Höfe in 13 Exem¬
plaren colportirt und hatte seine Mitarbeiter nicht nur im katholischen,
sondern auch im evangelischen Hof- und Landesadel. Die Kaiserin
Augusta ließ mich ihre Ungnade andauernd fühlen, und ihre un¬
mittelbaren Untergebenen, die höchsten Beamten des Hofes, gingen
in ihrem Mangel an Formen so weit, daß ich zu schriftlichen Be¬
schwerden bei Sr. Majestät selbst veranlaßt wurde. Diese hatten
den Erfolg, daß wenigstens die äußern Formen mir gegenüber
nicht mehr vernachlässigt wurden. -- Minister Falk wurde dem¬
nächst durch dergleichen höfische Unfreundlichkeiten gegen ihn und
seine Frau mehr als durch sachliche Schwierigkeiten seiner Stellung
überdrüssig1).


1) S. o. S. 131 f.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 11
Herrſchaft der Fractionsführer. Die „Reichsglocke“ am Hofe.

In der Zeit der Declaranten wurde die antiminiſterielle Strö¬
mung, das heißt die Mißgunſt, mit der ich von vielen meiner
Standesgenoſſen betrachtet und behandelt wurde, lebhaft gefördert
durch ſtarke Einflüſſe am Hofe. Der Kaiſer hat mir ſeine Gnade
und ſeine Unterſtützung in Geſchäften niemals verſagt; das hinderte
den Herrn aber nicht, die „Reichsglocke“ täglich zu leſen. Dieſes
nur von der Verleumdung gegen mich lebende Blatt wurde im
Königlichen Hausminiſterium für unſern und andre Höfe in 13 Exem¬
plaren colportirt und hatte ſeine Mitarbeiter nicht nur im katholiſchen,
ſondern auch im evangeliſchen Hof- und Landesadel. Die Kaiſerin
Auguſta ließ mich ihre Ungnade andauernd fühlen, und ihre un¬
mittelbaren Untergebenen, die höchſten Beamten des Hofes, gingen
in ihrem Mangel an Formen ſo weit, daß ich zu ſchriftlichen Be¬
ſchwerden bei Sr. Majeſtät ſelbſt veranlaßt wurde. Dieſe hatten
den Erfolg, daß wenigſtens die äußern Formen mir gegenüber
nicht mehr vernachläſſigt wurden. — Miniſter Falk wurde dem¬
nächſt durch dergleichen höfiſche Unfreundlichkeiten gegen ihn und
ſeine Frau mehr als durch ſachliche Schwierigkeiten ſeiner Stellung
überdrüſſig1).


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[161/0185] Herrſchaft der Fractionsführer. Die „Reichsglocke“ am Hofe. In der Zeit der Declaranten wurde die antiminiſterielle Strö¬ mung, das heißt die Mißgunſt, mit der ich von vielen meiner Standesgenoſſen betrachtet und behandelt wurde, lebhaft gefördert durch ſtarke Einflüſſe am Hofe. Der Kaiſer hat mir ſeine Gnade und ſeine Unterſtützung in Geſchäften niemals verſagt; das hinderte den Herrn aber nicht, die „Reichsglocke“ täglich zu leſen. Dieſes nur von der Verleumdung gegen mich lebende Blatt wurde im Königlichen Hausminiſterium für unſern und andre Höfe in 13 Exem¬ plaren colportirt und hatte ſeine Mitarbeiter nicht nur im katholiſchen, ſondern auch im evangeliſchen Hof- und Landesadel. Die Kaiſerin Auguſta ließ mich ihre Ungnade andauernd fühlen, und ihre un¬ mittelbaren Untergebenen, die höchſten Beamten des Hofes, gingen in ihrem Mangel an Formen ſo weit, daß ich zu ſchriftlichen Be¬ ſchwerden bei Sr. Majeſtät ſelbſt veranlaßt wurde. Dieſe hatten den Erfolg, daß wenigſtens die äußern Formen mir gegenüber nicht mehr vernachläſſigt wurden. — Miniſter Falk wurde dem¬ nächſt durch dergleichen höfiſche Unfreundlichkeiten gegen ihn und ſeine Frau mehr als durch ſachliche Schwierigkeiten ſeiner Stellung überdrüſſig 1). 1) S. o. S. 131 f. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 11

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/185>, abgerufen am 09.05.2024.