In Versailles hatte ich vom 5. bis 9. November mit dem Grafen Ledochowski, Erzbischofe von Posen und Gnesen, Verhand¬ lungen gehabt, die sich vorwiegend auf die territorialen Interessen des Papstes bezogen. Gemäß dem Sprichwort "Eine Hand wäscht die andre" machte ich ihm den Vorschlag, die Gegenseitigkeit der Beziehungen zwischen dem Papste und uns zu bethätigen durch päpst¬ liche Einwirkung auf die französische Geistlichkeit im Sinne des Friedensschlusses, immer in Sorge, wie ich war, daß eine Einmischung der neutralen Mächte uns die Früchte der Siege verkümmern könne. Ledochowski und in engern Grenzen Bonnechose, Cardinal-Erz¬ bischof von Rouen, machten bei verschiedenen Mitgliedern des hohen Clerus den Versuch, sie zu einer Einwirkung in dem be¬ zeichneten Sinne zu bestimmen, hatten mir aber nur von einer kühlen, ablehnenden Aufnahme ihrer Schritte zu berichten, woraus ich entnahm, daß es der päpstlichen Macht entweder an Stärke oder an gutem Willen fehlen müsse, uns im Sinne des Friedens eine Hülfe zu gewähren, werthvoll genug, um die Verstimmung der deutschen Protestanten und der italienischen Nationalpartei und der letztern Rückwirkung auf die zukünftigen Beziehungen beider Völker
Vierundzwanzigſtes Kapitel. Culturkampf.
I.
In Verſailles hatte ich vom 5. bis 9. November mit dem Grafen Ledochowſki, Erzbiſchofe von Poſen und Gneſen, Verhand¬ lungen gehabt, die ſich vorwiegend auf die territorialen Intereſſen des Papſtes bezogen. Gemäß dem Sprichwort „Eine Hand wäſcht die andre“ machte ich ihm den Vorſchlag, die Gegenſeitigkeit der Beziehungen zwiſchen dem Papſte und uns zu bethätigen durch päpſt¬ liche Einwirkung auf die franzöſiſche Geiſtlichkeit im Sinne des Friedensſchluſſes, immer in Sorge, wie ich war, daß eine Einmiſchung der neutralen Mächte uns die Früchte der Siege verkümmern könne. Ledochowſki und in engern Grenzen Bonnechoſe, Cardinal-Erz¬ biſchof von Rouen, machten bei verſchiedenen Mitgliedern des hohen Clerus den Verſuch, ſie zu einer Einwirkung in dem be¬ zeichneten Sinne zu beſtimmen, hatten mir aber nur von einer kühlen, ablehnenden Aufnahme ihrer Schritte zu berichten, woraus ich entnahm, daß es der päpſtlichen Macht entweder an Stärke oder an gutem Willen fehlen müſſe, uns im Sinne des Friedens eine Hülfe zu gewähren, werthvoll genug, um die Verſtimmung der deutſchen Proteſtanten und der italieniſchen Nationalpartei und der letztern Rückwirkung auf die zukünftigen Beziehungen beider Völker
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Vierundzwanzigſtes Kapitel.
Culturkampf.
I.
In Verſailles hatte ich vom 5. bis 9. November mit dem
Grafen Ledochowſki, Erzbiſchofe von Poſen und Gneſen, Verhand¬
lungen gehabt, die ſich vorwiegend auf die territorialen Intereſſen
des Papſtes bezogen. Gemäß dem Sprichwort „Eine Hand wäſcht
die andre“ machte ich ihm den Vorſchlag, die Gegenſeitigkeit der
Beziehungen zwiſchen dem Papſte und uns zu bethätigen durch päpſt¬
liche Einwirkung auf die franzöſiſche Geiſtlichkeit im Sinne des
Friedensſchluſſes, immer in Sorge, wie ich war, daß eine Einmiſchung
der neutralen Mächte uns die Früchte der Siege verkümmern könne.
Ledochowſki und in engern Grenzen Bonnechoſe, Cardinal-Erz¬
biſchof von Rouen, machten bei verſchiedenen Mitgliedern des
hohen Clerus den Verſuch, ſie zu einer Einwirkung in dem be¬
zeichneten Sinne zu beſtimmen, hatten mir aber nur von einer
kühlen, ablehnenden Aufnahme ihrer Schritte zu berichten, woraus
ich entnahm, daß es der päpſtlichen Macht entweder an Stärke oder
an gutem Willen fehlen müſſe, uns im Sinne des Friedens eine
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deutſchen Proteſtanten und der italieniſchen Nationalpartei und der
letztern Rückwirkung auf die zukünftigen Beziehungen beider Völker
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. [123]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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