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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Die hohenzollernsche Candidatur.
gehörte, unter denen er Spanien zu regiren gehabt haben würde.
Ich sagte: wir wären viel mehr berechtigt gewesen zu der Besorgniß
vor einem engern Verständnisse zwischen der spanischen und der
französischen Krone als zu der Hoffnung auf Herstellung einer
spanisch-deutschen und antifranzösischen Constellation nach Analogie
Karls V.; ein König von Spanien könne eben nur spanische Politik
treiben, und der Prinz wäre Spanier geworden durch Uebernahme
der Krone des Landes. Zu meiner Ueberraschung erfolgte aus der
Finsterniß hinter mir eine lebhafte Erwiderung des Prinzen von
Hohenzollern, von dessen Anwesenheit ich keine Ahnung gehabt
hatte; er protestirte lebhaft gegen die Möglichkeit, bei ihm fran¬
zösische Sympathien vorauszusetzen. Dieser Protest inmitten des
Schlachtfeldes von Sedan war für einen deutschen Offizier und
Hohenzollernschen Prinzen natürlich, und ich konnte ihn nur
damit beantworten, daß der Prinz als König von Spanien sich
nur von spanischen Interessen hätte leiten lassen können, und daß
zu solchen namentlich behufs Befestigung des neuen Königthums
zunächst eine schonende Behandlung des mächtigen Nachbarn an den
Pyrenäen gehört haben würde. Ich machte dem Prinzen meine
Entschuldigung über die in seiner mir unbekannten Gegenwart ge¬
thane Aeußerung.

Diese anticipirte Episode legt Zeugniß ab über die Auf¬
fassung, die ich von der ganzen Frage hatte. Ich betrachtete sie
als eine spanische und nicht als eine deutsche, wenn es mir auch
erfreulich schien, den deutschen Namen Hohenzollern in Vertretung
der Monarchie in Spanien thätig zu sehn, und wenn ich auch nicht
versäumte, alle möglichen Folgen unter dem Gesichtspunkte unsrer
Interessen zu erwägen, was bei jedem Vorgange von ähnlicher
Wichtigkeit in einem andern Staate zu thun die Pflicht eines aus¬
wärtigen Ministers ist. Ich dachte zunächst mehr an wirthschaft¬
liche wie an politische Beziehungen, denen ein König von Spanien
deutscher Abstammung förderlich sein konnte. Für Spanien er¬
wartete ich von der Person des Prinzen und von seinen verwand¬

Die hohenzollernſche Candidatur.
gehörte, unter denen er Spanien zu regiren gehabt haben würde.
Ich ſagte: wir wären viel mehr berechtigt geweſen zu der Beſorgniß
vor einem engern Verſtändniſſe zwiſchen der ſpaniſchen und der
franzöſiſchen Krone als zu der Hoffnung auf Herſtellung einer
ſpaniſch-deutſchen und antifranzöſiſchen Conſtellation nach Analogie
Karls V.; ein König von Spanien könne eben nur ſpaniſche Politik
treiben, und der Prinz wäre Spanier geworden durch Uebernahme
der Krone des Landes. Zu meiner Ueberraſchung erfolgte aus der
Finſterniß hinter mir eine lebhafte Erwiderung des Prinzen von
Hohenzollern, von deſſen Anweſenheit ich keine Ahnung gehabt
hatte; er proteſtirte lebhaft gegen die Möglichkeit, bei ihm fran¬
zöſiſche Sympathien vorauszuſetzen. Dieſer Proteſt inmitten des
Schlachtfeldes von Sedan war für einen deutſchen Offizier und
Hohenzollernſchen Prinzen natürlich, und ich konnte ihn nur
damit beantworten, daß der Prinz als König von Spanien ſich
nur von ſpaniſchen Intereſſen hätte leiten laſſen können, und daß
zu ſolchen namentlich behufs Befeſtigung des neuen Königthums
zunächſt eine ſchonende Behandlung des mächtigen Nachbarn an den
Pyrenäen gehört haben würde. Ich machte dem Prinzen meine
Entſchuldigung über die in ſeiner mir unbekannten Gegenwart ge¬
thane Aeußerung.

Dieſe anticipirte Epiſode legt Zeugniß ab über die Auf¬
faſſung, die ich von der ganzen Frage hatte. Ich betrachtete ſie
als eine ſpaniſche und nicht als eine deutſche, wenn es mir auch
erfreulich ſchien, den deutſchen Namen Hohenzollern in Vertretung
der Monarchie in Spanien thätig zu ſehn, und wenn ich auch nicht
verſäumte, alle möglichen Folgen unter dem Geſichtspunkte unſrer
Intereſſen zu erwägen, was bei jedem Vorgange von ähnlicher
Wichtigkeit in einem andern Staate zu thun die Pflicht eines aus¬
wärtigen Miniſters iſt. Ich dachte zunächſt mehr an wirthſchaft¬
liche wie an politiſche Beziehungen, denen ein König von Spanien
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wartete ich von der Perſon des Prinzen und von ſeinen verwand¬

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[79/0103] Die hohenzollernſche Candidatur. gehörte, unter denen er Spanien zu regiren gehabt haben würde. Ich ſagte: wir wären viel mehr berechtigt geweſen zu der Beſorgniß vor einem engern Verſtändniſſe zwiſchen der ſpaniſchen und der franzöſiſchen Krone als zu der Hoffnung auf Herſtellung einer ſpaniſch-deutſchen und antifranzöſiſchen Conſtellation nach Analogie Karls V.; ein König von Spanien könne eben nur ſpaniſche Politik treiben, und der Prinz wäre Spanier geworden durch Uebernahme der Krone des Landes. Zu meiner Ueberraſchung erfolgte aus der Finſterniß hinter mir eine lebhafte Erwiderung des Prinzen von Hohenzollern, von deſſen Anweſenheit ich keine Ahnung gehabt hatte; er proteſtirte lebhaft gegen die Möglichkeit, bei ihm fran¬ zöſiſche Sympathien vorauszuſetzen. Dieſer Proteſt inmitten des Schlachtfeldes von Sedan war für einen deutſchen Offizier und Hohenzollernſchen Prinzen natürlich, und ich konnte ihn nur damit beantworten, daß der Prinz als König von Spanien ſich nur von ſpaniſchen Intereſſen hätte leiten laſſen können, und daß zu ſolchen namentlich behufs Befeſtigung des neuen Königthums zunächſt eine ſchonende Behandlung des mächtigen Nachbarn an den Pyrenäen gehört haben würde. Ich machte dem Prinzen meine Entſchuldigung über die in ſeiner mir unbekannten Gegenwart ge¬ thane Aeußerung. Dieſe anticipirte Epiſode legt Zeugniß ab über die Auf¬ faſſung, die ich von der ganzen Frage hatte. Ich betrachtete ſie als eine ſpaniſche und nicht als eine deutſche, wenn es mir auch erfreulich ſchien, den deutſchen Namen Hohenzollern in Vertretung der Monarchie in Spanien thätig zu ſehn, und wenn ich auch nicht verſäumte, alle möglichen Folgen unter dem Geſichtspunkte unſrer Intereſſen zu erwägen, was bei jedem Vorgange von ähnlicher Wichtigkeit in einem andern Staate zu thun die Pflicht eines aus¬ wärtigen Miniſters iſt. Ich dachte zunächſt mehr an wirthſchaft¬ liche wie an politiſche Beziehungen, denen ein König von Spanien deutſcher Abſtammung förderlich ſein konnte. Für Spanien er¬ wartete ich von der Perſon des Prinzen und von ſeinen verwand¬

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/103>, abgerufen am 24.11.2024.