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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
mich in den Hintergrund gezogen hatte, weil ich nicht wußte, ob
er in seiner Eigenschaft als "Abgeordneter für Wirsitz" mit mir
gesehn sein wollte, erkannte er mich in den hintersten Reihen des
Publikums, bahnte sich den Weg durch die vor mir Stehenden,
reichte mir die Hand und sagte: "Ich weiß, daß Sie für mich
thätig gewesen sind, und werde Ihnen das nie vergessen."

Meine erste Begegnung mit ihm war im Winter 1834/35 auf
einem Hofballe gewesen. Ich stand neben einem Herrn von Schack
aus Mecklenburg, der, wie ich, lang gewachsen und auch in Justiz-
Referendarien-Uniform war, was den Prinzen zu dem Scherz ver¬
anlaßte, die Justiz suche sich jetzt die Leute wohl nach dem Garde¬
maße aus. Dann zu mir gewandt, fragte er mich, weshalb ich
nicht Soldat geworden sei. "Ich hatte den Wunsch," erwiderte
ich, "aber die Eltern waren dagegen, weil die Aussichten zu
ungünstig seien." Worauf der Prinz sagte: "Brillant ist die
Carriere allerdings nicht, aber bei der Justiz auch nicht." Während
des Ersten Vereinigten Landtags, dem er als Mitglied der Herren¬
curie angehörte, redete er mich in den vereinigten Sitzungen wieder¬
holt in einer Weise an, die sein Wohlgefallen an der damals von
mir angenommnen politischen Haltung bezeugte.

Bald nach der Begegnung in Genthin lud er mich nach
Babelsberg ein. Ich erzählte ihm mancherlei aus den Märztagen,
was ich theils erlebt, theils von Offizieren gehört hatte, namentlich
über die Stimmung, in der die Truppen den Rückzug aus Berlin
angetreten und die sich in sehr bittern, auf dem Marsch gesungenen
Versen Luft gemacht hatte. Ich war hart genug, ihm das Gedicht
vorzulesen, welches für die Stimmung der Truppen auf dem
befohlenen Rückzuge aus Berlin historisch bezeichnend ist:

1. Das waren Preußen, schwarz und weiß die Farben,
So schwebt' die Fahne einmal noch voran,
Als für den König seine Treuen starben,
Für ihren König, jubelnd Mann für Mann.
Wir sahen ohne Zagen
Fort die Gefall'nen tragen,

Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
mich in den Hintergrund gezogen hatte, weil ich nicht wußte, ob
er in ſeiner Eigenſchaft als „Abgeordneter für Wirſitz“ mit mir
geſehn ſein wollte, erkannte er mich in den hinterſten Reihen des
Publikums, bahnte ſich den Weg durch die vor mir Stehenden,
reichte mir die Hand und ſagte: „Ich weiß, daß Sie für mich
thätig geweſen ſind, und werde Ihnen das nie vergeſſen.“

Meine erſte Begegnung mit ihm war im Winter 1834/35 auf
einem Hofballe geweſen. Ich ſtand neben einem Herrn von Schack
aus Mecklenburg, der, wie ich, lang gewachſen und auch in Juſtiz-
Referendarien-Uniform war, was den Prinzen zu dem Scherz ver¬
anlaßte, die Juſtiz ſuche ſich jetzt die Leute wohl nach dem Garde¬
maße aus. Dann zu mir gewandt, fragte er mich, weshalb ich
nicht Soldat geworden ſei. „Ich hatte den Wunſch,“ erwiderte
ich, „aber die Eltern waren dagegen, weil die Ausſichten zu
ungünſtig ſeien.“ Worauf der Prinz ſagte: „Brillant iſt die
Carrière allerdings nicht, aber bei der Juſtiz auch nicht.“ Während
des Erſten Vereinigten Landtags, dem er als Mitglied der Herren¬
curie angehörte, redete er mich in den vereinigten Sitzungen wieder¬
holt in einer Weiſe an, die ſein Wohlgefallen an der damals von
mir angenommnen politiſchen Haltung bezeugte.

Bald nach der Begegnung in Genthin lud er mich nach
Babelsberg ein. Ich erzählte ihm mancherlei aus den Märztagen,
was ich theils erlebt, theils von Offizieren gehört hatte, namentlich
über die Stimmung, in der die Truppen den Rückzug aus Berlin
angetreten und die ſich in ſehr bittern, auf dem Marſch geſungenen
Verſen Luft gemacht hatte. Ich war hart genug, ihm das Gedicht
vorzuleſen, welches für die Stimmung der Truppen auf dem
befohlenen Rückzuge aus Berlin hiſtoriſch bezeichnend iſt:

1. Das waren Preußen, ſchwarz und weiß die Farben,
So ſchwebt' die Fahne einmal noch voran,
Als für den König ſeine Treuen ſtarben,
Für ihren König, jubelnd Mann für Mann.
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Fort die Gefall'nen tragen,
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[38/0065] Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. mich in den Hintergrund gezogen hatte, weil ich nicht wußte, ob er in ſeiner Eigenſchaft als „Abgeordneter für Wirſitz“ mit mir geſehn ſein wollte, erkannte er mich in den hinterſten Reihen des Publikums, bahnte ſich den Weg durch die vor mir Stehenden, reichte mir die Hand und ſagte: „Ich weiß, daß Sie für mich thätig geweſen ſind, und werde Ihnen das nie vergeſſen.“ Meine erſte Begegnung mit ihm war im Winter 1834/35 auf einem Hofballe geweſen. Ich ſtand neben einem Herrn von Schack aus Mecklenburg, der, wie ich, lang gewachſen und auch in Juſtiz- Referendarien-Uniform war, was den Prinzen zu dem Scherz ver¬ anlaßte, die Juſtiz ſuche ſich jetzt die Leute wohl nach dem Garde¬ maße aus. Dann zu mir gewandt, fragte er mich, weshalb ich nicht Soldat geworden ſei. „Ich hatte den Wunſch,“ erwiderte ich, „aber die Eltern waren dagegen, weil die Ausſichten zu ungünſtig ſeien.“ Worauf der Prinz ſagte: „Brillant iſt die Carrière allerdings nicht, aber bei der Juſtiz auch nicht.“ Während des Erſten Vereinigten Landtags, dem er als Mitglied der Herren¬ curie angehörte, redete er mich in den vereinigten Sitzungen wieder¬ holt in einer Weiſe an, die ſein Wohlgefallen an der damals von mir angenommnen politiſchen Haltung bezeugte. Bald nach der Begegnung in Genthin lud er mich nach Babelsberg ein. Ich erzählte ihm mancherlei aus den Märztagen, was ich theils erlebt, theils von Offizieren gehört hatte, namentlich über die Stimmung, in der die Truppen den Rückzug aus Berlin angetreten und die ſich in ſehr bittern, auf dem Marſch geſungenen Verſen Luft gemacht hatte. Ich war hart genug, ihm das Gedicht vorzuleſen, welches für die Stimmung der Truppen auf dem befohlenen Rückzuge aus Berlin hiſtoriſch bezeichnend iſt: 1. Das waren Preußen, ſchwarz und weiß die Farben, So ſchwebt' die Fahne einmal noch voran, Als für den König ſeine Treuen ſtarben, Für ihren König, jubelnd Mann für Mann. Wir ſahen ohne Zagen Fort die Gefall'nen tragen,

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/65>, abgerufen am 26.11.2024.