Auf finanziellem Gebiet glaube ich aber wird schon in einer der nächsten Reichstagssitzungen der Versuch zur Eröffnung weitrer Einnahmequellen für die verbündeten Regirungen zu erneuern sein, da die bisherigen vielleicht die Lücken unsres Etats decken, aber nicht ausreichend sein werden, um Reformen der directen Steuern und Unterstützungen der nothleidenden Gemeindeverwaltungen zu ermöglichen.
In politischer Beziehung hat das Ergebniß des Vorgehns der verbündeten Regirungen meinen Erwartungen insofern ent¬ sprochen, als die fehlerhafte Gruppirung und Zusammensetzung unsrer politischen Parteien und Fractionen durch die betreffenden Verhandlungen einen nachhaltigen Stoß erlitten zu haben scheint. Das Centrum hat zum ersten Male begonnen, sich in positivem Sinne an der Gesetzgebung des Reiches zu betheiligen. Ob dieser Gewinn ein dauernder sein wird, kann nur die Erfahrung lehren. Die Möglichkeit bleibt nicht ausgeschlossen, daß diese Partei, wenn eine Verständigung mit dem römischen Stuhle nicht gelingt, zu ihrer frühern, rein negativen und oppositionellen Haltung zurück¬ kehrt. Die Aussichten auf eine Verständigung mit Rom sind dem äußern Anschein nach seit dem vorigen Jahre nicht wesentlich ge¬ bessert. Vielleicht darf ich aber Hoffnungen an die Thatsache knüpfen, daß der päpstliche Nuntius Jacobini dem Botschafter Prinzen Reuß amtlich den Wunsch ausgesprochen hat, in Verhand¬ lungen einzutreten, zu welchen er von Rom Vollmacht habe. Die Tragweite der letztern kenne ich noch nicht, habe mich aber auf den Wunsch des Nuntius bereit erklärt, mich im Laufe dieses Monats in Gastein mit ihm zu begegnen und zu besprechen.
Die nationalliberale Partei wird, wie ich hoffe, durch die letzte Reichstagssession ihrer Scheidung in eine monarchische und eine fortschrittliche, also republikanische Hälfte entgegengeführt werden. Der Versuch des frühern Präsidenten von Forckenbeck, die gesetz¬ gebenden Gewalten des Reichs der directen Controlle eines deut¬ schen Städtebundes zu unterwerfen, und die Brandreden an die
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 24
Briefwechſel mit Ludwig von Baiern.
Auf finanziellem Gebiet glaube ich aber wird ſchon in einer der nächſten Reichstagsſitzungen der Verſuch zur Eröffnung weitrer Einnahmequellen für die verbündeten Regirungen zu erneuern ſein, da die bisherigen vielleicht die Lücken unſres Etats decken, aber nicht ausreichend ſein werden, um Reformen der directen Steuern und Unterſtützungen der nothleidenden Gemeindeverwaltungen zu ermöglichen.
In politiſcher Beziehung hat das Ergebniß des Vorgehns der verbündeten Regirungen meinen Erwartungen inſofern ent¬ ſprochen, als die fehlerhafte Gruppirung und Zuſammenſetzung unſrer politiſchen Parteien und Fractionen durch die betreffenden Verhandlungen einen nachhaltigen Stoß erlitten zu haben ſcheint. Das Centrum hat zum erſten Male begonnen, ſich in poſitivem Sinne an der Geſetzgebung des Reiches zu betheiligen. Ob dieſer Gewinn ein dauernder ſein wird, kann nur die Erfahrung lehren. Die Möglichkeit bleibt nicht ausgeſchloſſen, daß dieſe Partei, wenn eine Verſtändigung mit dem römiſchen Stuhle nicht gelingt, zu ihrer frühern, rein negativen und oppoſitionellen Haltung zurück¬ kehrt. Die Ausſichten auf eine Verſtändigung mit Rom ſind dem äußern Anſchein nach ſeit dem vorigen Jahre nicht weſentlich ge¬ beſſert. Vielleicht darf ich aber Hoffnungen an die Thatſache knüpfen, daß der päpſtliche Nuntius Jacobini dem Botſchafter Prinzen Reuß amtlich den Wunſch ausgeſprochen hat, in Verhand¬ lungen einzutreten, zu welchen er von Rom Vollmacht habe. Die Tragweite der letztern kenne ich noch nicht, habe mich aber auf den Wunſch des Nuntius bereit erklärt, mich im Laufe dieſes Monats in Gaſtein mit ihm zu begegnen und zu beſprechen.
Die nationalliberale Partei wird, wie ich hoffe, durch die letzte Reichstagsſeſſion ihrer Scheidung in eine monarchiſche und eine fortſchrittliche, alſo republikaniſche Hälfte entgegengeführt werden. Der Verſuch des frühern Präſidenten von Forckenbeck, die geſetz¬ gebenden Gewalten des Reichs der directen Controlle eines deut¬ ſchen Städtebundes zu unterwerfen, und die Brandreden an die
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 24
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Briefwechſel mit Ludwig von Baiern.
Auf finanziellem Gebiet glaube ich aber wird ſchon in einer
der nächſten Reichstagsſitzungen der Verſuch zur Eröffnung weitrer
Einnahmequellen für die verbündeten Regirungen zu erneuern ſein,
da die bisherigen vielleicht die Lücken unſres Etats decken, aber
nicht ausreichend ſein werden, um Reformen der directen Steuern
und Unterſtützungen der nothleidenden Gemeindeverwaltungen zu
ermöglichen.
In politiſcher Beziehung hat das Ergebniß des Vorgehns
der verbündeten Regirungen meinen Erwartungen inſofern ent¬
ſprochen, als die fehlerhafte Gruppirung und Zuſammenſetzung
unſrer politiſchen Parteien und Fractionen durch die betreffenden
Verhandlungen einen nachhaltigen Stoß erlitten zu haben ſcheint.
Das Centrum hat zum erſten Male begonnen, ſich in poſitivem
Sinne an der Geſetzgebung des Reiches zu betheiligen. Ob dieſer
Gewinn ein dauernder ſein wird, kann nur die Erfahrung lehren.
Die Möglichkeit bleibt nicht ausgeſchloſſen, daß dieſe Partei, wenn
eine Verſtändigung mit dem römiſchen Stuhle nicht gelingt, zu
ihrer frühern, rein negativen und oppoſitionellen Haltung zurück¬
kehrt. Die Ausſichten auf eine Verſtändigung mit Rom ſind dem
äußern Anſchein nach ſeit dem vorigen Jahre nicht weſentlich ge¬
beſſert. Vielleicht darf ich aber Hoffnungen an die Thatſache
knüpfen, daß der päpſtliche Nuntius Jacobini dem Botſchafter
Prinzen Reuß amtlich den Wunſch ausgeſprochen hat, in Verhand¬
lungen einzutreten, zu welchen er von Rom Vollmacht habe. Die
Tragweite der letztern kenne ich noch nicht, habe mich aber auf
den Wunſch des Nuntius bereit erklärt, mich im Laufe dieſes
Monats in Gaſtein mit ihm zu begegnen und zu beſprechen.
Die nationalliberale Partei wird, wie ich hoffe, durch die letzte
Reichstagsſeſſion ihrer Scheidung in eine monarchiſche und eine
fortſchrittliche, alſo republikaniſche Hälfte entgegengeführt werden.
Der Verſuch des frühern Präſidenten von Forckenbeck, die geſetz¬
gebenden Gewalten des Reichs der directen Controlle eines deut¬
ſchen Städtebundes zu unterwerfen, und die Brandreden an die
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/396>, abgerufen am 23.11.2024.
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