Die vielen Geschäfte bei der Cur waren unvermeidlich, weil der Reichstag durch die Schwierigkeiten, die er bezüglich meiner Vertretung machte, und gegen die aufzutreten ich damals nicht gesund genug war, mich nöthigte, die Contrasignaturen auch im Urlaub beizubehalten. Es war dies eins der Mittel, durch welche die Mehrheit im Reichstage die Einführung jener Institution zu erkämpfen sucht, welche sie unter der Bezeichnung "verantwortlicher Reichsminister" versteht, und gegen die ich mich jederzeit abwehrend verhalte, nicht um der alleinige Minister zu bleiben, sondern um die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesraths und seiner hohen Vollmachtgeber zu wahren. Nur auf Kosten der letztern könnten die erstrebten Reichsministerien geschäftlich dotirt werden, und da¬ mit würde ein Weg in der Richtung der Centralisirung ein¬ geschlagen, in der wir das Heil der deutschen Zukunft, wie ich glaube, vergebens suchen würden. Es ist, meines unterthänigsten Dafürhaltens, nicht nur das verfassungsmäßige Recht, sondern auch die politische Aufgabe meiner außerpreußischen Collegen im Bundesrath, mich im Kampfe gegen die Einführung solcher Reichsministerien offen zu unterstützen, und dadurch klar zu stellen, daß ich bisher nicht für die ministerielle Alleinherrschaft des Kanzlers, sondern für die Rechte der Bundesgenossen und für die ministeriellen Befugnisse des Bundesraths eingetreten bin. Ich darf annehmen, Eurer Majestät Intentionen entsprochen zu haben, wenn ich mich in diesem Sinne schon Pfretzschner gegenüber ausgesprochen habe, und ich bin überzeugt, daß Eurer Majestät Vertreter im Bundesrath selbst und in Ver¬ bindung mit andern Collegen mir einen Theil des Kampfes gegen das Drängen des Reichstages nach verantwortlichen Reichsmini¬ sterien durch ihren Beistand abnehmen werden.
Wenn, wie ich höre, Eurer Majestät Wahl auf Herrn von Rudhart gefallen ist, so kann ich nach Allem, was ich durch Hohen¬ lohe über ihn weiß, dafür ehrfurchtsvoll dankbar sein und voraus¬
Briefwechſel mit Ludwig von Baiern.
Kiſſingen, 29. Juni 1877.
Die vielen Geſchäfte bei der Cur waren unvermeidlich, weil der Reichstag durch die Schwierigkeiten, die er bezüglich meiner Vertretung machte, und gegen die aufzutreten ich damals nicht geſund genug war, mich nöthigte, die Contraſignaturen auch im Urlaub beizubehalten. Es war dies eins der Mittel, durch welche die Mehrheit im Reichstage die Einführung jener Inſtitution zu erkämpfen ſucht, welche ſie unter der Bezeichnung „verantwortlicher Reichsminiſter“ verſteht, und gegen die ich mich jederzeit abwehrend verhalte, nicht um der alleinige Miniſter zu bleiben, ſondern um die verfaſſungsmäßigen Rechte des Bundesraths und ſeiner hohen Vollmachtgeber zu wahren. Nur auf Koſten der letztern könnten die erſtrebten Reichsminiſterien geſchäftlich dotirt werden, und da¬ mit würde ein Weg in der Richtung der Centraliſirung ein¬ geſchlagen, in der wir das Heil der deutſchen Zukunft, wie ich glaube, vergebens ſuchen würden. Es iſt, meines unterthänigſten Dafürhaltens, nicht nur das verfaſſungsmäßige Recht, ſondern auch die politiſche Aufgabe meiner außerpreußiſchen Collegen im Bundesrath, mich im Kampfe gegen die Einführung ſolcher Reichsminiſterien offen zu unterſtützen, und dadurch klar zu ſtellen, daß ich bisher nicht für die miniſterielle Alleinherrſchaft des Kanzlers, ſondern für die Rechte der Bundesgenoſſen und für die miniſteriellen Befugniſſe des Bundesraths eingetreten bin. Ich darf annehmen, Eurer Majeſtät Intentionen entſprochen zu haben, wenn ich mich in dieſem Sinne ſchon Pfretzſchner gegenüber ausgeſprochen habe, und ich bin überzeugt, daß Eurer Majeſtät Vertreter im Bundesrath ſelbſt und in Ver¬ bindung mit andern Collegen mir einen Theil des Kampfes gegen das Drängen des Reichstages nach verantwortlichen Reichsmini¬ ſterien durch ihren Beiſtand abnehmen werden.
Wenn, wie ich höre, Eurer Majeſtät Wahl auf Herrn von Rudhart gefallen iſt, ſo kann ich nach Allem, was ich durch Hohen¬ lohe über ihn weiß, dafür ehrfurchtsvoll dankbar ſein und voraus¬
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Briefwechſel mit Ludwig von Baiern.
Kiſſingen, 29. Juni 1877.
Die vielen Geſchäfte bei der Cur waren unvermeidlich, weil
der Reichstag durch die Schwierigkeiten, die er bezüglich meiner
Vertretung machte, und gegen die aufzutreten ich damals nicht
geſund genug war, mich nöthigte, die Contraſignaturen auch im
Urlaub beizubehalten. Es war dies eins der Mittel, durch welche
die Mehrheit im Reichstage die Einführung jener Inſtitution zu
erkämpfen ſucht, welche ſie unter der Bezeichnung „verantwortlicher
Reichsminiſter“ verſteht, und gegen die ich mich jederzeit abwehrend
verhalte, nicht um der alleinige Miniſter zu bleiben, ſondern um
die verfaſſungsmäßigen Rechte des Bundesraths und ſeiner hohen
Vollmachtgeber zu wahren. Nur auf Koſten der letztern könnten
die erſtrebten Reichsminiſterien geſchäftlich dotirt werden, und da¬
mit würde ein Weg in der Richtung der Centraliſirung ein¬
geſchlagen, in der wir das Heil der deutſchen Zukunft, wie ich glaube,
vergebens ſuchen würden. Es iſt, meines unterthänigſten Dafürhaltens,
nicht nur das verfaſſungsmäßige Recht, ſondern auch die politiſche
Aufgabe meiner außerpreußiſchen Collegen im Bundesrath, mich
im Kampfe gegen die Einführung ſolcher Reichsminiſterien offen
zu unterſtützen, und dadurch klar zu ſtellen, daß ich bisher nicht
für die miniſterielle Alleinherrſchaft des Kanzlers, ſondern für die
Rechte der Bundesgenoſſen und für die miniſteriellen Befugniſſe
des Bundesraths eingetreten bin. Ich darf annehmen, Eurer Majeſtät
Intentionen entſprochen zu haben, wenn ich mich in dieſem Sinne
ſchon Pfretzſchner gegenüber ausgeſprochen habe, und ich bin überzeugt,
daß Eurer Majeſtät Vertreter im Bundesrath ſelbſt und in Ver¬
bindung mit andern Collegen mir einen Theil des Kampfes gegen
das Drängen des Reichstages nach verantwortlichen Reichsmini¬
ſterien durch ihren Beiſtand abnehmen werden.
Wenn, wie ich höre, Eurer Majeſtät Wahl auf Herrn von
Rudhart gefallen iſt, ſo kann ich nach Allem, was ich durch Hohen¬
lohe über ihn weiß, dafür ehrfurchtsvoll dankbar ſein und voraus¬
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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