der Weg nach Berlin sei für Oestreich nicht weiter und nicht schwieriger als für die Mittelstaaten.
Die durch die Ablehnung erzeugte Verstimmung war nach meinen Eindrücken hauptsächlich der Antrieb, der das Wiener Cabinet zu einer Verständigung mit Preußen im Widerspruche mit der bundestägigen Auffassung leitete. Diese neue Richtung ent¬ sprach dem östreichischen Interesse, auch wenn sie länger bei¬ behalten worden wäre. Dazu wäre vor Allem erforderlich gewesen, daß Rechberg am Ruder blieb. Wäre damit eine dualistische Führung des Deutschen Bundes hergestellt worden, der sich die übrigen Staaten nicht versagt haben würden, sobald sie die Ueber¬ zeugung gewonnen hätten, daß die Verständigung der beiden Vor¬ mächte ehrlich und dauerhaft war, so würden auch die Rheinbund¬ gelüste einzelner süddeutschen Minister, die am schärfsten, was auch Graf Beust in seinen Denkwürdigkeiten sagen mag, in Darmstadt zum Ausdruck kamen, dem östreichisch-preußischen Einverständniß gegenüber verstummt sein.
III.
Wenige Monate nach dem Frankfurter Congreß starb der König Friedrich VII. von Dänemark (15. November 1863). Das Mißlingen des östreichischen Vorstoßes, die Weigerung der übrigen Bundes¬ staaten, nach der preußischen Ablehnung mit Oestreich allein in engere Beziehung zu treten, brachten den Gedanken einer dualistischen Politik der beiden deutschen Großmächte, infolge der Eröffnung der schleswig¬ holsteinischen Frage und Succession, in Wien der Erwägung nahe, und mit mehr Aussicht auf Verwirklichung, als im December 1862 vorgelegen hatte. Graf Rechberg machte in der Verstimmung über die Weigerung der Bundesgenossen, sich ohne Mitwirkung Preußens zu verpflichten, einfach Kehrt mit dem Bemerken, daß die Ver¬ ständigung mit Preußen für Oestreich noch leichter sei als für
Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag.
der Weg nach Berlin ſei für Oeſtreich nicht weiter und nicht ſchwieriger als für die Mittelſtaaten.
Die durch die Ablehnung erzeugte Verſtimmung war nach meinen Eindrücken hauptſächlich der Antrieb, der das Wiener Cabinet zu einer Verſtändigung mit Preußen im Widerſpruche mit der bundestägigen Auffaſſung leitete. Dieſe neue Richtung ent¬ ſprach dem öſtreichiſchen Intereſſe, auch wenn ſie länger bei¬ behalten worden wäre. Dazu wäre vor Allem erforderlich geweſen, daß Rechberg am Ruder blieb. Wäre damit eine dualiſtiſche Führung des Deutſchen Bundes hergeſtellt worden, der ſich die übrigen Staaten nicht verſagt haben würden, ſobald ſie die Ueber¬ zeugung gewonnen hätten, daß die Verſtändigung der beiden Vor¬ mächte ehrlich und dauerhaft war, ſo würden auch die Rheinbund¬ gelüſte einzelner ſüddeutſchen Miniſter, die am ſchärfſten, was auch Graf Beuſt in ſeinen Denkwürdigkeiten ſagen mag, in Darmſtadt zum Ausdruck kamen, dem öſtreichiſch-preußiſchen Einverſtändniß gegenüber verſtummt ſein.
III.
Wenige Monate nach dem Frankfurter Congreß ſtarb der König Friedrich VII. von Dänemark (15. November 1863). Das Mißlingen des öſtreichiſchen Vorſtoßes, die Weigerung der übrigen Bundes¬ ſtaaten, nach der preußiſchen Ablehnung mit Oeſtreich allein in engere Beziehung zu treten, brachten den Gedanken einer dualiſtiſchen Politik der beiden deutſchen Großmächte, infolge der Eröffnung der ſchleswig¬ holſteiniſchen Frage und Succeſſion, in Wien der Erwägung nahe, und mit mehr Ausſicht auf Verwirklichung, als im December 1862 vorgelegen hatte. Graf Rechberg machte in der Verſtimmung über die Weigerung der Bundesgenoſſen, ſich ohne Mitwirkung Preußens zu verpflichten, einfach Kehrt mit dem Bemerken, daß die Ver¬ ſtändigung mit Preußen für Oeſtreich noch leichter ſei als für
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Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag.
der Weg nach Berlin ſei für Oeſtreich nicht weiter und nicht
ſchwieriger als für die Mittelſtaaten.
Die durch die Ablehnung erzeugte Verſtimmung war nach
meinen Eindrücken hauptſächlich der Antrieb, der das Wiener
Cabinet zu einer Verſtändigung mit Preußen im Widerſpruche mit
der bundestägigen Auffaſſung leitete. Dieſe neue Richtung ent¬
ſprach dem öſtreichiſchen Intereſſe, auch wenn ſie länger bei¬
behalten worden wäre. Dazu wäre vor Allem erforderlich geweſen,
daß Rechberg am Ruder blieb. Wäre damit eine dualiſtiſche
Führung des Deutſchen Bundes hergeſtellt worden, der ſich die
übrigen Staaten nicht verſagt haben würden, ſobald ſie die Ueber¬
zeugung gewonnen hätten, daß die Verſtändigung der beiden Vor¬
mächte ehrlich und dauerhaft war, ſo würden auch die Rheinbund¬
gelüſte einzelner ſüddeutſchen Miniſter, die am ſchärfſten, was auch
Graf Beuſt in ſeinen Denkwürdigkeiten ſagen mag, in Darmſtadt
zum Ausdruck kamen, dem öſtreichiſch-preußiſchen Einverſtändniß
gegenüber verſtummt ſein.
III.
Wenige Monate nach dem Frankfurter Congreß ſtarb der König
Friedrich VII. von Dänemark (15. November 1863). Das Mißlingen
des öſtreichiſchen Vorſtoßes, die Weigerung der übrigen Bundes¬
ſtaaten, nach der preußiſchen Ablehnung mit Oeſtreich allein in engere
Beziehung zu treten, brachten den Gedanken einer dualiſtiſchen Politik
der beiden deutſchen Großmächte, infolge der Eröffnung der ſchleswig¬
holſteiniſchen Frage und Succeſſion, in Wien der Erwägung nahe,
und mit mehr Ausſicht auf Verwirklichung, als im December 1862
vorgelegen hatte. Graf Rechberg machte in der Verſtimmung über
die Weigerung der Bundesgenoſſen, ſich ohne Mitwirkung Preußens
zu verpflichten, einfach Kehrt mit dem Bemerken, daß die Ver¬
ſtändigung mit Preußen für Oeſtreich noch leichter ſei als für
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/369>, abgerufen am 24.11.2024.
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