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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürstentag.
"Warum sollen wir fahren; hier im Garten des Bundespalais
ist Platz genug, gegenüber wohnen preußische Offiziere, und
östreichische sind auch in der Nähe. Die Sache kann in dieser
Viertelstunde vor sich gehn, ich bitte Sie nur um Erlaubniß, in
wenigen Zeilen die Entstehung des Streites zu Papier zu bringen,
und erwarte von Ihnen, daß Sie diese Aufzeichnung mit mir
unterschreiben werden, da ich meinem Könige gegenüber nicht als
ein Raufbold erscheinen möchte, der die Diplomatie seines Herrn
auf der Mensur führt." Damit begann ich zu schreiben, mein
College ging mit raschen Schritten hinter mir auf und ab, während
ich schrieb. Während dessen verrauchte sein Zorn, und er kam zu
einer ruhigen Betrachtung der Lage, die er herbeigeführt hatte.
Ich verließ ihn mit der Aeußerung, daß ich Herrn von Oertzen,
den mecklenburgischen Gesandten, als meinen Zeugen zu ihm
schicken würde, um das Weitre zu verhandeln. Oertzen legte den
Streit versöhnlich bei.

Es ist auch von Interesse, zu erwähnen, wie es kam, daß ich
späterhin das Vertrauen dieses zornigen, aber ehrliebenden Herrn
und vielleicht, als wir Beide Minister geworden waren, seine Freund¬
schaft erworben habe. Bei einem geschäftlichen Besuche, den ich
ihm machte, verließ er das Zimmer, um seinen Anzug zu wechseln,
und überreichte mir eine Depesche, die er eben von seiner Regirung
erhalten hatte, mit der Bitte, sie zu lesen. Ich überzeugte mich
aus dem Inhalt, daß Rechberg sich vergriffen und mir ein Schrift¬
stück gegeben hatte, das zwar die fragliche Sache betraf, aber nur
für ihn bestimmt und offenbar von einem zweiten ostensiblen be¬
gleitet gewesen war. Als er wieder eingetreten war, gab ich ihm
die Depesche zurück mit der Aeußerung, er habe sich versehn, ich
würde vergessen, was ich gelesen hätte; ich habe in der That voll¬
kommnes Schweigen über sein Versehn beobachtet und in Berichten
oder Gesprächen von den, Inhalt des geheimen Schriftstücks und
seinem Versehn keinen auch nur indirecten Gebrauch gemacht. Seit¬
dem behielt er Vertrauen zu mir.

Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag.
„Warum ſollen wir fahren; hier im Garten des Bundespalais
iſt Platz genug, gegenüber wohnen preußiſche Offiziere, und
öſtreichiſche ſind auch in der Nähe. Die Sache kann in dieſer
Viertelſtunde vor ſich gehn, ich bitte Sie nur um Erlaubniß, in
wenigen Zeilen die Entſtehung des Streites zu Papier zu bringen,
und erwarte von Ihnen, daß Sie dieſe Aufzeichnung mit mir
unterſchreiben werden, da ich meinem Könige gegenüber nicht als
ein Raufbold erſcheinen möchte, der die Diplomatie ſeines Herrn
auf der Menſur führt.“ Damit begann ich zu ſchreiben, mein
College ging mit raſchen Schritten hinter mir auf und ab, während
ich ſchrieb. Während deſſen verrauchte ſein Zorn, und er kam zu
einer ruhigen Betrachtung der Lage, die er herbeigeführt hatte.
Ich verließ ihn mit der Aeußerung, daß ich Herrn von Oertzen,
den mecklenburgiſchen Geſandten, als meinen Zeugen zu ihm
ſchicken würde, um das Weitre zu verhandeln. Oertzen legte den
Streit verſöhnlich bei.

Es iſt auch von Intereſſe, zu erwähnen, wie es kam, daß ich
ſpäterhin das Vertrauen dieſes zornigen, aber ehrliebenden Herrn
und vielleicht, als wir Beide Miniſter geworden waren, ſeine Freund¬
ſchaft erworben habe. Bei einem geſchäftlichen Beſuche, den ich
ihm machte, verließ er das Zimmer, um ſeinen Anzug zu wechſeln,
und überreichte mir eine Depeſche, die er eben von ſeiner Regirung
erhalten hatte, mit der Bitte, ſie zu leſen. Ich überzeugte mich
aus dem Inhalt, daß Rechberg ſich vergriffen und mir ein Schrift¬
ſtück gegeben hatte, das zwar die fragliche Sache betraf, aber nur
für ihn beſtimmt und offenbar von einem zweiten oſtenſiblen be¬
gleitet geweſen war. Als er wieder eingetreten war, gab ich ihm
die Depeſche zurück mit der Aeußerung, er habe ſich verſehn, ich
würde vergeſſen, was ich geleſen hätte; ich habe in der That voll¬
kommnes Schweigen über ſein Verſehn beobachtet und in Berichten
oder Geſprächen von den, Inhalt des geheimen Schriftſtücks und
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dem behielt er Vertrauen zu mir.

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[332/0359] Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürſtentag. „Warum ſollen wir fahren; hier im Garten des Bundespalais iſt Platz genug, gegenüber wohnen preußiſche Offiziere, und öſtreichiſche ſind auch in der Nähe. Die Sache kann in dieſer Viertelſtunde vor ſich gehn, ich bitte Sie nur um Erlaubniß, in wenigen Zeilen die Entſtehung des Streites zu Papier zu bringen, und erwarte von Ihnen, daß Sie dieſe Aufzeichnung mit mir unterſchreiben werden, da ich meinem Könige gegenüber nicht als ein Raufbold erſcheinen möchte, der die Diplomatie ſeines Herrn auf der Menſur führt.“ Damit begann ich zu ſchreiben, mein College ging mit raſchen Schritten hinter mir auf und ab, während ich ſchrieb. Während deſſen verrauchte ſein Zorn, und er kam zu einer ruhigen Betrachtung der Lage, die er herbeigeführt hatte. Ich verließ ihn mit der Aeußerung, daß ich Herrn von Oertzen, den mecklenburgiſchen Geſandten, als meinen Zeugen zu ihm ſchicken würde, um das Weitre zu verhandeln. Oertzen legte den Streit verſöhnlich bei. Es iſt auch von Intereſſe, zu erwähnen, wie es kam, daß ich ſpäterhin das Vertrauen dieſes zornigen, aber ehrliebenden Herrn und vielleicht, als wir Beide Miniſter geworden waren, ſeine Freund¬ ſchaft erworben habe. Bei einem geſchäftlichen Beſuche, den ich ihm machte, verließ er das Zimmer, um ſeinen Anzug zu wechſeln, und überreichte mir eine Depeſche, die er eben von ſeiner Regirung erhalten hatte, mit der Bitte, ſie zu leſen. Ich überzeugte mich aus dem Inhalt, daß Rechberg ſich vergriffen und mir ein Schrift¬ ſtück gegeben hatte, das zwar die fragliche Sache betraf, aber nur für ihn beſtimmt und offenbar von einem zweiten oſtenſiblen be¬ gleitet geweſen war. Als er wieder eingetreten war, gab ich ihm die Depeſche zurück mit der Aeußerung, er habe ſich verſehn, ich würde vergeſſen, was ich geleſen hätte; ich habe in der That voll¬ kommnes Schweigen über ſein Verſehn beobachtet und in Berichten oder Geſprächen von den, Inhalt des geheimen Schriftſtücks und ſeinem Verſehn keinen auch nur indirecten Gebrauch gemacht. Seit¬ dem behielt er Vertrauen zu mir.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/359>, abgerufen am 23.11.2024.