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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Sechzehntes Kapitel: Danziger Episode.
dem Verdacht sein könne, sich auf irgend eine Weise in Staats¬
angelegenheiten zu mischen. Dieser Brief, sagt man, sei aus¬
gezeichnet, und der Prinz sei glücklich zu preisen im Besitz einer
Gattin, welche nicht nur seine liberalen Ansichten theilt, sondern
auch im Stande ist, ihm in einem wichtigen und kritischen Augen¬
blicke seines Lebens so viel Beistand zu leisten. Man könne sich
nicht leicht eine schwierigere Stellung denken, als die des Prinz¬
lichen Paares ohne jeden Rathgeber, mit einem eigenwilligen
Souverain und einem verderblichen Cabinet auf einer Seite und
einem aufgeregten Volke auf der andern."

Die Nachforschungen nach dem Vermittler dieses Artikels haben
zu keinem sichern Ergebnisse geführt. Eine Reihe von Umständen
ließ den Verdacht auf den Legationsrath Meyer fallen. Die aus¬
führlicheren Mittheilungen an die "Grenzboten" und die "Süd¬
deutsche Post" des Abgeordneten Brater scheinen durch einen kleinen
deutschen Diplomaten *)gegangen zu sein, der das Vertrauen der
Kronprinzlichen Herrschaften besaß, behielt und ein Vierteljahr¬
hundert später durch indiscrete Veröffentlichung ihm anvertrauter
Manuscripte des Prinzen mißbraucht hat.

Der Versicherung des Kronprinzen, um diese Veröffentlichung
nicht gewußt zu haben, habe ich nie einen Zweifel entgegengebracht,
auch nicht, nachdem ich gelesen, daß er in einem Briefe an Max
Duncker vom 14. Juli 1)geschrieben hat, er wäre wenig überrascht,
wenn man sich Bismarckischer Seits in Besitz von Abschriften des
Briefwechsels zwischen ihm und dem Könige zu setzen gewußt hätte.

Die Urheberschaft der Veröffentlichung glaubte ich auf der¬
selben Seite suchen zu müssen, von woher nach meiner Ueber¬
zeugung der Kronprinz zu seiner Haltung bestimmt worden war.
Wahrnehmungen während des französischen Krieges und neuer¬
dings die Mittheilung aus Dunckers Papieren haben meine

*) A. a. O. S. 308.
1) Geffcken.

Sechzehntes Kapitel: Danziger Epiſode.
dem Verdacht ſein könne, ſich auf irgend eine Weiſe in Staats¬
angelegenheiten zu miſchen. Dieſer Brief, ſagt man, ſei aus¬
gezeichnet, und der Prinz ſei glücklich zu preiſen im Beſitz einer
Gattin, welche nicht nur ſeine liberalen Anſichten theilt, ſondern
auch im Stande iſt, ihm in einem wichtigen und kritiſchen Augen¬
blicke ſeines Lebens ſo viel Beiſtand zu leiſten. Man könne ſich
nicht leicht eine ſchwierigere Stellung denken, als die des Prinz¬
lichen Paares ohne jeden Rathgeber, mit einem eigenwilligen
Souverain und einem verderblichen Cabinet auf einer Seite und
einem aufgeregten Volke auf der andern.“

Die Nachforſchungen nach dem Vermittler dieſes Artikels haben
zu keinem ſichern Ergebniſſe geführt. Eine Reihe von Umſtänden
ließ den Verdacht auf den Legationsrath Meyer fallen. Die aus¬
führlicheren Mittheilungen an die „Grenzboten“ und die „Süd¬
deutſche Poſt“ des Abgeordneten Brater ſcheinen durch einen kleinen
deutſchen Diplomaten *)gegangen zu ſein, der das Vertrauen der
Kronprinzlichen Herrſchaften beſaß, behielt und ein Vierteljahr¬
hundert ſpäter durch indiscrete Veröffentlichung ihm anvertrauter
Manuſcripte des Prinzen mißbraucht hat.

Der Verſicherung des Kronprinzen, um dieſe Veröffentlichung
nicht gewußt zu haben, habe ich nie einen Zweifel entgegengebracht,
auch nicht, nachdem ich geleſen, daß er in einem Briefe an Max
Duncker vom 14. Juli 1)geſchrieben hat, er wäre wenig überraſcht,
wenn man ſich Bismarckiſcher Seits in Beſitz von Abſchriften des
Briefwechſels zwiſchen ihm und dem Könige zu ſetzen gewußt hätte.

Die Urheberſchaft der Veröffentlichung glaubte ich auf der¬
ſelben Seite ſuchen zu müſſen, von woher nach meiner Ueber¬
zeugung der Kronprinz zu ſeiner Haltung beſtimmt worden war.
Wahrnehmungen während des franzöſiſchen Krieges und neuer¬
dings die Mittheilung aus Dunckers Papieren haben meine

*) A. a. O. S. 308.
1) Geffcken.
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[320/0347] Sechzehntes Kapitel: Danziger Epiſode. dem Verdacht ſein könne, ſich auf irgend eine Weiſe in Staats¬ angelegenheiten zu miſchen. Dieſer Brief, ſagt man, ſei aus¬ gezeichnet, und der Prinz ſei glücklich zu preiſen im Beſitz einer Gattin, welche nicht nur ſeine liberalen Anſichten theilt, ſondern auch im Stande iſt, ihm in einem wichtigen und kritiſchen Augen¬ blicke ſeines Lebens ſo viel Beiſtand zu leiſten. Man könne ſich nicht leicht eine ſchwierigere Stellung denken, als die des Prinz¬ lichen Paares ohne jeden Rathgeber, mit einem eigenwilligen Souverain und einem verderblichen Cabinet auf einer Seite und einem aufgeregten Volke auf der andern.“ Die Nachforſchungen nach dem Vermittler dieſes Artikels haben zu keinem ſichern Ergebniſſe geführt. Eine Reihe von Umſtänden ließ den Verdacht auf den Legationsrath Meyer fallen. Die aus¬ führlicheren Mittheilungen an die „Grenzboten“ und die „Süd¬ deutſche Poſt“ des Abgeordneten Brater ſcheinen durch einen kleinen deutſchen Diplomaten *)gegangen zu ſein, der das Vertrauen der Kronprinzlichen Herrſchaften beſaß, behielt und ein Vierteljahr¬ hundert ſpäter durch indiscrete Veröffentlichung ihm anvertrauter Manuſcripte des Prinzen mißbraucht hat. Der Verſicherung des Kronprinzen, um dieſe Veröffentlichung nicht gewußt zu haben, habe ich nie einen Zweifel entgegengebracht, auch nicht, nachdem ich geleſen, daß er in einem Briefe an Max Duncker vom 14. Juli 1)geſchrieben hat, er wäre wenig überraſcht, wenn man ſich Bismarckiſcher Seits in Beſitz von Abſchriften des Briefwechſels zwiſchen ihm und dem Könige zu ſetzen gewußt hätte. Die Urheberſchaft der Veröffentlichung glaubte ich auf der¬ ſelben Seite ſuchen zu müſſen, von woher nach meiner Ueber¬ zeugung der Kronprinz zu ſeiner Haltung beſtimmt worden war. Wahrnehmungen während des franzöſiſchen Krieges und neuer¬ dings die Mittheilung aus Dunckers Papieren haben meine *) A. a. O. S. 308. 1) Geffcken.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/347>, abgerufen am 22.11.2024.