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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Ministerium.
Welt, denn nur Lüge und Trug und Lug kann ihre Pläne zur
Reife bringen.

Sie sagen ferner: das Volk verlange die Ausführung des
§ 99 der Verfassung. Ich möchte wohl wissen, wie viele Menschen
im Volke den § 99 kennen oder ihn je haben nennen hören!!!
Das ist aber einerlei und thut nichts zur Sache, da für die Re¬
gierung
der Paragraph existirt und befolgt werden muß. Wer hat
denn aber die Ausführung des Paragraphen unmöglich gemacht? Habe
ich nicht von der Winter- zur Sommer-Session die Concession von
4 Millionen gemacht und danach das Militair-Budget -- leider! --
modificirt? Habe ich nicht mehrere andere Concessionen -- leider! --
gemacht, um das Entgegenkommen der Regierung dem neuen Hause
zu beweisen? Und was ist die Folge gewesen?? Daß das Ab¬
geordnetenhaus gethan hat, als hätte ich nichts gethan, um ent¬
gegenzukommen, um nur immer mehr und neue Concessionen zu
erlangen, die zuletzt dahin führen sollten, daß die Regierung un¬
möglich würde. Wer einen solchen Gebrauch von seinem Rechte
macht, d. h. das Budget so reducirt, daß Alles im Staate aufhört,
der gehört in's Tollhaus! Wo steht es in der Verfassung, daß nur
die Regierung Concessionen machen soll und die Abgeordneten nie¬
mals??? Nachdem ich die meinigen in unerhörter Ausdehnung ge¬
macht hatte, war es am Abgeordnetenhaus, die seinigen zu machen.
Dies aber wollte es unter keiner Bedingung, und die sogenannte
,Episode' bewies wohl mehr wie sonnenklar, daß uns eine Falle
nach der anderen gelegt werden sollte, in welche sogar Ihr
Vetter Patow und Schwerin fielen durch die Schlechtigkeit des
Bockum-Dolffs. 234000 Reichsthaler sollten noch pro 1862 ab¬
gesetzt werden, um das Budget annehmen zu können, während
der Kern der Frage erst 1863 zur Sprache kommen sollte; dies
lag gedruckt vor; und als ich darauf eingehe, erklärt nun erst
Bockum-Dolffs, daß ihrerseits, d. h. seiner politischen Freunde, dies
Eingehen nur angenommen werden könne, wenn sofort in der
Commission die Zusage und anderen Tags im Plenum das Gesetz

Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium.
Welt, denn nur Lüge und Trug und Lug kann ihre Pläne zur
Reife bringen.

Sie ſagen ferner: das Volk verlange die Ausführung des
§ 99 der Verfaſſung. Ich möchte wohl wiſſen, wie viele Menſchen
im Volke den § 99 kennen oder ihn je haben nennen hören!!!
Das iſt aber einerlei und thut nichts zur Sache, da für die Re¬
gierung
der Paragraph exiſtirt und befolgt werden muß. Wer hat
denn aber die Ausführung des Paragraphen unmöglich gemacht? Habe
ich nicht von der Winter- zur Sommer-Session die Concession von
4 Millionen gemacht und danach das Militair-Budget — leider! —
modificirt? Habe ich nicht mehrere andere Concessionen — leider! —
gemacht, um das Entgegenkommen der Regierung dem neuen Hauſe
zu beweiſen? Und was iſt die Folge geweſen?? Daß das Ab¬
geordnetenhaus gethan hat, als hätte ich nichts gethan, um ent¬
gegenzukommen, um nur immer mehr und neue Concessionen zu
erlangen, die zuletzt dahin führen ſollten, daß die Regierung un¬
möglich würde. Wer einen ſolchen Gebrauch von ſeinem Rechte
macht, d. h. das Budget ſo reducirt, daß Alles im Staate aufhört,
der gehört in's Tollhaus! Wo ſteht es in der Verfaſſung, daß nur
die Regierung Concessionen machen ſoll und die Abgeordneten nie¬
mals??? Nachdem ich die meinigen in unerhörter Ausdehnung ge¬
macht hatte, war es am Abgeordnetenhaus, die ſeinigen zu machen.
Dies aber wollte es unter keiner Bedingung, und die ſogenannte
,Episode‘ bewies wohl mehr wie ſonnenklar, daß uns eine Falle
nach der anderen gelegt werden ſollte, in welche ſogar Ihr
Vetter Patow und Schwerin fielen durch die Schlechtigkeit des
Bockum-Dolffs. 234000 Reichsthaler ſollten noch pro 1862 ab¬
geſetzt werden, um das Budget annehmen zu können, während
der Kern der Frage erſt 1863 zur Sprache kommen ſollte; dies
lag gedruckt vor; und als ich darauf eingehe, erklärt nun erſt
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[304/0331] Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Miniſterium. Welt, denn nur Lüge und Trug und Lug kann ihre Pläne zur Reife bringen. Sie ſagen ferner: das Volk verlange die Ausführung des § 99 der Verfaſſung. Ich möchte wohl wiſſen, wie viele Menſchen im Volke den § 99 kennen oder ihn je haben nennen hören!!! Das iſt aber einerlei und thut nichts zur Sache, da für die Re¬ gierung der Paragraph exiſtirt und befolgt werden muß. Wer hat denn aber die Ausführung des Paragraphen unmöglich gemacht? Habe ich nicht von der Winter- zur Sommer-Session die Concession von 4 Millionen gemacht und danach das Militair-Budget — leider! — modificirt? Habe ich nicht mehrere andere Concessionen — leider! — gemacht, um das Entgegenkommen der Regierung dem neuen Hauſe zu beweiſen? Und was iſt die Folge geweſen?? Daß das Ab¬ geordnetenhaus gethan hat, als hätte ich nichts gethan, um ent¬ gegenzukommen, um nur immer mehr und neue Concessionen zu erlangen, die zuletzt dahin führen ſollten, daß die Regierung un¬ möglich würde. Wer einen ſolchen Gebrauch von ſeinem Rechte macht, d. h. das Budget ſo reducirt, daß Alles im Staate aufhört, der gehört in's Tollhaus! Wo ſteht es in der Verfaſſung, daß nur die Regierung Concessionen machen ſoll und die Abgeordneten nie¬ mals??? Nachdem ich die meinigen in unerhörter Ausdehnung ge¬ macht hatte, war es am Abgeordnetenhaus, die ſeinigen zu machen. Dies aber wollte es unter keiner Bedingung, und die ſogenannte ,Episode‘ bewies wohl mehr wie ſonnenklar, daß uns eine Falle nach der anderen gelegt werden ſollte, in welche ſogar Ihr Vetter Patow und Schwerin fielen durch die Schlechtigkeit des Bockum-Dolffs. 234000 Reichsthaler ſollten noch pro 1862 ab¬ geſetzt werden, um das Budget annehmen zu können, während der Kern der Frage erſt 1863 zur Sprache kommen ſollte; dies lag gedruckt vor; und als ich darauf eingehe, erklärt nun erſt Bockum-Dolffs, daß ihrerſeits, d. h. ſeiner politiſchen Freunde, dies Eingehen nur angenommen werden könne, wenn ſofort in der Commiſſion die Zuſage und anderen Tags im Plenum das Geſetz

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/331>, abgerufen am 23.11.2024.