Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
Coupe, daß er die ihm nach der Situation zufallende Rolle mehr
vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte sich bei dem
Porte-epee gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Auf¬
gabe hat, einen bestimmten Posten auf Tod und Leben zu be¬
haupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht. Damit war
er auf einen seinem ganzen Gedankengange vertrauten Weg gestellt
und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, um die er
in Baden gebracht worden war, und selbst seine Heiterkeit. Das
Leben für König und Vaterland einzusetzen, war die Pflicht des
preußischen Offiziers, um so mehr die des Königs, als des ersten
Offiziers im Lande. Sobald er seine Stellung unter dem Ge¬
sichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte sie für ihn ebenso
wenig Bedenkliches, wie für jeden normalen preußischen Offizier die
instructionsmäßige Vertheidigung eines vielleicht verlornen Postens.
Er war der Sorge vor der "Manöverkritik", welche von der öffent¬
lichen Meinung, der Geschichte und der Gemalin an seinem poli¬
tischen Manöver geübt werden könnte, überhoben. Er fühlte sich
ganz in der Aufgabe des ersten Offiziers der Preußischen Monarchie,
für den der Untergang im Dienste ein ehrenvoller Abschluß der
ihm gestellten Aufgabe ist. Der Beweis der Richtigkeit meiner Be¬
urtheilung ergab sich daraus, daß der König, den ich in Jüterbogk
matt, niedergeschlagen und entmuthigt gefunden hatte, schon vor
der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann sagen, fröhliche
und kampflustige Stimmung gerieth, die sich den empfangenden
Ministern und Beamten gegenüber auf das Unzweideutigste er¬
kennbar machte.

Wenn auch die abschreckenden geschichtlichen Reminiscenzen,
die man dem Könige in Baden als Beweise beschränkter Un¬
geschicklichkeit vorgehalten hatte, auf unsre Verhältnisse nur eine
unehrliche oder phantastische Anwendung finden konnten, so
war unsre Situation doch ernst genug. Einzelne fortschrittliche
Zeitungen hofften, mich zum Besten des Staates Wolle spinnen zu
sehn, und am 17. Februar 1863 erklärte das Abgeordnetenhaus

Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußiſche Politik.
Coupé, daß er die ihm nach der Situation zufallende Rolle mehr
vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte ſich bei dem
Porte-épée gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Auf¬
gabe hat, einen beſtimmten Poſten auf Tod und Leben zu be¬
haupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht. Damit war
er auf einen ſeinem ganzen Gedankengange vertrauten Weg geſtellt
und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, um die er
in Baden gebracht worden war, und ſelbſt ſeine Heiterkeit. Das
Leben für König und Vaterland einzuſetzen, war die Pflicht des
preußiſchen Offiziers, um ſo mehr die des Königs, als des erſten
Offiziers im Lande. Sobald er ſeine Stellung unter dem Ge¬
ſichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte ſie für ihn ebenſo
wenig Bedenkliches, wie für jeden normalen preußiſchen Offizier die
inſtructionsmäßige Vertheidigung eines vielleicht verlornen Poſtens.
Er war der Sorge vor der „Manöverkritik“, welche von der öffent¬
lichen Meinung, der Geſchichte und der Gemalin an ſeinem poli¬
tiſchen Manöver geübt werden könnte, überhoben. Er fühlte ſich
ganz in der Aufgabe des erſten Offiziers der Preußiſchen Monarchie,
für den der Untergang im Dienſte ein ehrenvoller Abſchluß der
ihm geſtellten Aufgabe iſt. Der Beweis der Richtigkeit meiner Be¬
urtheilung ergab ſich daraus, daß der König, den ich in Jüterbogk
matt, niedergeſchlagen und entmuthigt gefunden hatte, ſchon vor
der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann ſagen, fröhliche
und kampfluſtige Stimmung gerieth, die ſich den empfangenden
Miniſtern und Beamten gegenüber auf das Unzweideutigſte er¬
kennbar machte.

Wenn auch die abſchreckenden geſchichtlichen Reminiſcenzen,
die man dem Könige in Baden als Beweiſe beſchränkter Un¬
geſchicklichkeit vorgehalten hatte, auf unſre Verhältniſſe nur eine
unehrliche oder phantaſtiſche Anwendung finden konnten, ſo
war unſre Situation doch ernſt genug. Einzelne fortſchrittliche
Zeitungen hofften, mich zum Beſten des Staates Wolle ſpinnen zu
ſehn, und am 17. Februar 1863 erklärte das Abgeordnetenhaus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="286"/><fw place="top" type="header">Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußi&#x017F;che Politik.<lb/></fw>Coup<hi rendition="#aq">é</hi>, daß er die ihm nach der Situation zufallende Rolle mehr<lb/>
vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte &#x017F;ich bei dem<lb/><hi rendition="#aq">Porte-épée</hi> gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Auf¬<lb/>
gabe hat, einen be&#x017F;timmten Po&#x017F;ten auf Tod und Leben zu be¬<lb/>
haupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht. Damit war<lb/>
er auf einen &#x017F;einem ganzen Gedankengange vertrauten Weg ge&#x017F;tellt<lb/>
und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, um die er<lb/>
in Baden gebracht worden war, und &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Heiterkeit. Das<lb/>
Leben für König und Vaterland einzu&#x017F;etzen, war die Pflicht des<lb/>
preußi&#x017F;chen Offiziers, um &#x017F;o mehr die des Königs, als des er&#x017F;ten<lb/>
Offiziers im Lande. Sobald er &#x017F;eine Stellung unter dem Ge¬<lb/>
&#x017F;ichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte &#x017F;ie für ihn eben&#x017F;o<lb/>
wenig Bedenkliches, wie für jeden normalen preußi&#x017F;chen Offizier die<lb/>
in&#x017F;tructionsmäßige Vertheidigung eines vielleicht verlornen Po&#x017F;tens.<lb/>
Er war der Sorge vor der &#x201E;Manöverkritik&#x201C;, welche von der öffent¬<lb/>
lichen Meinung, der Ge&#x017F;chichte und der Gemalin an &#x017F;einem poli¬<lb/>
ti&#x017F;chen Manöver geübt werden könnte, überhoben. Er fühlte &#x017F;ich<lb/>
ganz in der Aufgabe des er&#x017F;ten Offiziers der Preußi&#x017F;chen Monarchie,<lb/>
für den der Untergang im Dien&#x017F;te ein ehrenvoller Ab&#x017F;chluß der<lb/>
ihm ge&#x017F;tellten Aufgabe i&#x017F;t. Der Beweis der Richtigkeit meiner Be¬<lb/>
urtheilung ergab &#x017F;ich daraus, daß der König, den ich in Jüterbogk<lb/>
matt, niederge&#x017F;chlagen und entmuthigt gefunden hatte, &#x017F;chon vor<lb/>
der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann &#x017F;agen, fröhliche<lb/>
und kampflu&#x017F;tige Stimmung gerieth, die &#x017F;ich den empfangenden<lb/>
Mini&#x017F;tern und Beamten gegenüber auf das Unzweideutig&#x017F;te er¬<lb/>
kennbar machte.</p><lb/>
        <p>Wenn auch die ab&#x017F;chreckenden ge&#x017F;chichtlichen Remini&#x017F;cenzen,<lb/>
die man dem Könige in Baden als Bewei&#x017F;e be&#x017F;chränkter Un¬<lb/>
ge&#x017F;chicklichkeit vorgehalten hatte, auf un&#x017F;re Verhältni&#x017F;&#x017F;e nur eine<lb/>
unehrliche oder phanta&#x017F;ti&#x017F;che Anwendung finden konnten, &#x017F;o<lb/>
war un&#x017F;re Situation doch ern&#x017F;t genug. Einzelne fort&#x017F;chrittliche<lb/>
Zeitungen hofften, mich zum Be&#x017F;ten des Staates Wolle &#x017F;pinnen zu<lb/>
&#x017F;ehn, und am 17. Februar 1863 erklärte das Abgeordnetenhaus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0313] Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußiſche Politik. Coupé, daß er die ihm nach der Situation zufallende Rolle mehr vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte ſich bei dem Porte-épée gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Auf¬ gabe hat, einen beſtimmten Poſten auf Tod und Leben zu be¬ haupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht. Damit war er auf einen ſeinem ganzen Gedankengange vertrauten Weg geſtellt und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, um die er in Baden gebracht worden war, und ſelbſt ſeine Heiterkeit. Das Leben für König und Vaterland einzuſetzen, war die Pflicht des preußiſchen Offiziers, um ſo mehr die des Königs, als des erſten Offiziers im Lande. Sobald er ſeine Stellung unter dem Ge¬ ſichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte ſie für ihn ebenſo wenig Bedenkliches, wie für jeden normalen preußiſchen Offizier die inſtructionsmäßige Vertheidigung eines vielleicht verlornen Poſtens. Er war der Sorge vor der „Manöverkritik“, welche von der öffent¬ lichen Meinung, der Geſchichte und der Gemalin an ſeinem poli¬ tiſchen Manöver geübt werden könnte, überhoben. Er fühlte ſich ganz in der Aufgabe des erſten Offiziers der Preußiſchen Monarchie, für den der Untergang im Dienſte ein ehrenvoller Abſchluß der ihm geſtellten Aufgabe iſt. Der Beweis der Richtigkeit meiner Be¬ urtheilung ergab ſich daraus, daß der König, den ich in Jüterbogk matt, niedergeſchlagen und entmuthigt gefunden hatte, ſchon vor der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann ſagen, fröhliche und kampfluſtige Stimmung gerieth, die ſich den empfangenden Miniſtern und Beamten gegenüber auf das Unzweideutigſte er¬ kennbar machte. Wenn auch die abſchreckenden geſchichtlichen Reminiſcenzen, die man dem Könige in Baden als Beweiſe beſchränkter Un¬ geſchicklichkeit vorgehalten hatte, auf unſre Verhältniſſe nur eine unehrliche oder phantaſtiſche Anwendung finden konnten, ſo war unſre Situation doch ernſt genug. Einzelne fortſchrittliche Zeitungen hofften, mich zum Beſten des Staates Wolle ſpinnen zu ſehn, und am 17. Februar 1863 erklärte das Abgeordnetenhaus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/313
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/313>, abgerufen am 20.05.2024.