Im Januar 1859 machte mir auf einem Balle bei Moustier oder Karolyi der Graf Stillfried scherzhafte Anspielungen, aus denen ich schloß, daß meine schon mehrmals geplante Versetzung von Frankfurt nach Petersburg erfolgen werde, und fügte dazu die wohlwollende Bemerkung: Per aspera ad astra. Die Wissen¬ schaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf seinen intimen Be¬ ziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der Prinzessin, vom ersten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. Meine Beziehungen zu den Jesuiten waren damals noch ungetrübt, und ich besaß noch Stillfrieds Wohlwollen. Ich verstand die durchsichtige Anspielung, begab mich am folgenden Tage (26. Januar) zu dem Regenten und sagte offen, ich hörte, daß ich nach Petersburg versetzt werden sollte, und bat um Erlaubniß, mein Bedauern darüber auszusprechen, in der Hoffnung, daß es noch rückgängig gemacht werden könnte. Die erste Gegenfrage war: "Wer hat Ihnen das gesagt?" Ich erwiderte, ich würde indiscret sein, wenn ich die Person nennen wollte, ich hätte es aus dem Jesuitenlager gehört, mit dem ich alte Fühlung hätte, und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in Frankfurt, in diesem Fuchsbau des Bundestages, dessen Ein- und Ausgänge ich bis auf die Nothröhren kennen gelernt hätte, brauchbarere Dienste leisten zu können als irgend einer meiner Nachfolger, der die sehr complicirte Stellung, die auf den Beziehungen zu vielen Höfen und Ministern beruhe, erst wieder kennen lernen müsse, da ich meine achtjährige Erfahrung auf diesem Gebiete, die ich in bewegten Zuständen ge¬ macht, nicht vererben könnte. Mir wäre jeder deutsche Fürst und jeder deutsche Minister und die Höfe der bundesfürstlichen Resi¬ denzen persönlich bekannt, und ich erfreute mich, so weit es für Preußen erreichbar sei, eines Einflusses in der Bundesversammlung und an den einzelnen Höfen. Dieses erworbene und erkämpfte Capital der preußischen Diplomatie würde zwecklos zerstört durch
Neuntes Kapitel: Reiſen. Regentſchaft.
III.
Im Januar 1859 machte mir auf einem Balle bei Mouſtier oder Karolyi der Graf Stillfried ſcherzhafte Anſpielungen, aus denen ich ſchloß, daß meine ſchon mehrmals geplante Verſetzung von Frankfurt nach Petersburg erfolgen werde, und fügte dazu die wohlwollende Bemerkung: Per aspera ad astra. Die Wiſſen¬ ſchaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf ſeinen intimen Be¬ ziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der Prinzeſſin, vom erſten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. Meine Beziehungen zu den Jeſuiten waren damals noch ungetrübt, und ich beſaß noch Stillfrieds Wohlwollen. Ich verſtand die durchſichtige Anſpielung, begab mich am folgenden Tage (26. Januar) zu dem Regenten und ſagte offen, ich hörte, daß ich nach Petersburg verſetzt werden ſollte, und bat um Erlaubniß, mein Bedauern darüber auszuſprechen, in der Hoffnung, daß es noch rückgängig gemacht werden könnte. Die erſte Gegenfrage war: „Wer hat Ihnen das geſagt?“ Ich erwiderte, ich würde indiscret ſein, wenn ich die Perſon nennen wollte, ich hätte es aus dem Jeſuitenlager gehört, mit dem ich alte Fühlung hätte, und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in Frankfurt, in dieſem Fuchsbau des Bundestages, deſſen Ein- und Ausgänge ich bis auf die Nothröhren kennen gelernt hätte, brauchbarere Dienſte leiſten zu können als irgend einer meiner Nachfolger, der die ſehr complicirte Stellung, die auf den Beziehungen zu vielen Höfen und Miniſtern beruhe, erſt wieder kennen lernen müſſe, da ich meine achtjährige Erfahrung auf dieſem Gebiete, die ich in bewegten Zuſtänden ge¬ macht, nicht vererben könnte. Mir wäre jeder deutſche Fürſt und jeder deutſche Miniſter und die Höfe der bundesfürſtlichen Reſi¬ denzen perſönlich bekannt, und ich erfreute mich, ſo weit es für Preußen erreichbar ſei, eines Einfluſſes in der Bundesverſammlung und an den einzelnen Höfen. Dieſes erworbene und erkämpfte Capital der preußiſchen Diplomatie würde zwecklos zerſtört durch
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Neuntes Kapitel: Reiſen. Regentſchaft.
III.
Im Januar 1859 machte mir auf einem Balle bei Mouſtier
oder Karolyi der Graf Stillfried ſcherzhafte Anſpielungen, aus
denen ich ſchloß, daß meine ſchon mehrmals geplante Verſetzung
von Frankfurt nach Petersburg erfolgen werde, und fügte dazu
die wohlwollende Bemerkung: Per aspera ad astra. Die Wiſſen¬
ſchaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf ſeinen intimen Be¬
ziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der Prinzeſſin, vom
erſten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. Meine Beziehungen
zu den Jeſuiten waren damals noch ungetrübt, und ich beſaß noch
Stillfrieds Wohlwollen. Ich verſtand die durchſichtige Anſpielung,
begab mich am folgenden Tage (26. Januar) zu dem Regenten und
ſagte offen, ich hörte, daß ich nach Petersburg verſetzt werden ſollte,
und bat um Erlaubniß, mein Bedauern darüber auszuſprechen, in
der Hoffnung, daß es noch rückgängig gemacht werden könnte. Die
erſte Gegenfrage war: „Wer hat Ihnen das geſagt?“ Ich erwiderte,
ich würde indiscret ſein, wenn ich die Perſon nennen wollte, ich hätte
es aus dem Jeſuitenlager gehört, mit dem ich alte Fühlung hätte,
und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in Frankfurt, in dieſem
Fuchsbau des Bundestages, deſſen Ein- und Ausgänge ich bis auf
die Nothröhren kennen gelernt hätte, brauchbarere Dienſte leiſten zu
können als irgend einer meiner Nachfolger, der die ſehr complicirte
Stellung, die auf den Beziehungen zu vielen Höfen und Miniſtern
beruhe, erſt wieder kennen lernen müſſe, da ich meine achtjährige
Erfahrung auf dieſem Gebiete, die ich in bewegten Zuſtänden ge¬
macht, nicht vererben könnte. Mir wäre jeder deutſche Fürſt und
jeder deutſche Miniſter und die Höfe der bundesfürſtlichen Reſi¬
denzen perſönlich bekannt, und ich erfreute mich, ſo weit es für
Preußen erreichbar ſei, eines Einfluſſes in der Bundesverſammlung
und an den einzelnen Höfen. Dieſes erworbene und erkämpfte
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/229>, abgerufen am 29.11.2024.
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