Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Achtes Kapitel: Besuch in Paris. seiner Herrschaft nicht, ebensowenig wie das Wesen des HausesHabsburg-Lothringen durch den liberalen, ja revolutionären K. Joseph II. oder durch Franz Joseph mit seinem hochadligen Schwarzen¬ berg und Barrikadenheld Bach geändert wird. Naturam expellas furca, sie kommt doch wieder. So kann sich kein Bonaparte von der Volkssouveränität lossagen, und er thut es auch nicht. Na¬ poleon I. gab seine Bestrebungen, den revolutionären Ursprung loszuwerden, auf, wie das oben citirte Buch beweiset, z. B. als er den duc d'Enghien erschießen ließ; Napoleon III. wird es auch thun und hat es schon gethan, z. B. bei den Neuenburger Ver¬ handlungen, wo ihm die beste, unter andern Umständen willkommne Gelegenheit gegeben war, die Schweiz zu restauriren. Er aber fürchtete sich vor Lord Palmerston und der Englischen Presse, was Walewski ehrlich eingestanden, Rußland fürchtet sich vor ihm, Oest¬ reich vor ihm und vor England, und so kam diese schändliche Trans¬ action zu Stande. -- Wie merkwürdig: wir aber haben Augen und sehn nicht, haben Ohren und hören nicht, daß unmittelbar auf die Neuenburger Verhandlungen die Belgische Geschichte folgt, der Sieg der Liberalen über die Clericalen, die siegreiche Allianz der parlamentarischen Minorität und des Straßenaufruhrs über die parlamentarische Majorität. Hier darf von Seiten der legi¬ timen Mächte nicht intervenirt werden, das würde Bonaparte ge¬ wiß nicht leiden, es wird aber, wenn es nicht noch einmal be¬ schwichtigt wird, Seitens des Bonapartismus intervenirt werden, schwerlich aber zu Gunsten der Clericalen oder der Verfassung, sondern zu Gunsten des souveränen Volkes. Der Bonapartismus ist nicht Absolutismus, nicht einmal Achtes Kapitel: Beſuch in Paris. ſeiner Herrſchaft nicht, ebenſowenig wie das Weſen des HauſesHabsburg-Lothringen durch den liberalen, ja revolutionären K. Joſeph II. oder durch Franz Joſeph mit ſeinem hochadligen Schwarzen¬ berg und Barrikadenheld Bach geändert wird. Naturam expellas furca, ſie kommt doch wieder. So kann ſich kein Bonaparte von der Volksſouveränität losſagen, und er thut es auch nicht. Na¬ poleon I. gab ſeine Beſtrebungen, den revolutionären Urſprung loszuwerden, auf, wie das oben citirte Buch beweiſet, z. B. als er den duc d'Enghien erſchießen ließ; Napoleon III. wird es auch thun und hat es ſchon gethan, z. B. bei den Neuenburger Ver¬ handlungen, wo ihm die beſte, unter andern Umſtänden willkommne Gelegenheit gegeben war, die Schweiz zu reſtauriren. Er aber fürchtete ſich vor Lord Palmerſton und der Engliſchen Preſſe, was Walewski ehrlich eingeſtanden, Rußland fürchtet ſich vor ihm, Oeſt¬ reich vor ihm und vor England, und ſo kam dieſe ſchändliche Trans¬ action zu Stande. — Wie merkwürdig: wir aber haben Augen und ſehn nicht, haben Ohren und hören nicht, daß unmittelbar auf die Neuenburger Verhandlungen die Belgiſche Geſchichte folgt, der Sieg der Liberalen über die Clericalen, die ſiegreiche Allianz der parlamentariſchen Minorität und des Straßenaufruhrs über die parlamentariſche Majorität. Hier darf von Seiten der legi¬ timen Mächte nicht intervenirt werden, das würde Bonaparte ge¬ wiß nicht leiden, es wird aber, wenn es nicht noch einmal be¬ ſchwichtigt wird, Seitens des Bonapartismus intervenirt werden, ſchwerlich aber zu Gunſten der Clericalen oder der Verfaſſung, ſondern zu Gunſten des ſouveränen Volkes. 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Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.
ſeiner Herrſchaft nicht, ebenſowenig wie das Weſen des Hauſes
Habsburg-Lothringen durch den liberalen, ja revolutionären K.
Joſeph II. oder durch Franz Joſeph mit ſeinem hochadligen Schwarzen¬
berg und Barrikadenheld Bach geändert wird. Naturam expellas
furca, ſie kommt doch wieder. So kann ſich kein Bonaparte von
der Volksſouveränität losſagen, und er thut es auch nicht. Na¬
poleon I. gab ſeine Beſtrebungen, den revolutionären Urſprung
loszuwerden, auf, wie das oben citirte Buch beweiſet, z. B. als er
den duc d'Enghien erſchießen ließ; Napoleon III. wird es auch
thun und hat es ſchon gethan, z. B. bei den Neuenburger Ver¬
handlungen, wo ihm die beſte, unter andern Umſtänden willkommne
Gelegenheit gegeben war, die Schweiz zu reſtauriren. Er aber
fürchtete ſich vor Lord Palmerſton und der Engliſchen Preſſe, was
Walewski ehrlich eingeſtanden, Rußland fürchtet ſich vor ihm, Oeſt¬
reich vor ihm und vor England, und ſo kam dieſe ſchändliche Trans¬
action zu Stande. — Wie merkwürdig: wir aber haben Augen
und ſehn nicht, haben Ohren und hören nicht, daß unmittelbar
auf die Neuenburger Verhandlungen die Belgiſche Geſchichte folgt,
der Sieg der Liberalen über die Clericalen, die ſiegreiche Allianz
der parlamentariſchen Minorität und des Straßenaufruhrs über
die parlamentariſche Majorität. Hier darf von Seiten der legi¬
timen Mächte nicht intervenirt werden, das würde Bonaparte ge¬
wiß nicht leiden, es wird aber, wenn es nicht noch einmal be¬
ſchwichtigt wird, Seitens des Bonapartismus intervenirt werden,
ſchwerlich aber zu Gunſten der Clericalen oder der Verfaſſung,
ſondern zu Gunſten des ſouveränen Volkes.
Der Bonapartismus iſt nicht Abſolutismus, nicht einmal
Cäſarismus; erſterer kann ſich auf ein jus divinum gründen, wie
in Rußland und im Orient, er afficirt daher nicht die, welche
dieſes jus divinum nicht anerkennen, für die es nicht iſt, es ſei
denn, daß es ſolchem Autokraten einfällt, ſich wie Attila, Mahomet
oder Timur für eine Geißel Gottes zu halten, was doch eine Aus¬
nahme iſt. Der Cäſarismus iſt die Anmaßung eines Imperiums
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