Für die deutsche Sache behielt man in den dem Königthum widerstrebenden Kreisen eine kleine Hoffnung auf Hebelkräfte im Sinne des Herzogs von Coburg, auf englischen und selbst fran¬ zösischen Beistand, in erster Linie aber auf liberale Sympathien des deutschen Volks. Die praktisch wirksame Bethätigung dieser Hoffnungen beschränkte sich auf den kleinen Kreis der Hof-Opposition, die unter dem Namen der Fraction Bethmann-Hollweg den Prinzen von Preußen für sich und ihre Bestrebungen zu gewinnen suchte. Es war dies eine Fraction, die an dem Volke garkeinen und an der damals als "Gothaer" bezeichneten nationalliberalen Richtung geringen Anhalt hatte. Ich habe diese Herrn nicht grade für nationaldeutsche Schwärmer gehalten, im Gegentheil. Der einflußreiche, noch heut (1891) lebende langjährige Adjutant des Kaisers Wilhelm, Graf Karl von der Goltz, der einen stets offnen Zugang für seinen Bruder und dessen Freunde abgab, war ur¬ sprünglich ein eleganter und gescheidter Garde-Offizier, Stockpreuße und Hofmann, der an dem außerpreußischen Deutschland nur so viel Interesse nahm, als seine Hofstellung es mit sich brachte. Er war ein Lebemann, Jagdreiter, sah gut aus, hatte Glück bei Damen und wußte sich auf dem Hofparket geschickt zu benehmen; aber die Politik stand bei ihm nicht in erster Linie, sondern galt ihm erst,
Fünftes Kapitel. Wochenblattspartei. Krimkrieg.
I.
Für die deutſche Sache behielt man in den dem Königthum widerſtrebenden Kreiſen eine kleine Hoffnung auf Hebelkräfte im Sinne des Herzogs von Coburg, auf engliſchen und ſelbſt fran¬ zöſiſchen Beiſtand, in erſter Linie aber auf liberale Sympathien des deutſchen Volks. Die praktiſch wirkſame Bethätigung dieſer Hoffnungen beſchränkte ſich auf den kleinen Kreis der Hof-Oppoſition, die unter dem Namen der Fraction Bethmann-Hollweg den Prinzen von Preußen für ſich und ihre Beſtrebungen zu gewinnen ſuchte. Es war dies eine Fraction, die an dem Volke garkeinen und an der damals als „Gothaer“ bezeichneten nationalliberalen Richtung geringen Anhalt hatte. Ich habe dieſe Herrn nicht grade für nationaldeutſche Schwärmer gehalten, im Gegentheil. Der einflußreiche, noch heut (1891) lebende langjährige Adjutant des Kaiſers Wilhelm, Graf Karl von der Goltz, der einen ſtets offnen Zugang für ſeinen Bruder und deſſen Freunde abgab, war ur¬ ſprünglich ein eleganter und geſcheidter Garde-Offizier, Stockpreuße und Hofmann, der an dem außerpreußiſchen Deutſchland nur ſo viel Intereſſe nahm, als ſeine Hofſtellung es mit ſich brachte. Er war ein Lebemann, Jagdreiter, ſah gut aus, hatte Glück bei Damen und wußte ſich auf dem Hofparket geſchickt zu benehmen; aber die Politik ſtand bei ihm nicht in erſter Linie, ſondern galt ihm erſt,
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[[92]/0119]
Fünftes Kapitel.
Wochenblattspartei. Krimkrieg.
I.
Für die deutſche Sache behielt man in den dem Königthum
widerſtrebenden Kreiſen eine kleine Hoffnung auf Hebelkräfte im
Sinne des Herzogs von Coburg, auf engliſchen und ſelbſt fran¬
zöſiſchen Beiſtand, in erſter Linie aber auf liberale Sympathien
des deutſchen Volks. Die praktiſch wirkſame Bethätigung dieſer
Hoffnungen beſchränkte ſich auf den kleinen Kreis der Hof-Oppoſition,
die unter dem Namen der Fraction Bethmann-Hollweg den
Prinzen von Preußen für ſich und ihre Beſtrebungen zu gewinnen
ſuchte. Es war dies eine Fraction, die an dem Volke garkeinen
und an der damals als „Gothaer“ bezeichneten nationalliberalen
Richtung geringen Anhalt hatte. Ich habe dieſe Herrn nicht grade
für nationaldeutſche Schwärmer gehalten, im Gegentheil. Der
einflußreiche, noch heut (1891) lebende langjährige Adjutant des
Kaiſers Wilhelm, Graf Karl von der Goltz, der einen ſtets offnen
Zugang für ſeinen Bruder und deſſen Freunde abgab, war ur¬
ſprünglich ein eleganter und geſcheidter Garde-Offizier, Stockpreuße
und Hofmann, der an dem außerpreußiſchen Deutſchland nur ſo viel
Intereſſe nahm, als ſeine Hofſtellung es mit ſich brachte. Er war
ein Lebemann, Jagdreiter, ſah gut aus, hatte Glück bei Damen
und wußte ſich auf dem Hofparket geſchickt zu benehmen; aber die
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. [92]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/119>, abgerufen am 23.11.2024.
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