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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Ordensjäger. Tanzlust Frankfurter Diplomaten. Wiener Mission.
Marquis de Tallenay, und ich fand mich leicht in diese Gewohn¬
heit, obschon es mir am Bunde nicht an Zeit zum Gehn und
Reiten fehlte. Auch in Berlin, als ich Minister geworden war,
versagte ich mich nicht, wenn ich von befreundeten Damen aufge¬
fordert oder von Prinzessinnen zu einem Tanze befohlen wurde,
bekam aber stets sarkastische Bemerkungen des Königs darüber zu
hören, der mir zum Beispiel sagte: "Man macht es mir zum Vor¬
wurf, einen leichtsinnigen Minister gewählt zu haben. Sie sollten
den Eindruck nicht dadurch verstärken, daß Sie tanzen." Den
Prinzessinnen wurde dann untersagt, mich zum Tänzer zu wählen.
Auch die andauernde Tanzfähigkeit des Herrn von Keudell hat mir,
wenn es sich um seine Beförderung handelte, bei Seiner Majestät
Schwierigkeit gemacht. Es entsprach das der bescheidenen Natur
des Kaisers, der seine Würde auch durch Vermeiden unnöthiger
Aeußerlichkeiten, welche die Kritik herausfordern könnten, zu wahren
gewöhnt war. Ein tanzender Staatsmann fand in seinen Vor¬
stellungen nur in fürstlichen Ehrenquadrillen Platz; im raschen
Walzer verlor er bei ihm an Vertrauen auf die Weisheit seiner
Rathschläge.

Nachdem ich mich auf dem Frankfurter Terrain zu Hause
gemacht hatte, nicht ohne harte Zusammenstöße mit dem östreichi¬
schen Vertreter, zunächst in der Flottenangelegenheit, in welcher er
Preußen autoritativ und finanziell zu verkürzen und für die Zu¬
kunft lahm zu legen suchte, beschied der König mich nach Potsdam
und eröffnete mir am 28. Mai 1852, daß er sich entschlossen habe,
mich nunmehr auf die hohe Schule der Diplomatie nach Wien zu
schicken, zunächst als Vertreter, demnächst als Nachfolger des schwer
erkrankten Grafen Arnim1). Zu dem Zwecke übergab er mir das
nachstehende Einführungsschreiben an Se. Majestät den Kaiser Franz
Joseph vom 5. Juni:

1) Heinrich Friedrich Graf von Arnim-Heinrichsdorf-Werbelow, geb.
gest. 1859.

Ordensjäger. Tanzluſt Frankfurter Diplomaten. Wiener Miſſion.
Marquis de Tallenay, und ich fand mich leicht in dieſe Gewohn¬
heit, obſchon es mir am Bunde nicht an Zeit zum Gehn und
Reiten fehlte. Auch in Berlin, als ich Miniſter geworden war,
verſagte ich mich nicht, wenn ich von befreundeten Damen aufge¬
fordert oder von Prinzeſſinnen zu einem Tanze befohlen wurde,
bekam aber ſtets ſarkaſtiſche Bemerkungen des Königs darüber zu
hören, der mir zum Beiſpiel ſagte: „Man macht es mir zum Vor¬
wurf, einen leichtſinnigen Miniſter gewählt zu haben. Sie ſollten
den Eindruck nicht dadurch verſtärken, daß Sie tanzen.“ Den
Prinzeſſinnen wurde dann unterſagt, mich zum Tänzer zu wählen.
Auch die andauernde Tanzfähigkeit des Herrn von Keudell hat mir,
wenn es ſich um ſeine Beförderung handelte, bei Seiner Majeſtät
Schwierigkeit gemacht. Es entſprach das der beſcheidenen Natur
des Kaiſers, der ſeine Würde auch durch Vermeiden unnöthiger
Aeußerlichkeiten, welche die Kritik herausfordern könnten, zu wahren
gewöhnt war. Ein tanzender Staatsmann fand in ſeinen Vor¬
ſtellungen nur in fürſtlichen Ehrenquadrillen Platz; im raſchen
Walzer verlor er bei ihm an Vertrauen auf die Weisheit ſeiner
Rathſchläge.

Nachdem ich mich auf dem Frankfurter Terrain zu Hauſe
gemacht hatte, nicht ohne harte Zuſammenſtöße mit dem öſtreichi¬
ſchen Vertreter, zunächſt in der Flottenangelegenheit, in welcher er
Preußen autoritativ und finanziell zu verkürzen und für die Zu¬
kunft lahm zu legen ſuchte, beſchied der König mich nach Potsdam
und eröffnete mir am 28. Mai 1852, daß er ſich entſchloſſen habe,
mich nunmehr auf die hohe Schule der Diplomatie nach Wien zu
ſchicken, zunächſt als Vertreter, demnächſt als Nachfolger des ſchwer
erkrankten Grafen Arnim1). Zu dem Zwecke übergab er mir das
nachſtehende Einführungsſchreiben an Se. Majeſtät den Kaiſer Franz
Joſeph vom 5. Juni:

1) Heinrich Friedrich Graf von Arnim-Heinrichsdorf-Werbelow, geb.
geſt. 1859.
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[83/0110] Ordensjäger. Tanzluſt Frankfurter Diplomaten. Wiener Miſſion. Marquis de Tallenay, und ich fand mich leicht in dieſe Gewohn¬ heit, obſchon es mir am Bunde nicht an Zeit zum Gehn und Reiten fehlte. Auch in Berlin, als ich Miniſter geworden war, verſagte ich mich nicht, wenn ich von befreundeten Damen aufge¬ fordert oder von Prinzeſſinnen zu einem Tanze befohlen wurde, bekam aber ſtets ſarkaſtiſche Bemerkungen des Königs darüber zu hören, der mir zum Beiſpiel ſagte: „Man macht es mir zum Vor¬ wurf, einen leichtſinnigen Miniſter gewählt zu haben. Sie ſollten den Eindruck nicht dadurch verſtärken, daß Sie tanzen.“ Den Prinzeſſinnen wurde dann unterſagt, mich zum Tänzer zu wählen. Auch die andauernde Tanzfähigkeit des Herrn von Keudell hat mir, wenn es ſich um ſeine Beförderung handelte, bei Seiner Majeſtät Schwierigkeit gemacht. Es entſprach das der beſcheidenen Natur des Kaiſers, der ſeine Würde auch durch Vermeiden unnöthiger Aeußerlichkeiten, welche die Kritik herausfordern könnten, zu wahren gewöhnt war. Ein tanzender Staatsmann fand in ſeinen Vor¬ ſtellungen nur in fürſtlichen Ehrenquadrillen Platz; im raſchen Walzer verlor er bei ihm an Vertrauen auf die Weisheit ſeiner Rathſchläge. Nachdem ich mich auf dem Frankfurter Terrain zu Hauſe gemacht hatte, nicht ohne harte Zuſammenſtöße mit dem öſtreichi¬ ſchen Vertreter, zunächſt in der Flottenangelegenheit, in welcher er Preußen autoritativ und finanziell zu verkürzen und für die Zu¬ kunft lahm zu legen ſuchte, beſchied der König mich nach Potsdam und eröffnete mir am 28. Mai 1852, daß er ſich entſchloſſen habe, mich nunmehr auf die hohe Schule der Diplomatie nach Wien zu ſchicken, zunächſt als Vertreter, demnächſt als Nachfolger des ſchwer erkrankten Grafen Arnim 1). Zu dem Zwecke übergab er mir das nachſtehende Einführungsſchreiben an Se. Majeſtät den Kaiſer Franz Joſeph vom 5. Juni: 1) Heinrich Friedrich Graf von Arnim-Heinrichsdorf-Werbelow, geb. geſt. 1859.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/110>, abgerufen am 23.11.2024.